Griechische Mythologie. Ludwig Preller
Acte waren auch in anderen Bildwerken auf der Burg wiederholt, P. 1, 24, 2, vgl. Beulé Monn. d'Ath. p. 393.
5. Apollon.
Der Gott der Sonne und des Lichtes, wofür ihn schon die Alten oft erklärt haben und worauf auch die neuere Mythologie nach längerem Widerstreben zurückgekommen ist. Nur ist er freilich nicht die Sonne blos als Erscheinung, in dieser wandernden, am Himmel auf- und absteigenden Gestalt des Helios, sondern die Sonne ist nur die hervorragendste Erscheinung der Naturkraft, welche unter allen griechischen Göttern vorzüglich dieser vertritt, der herrlichen, feierlichen, im erhabensten Sinne des Wortes göttlichen Natur des Lichtes, der siegreichen Feindin von allem Unholden und Widerwärtigen und der alldurchdringenden Ursache von allem Schönen und Harmonischen. Apoll ist der Lichtgott schlechthin, im Lichte geboren und im Lichte wohnend, und insofern die erhebendste, das Gemüth noch jetzt tief ergreifende Gestalt der griechischen Religion. Am nächsten verwandt ist er dem Zeus, der ja auch Lichtgott ist, und der Athena, nur daß diese beiden mehr die Macht des Aethers ausdrücken und besonders Zeus die mit dem Himmel eng verbundenen atmosphärischen Wirkungen mit umfaßt, also auch mit der irdischen und sinnlichen Natur so viel mehr in Berührung tritt; dahingegen Apollons Character, namentlich der des pythischen Gottes, durchweg ein hochfeierlicher, ernster und würdiger bleibt, auch in seiner Liebe und in seinem Haß. Immer ist seine Gestalt von einer heiligen Würde und Majestät wie umflossen und kaum hat die leichtfertigste Dichtung gewagt von diesem Gotte unehrerbietige Vorstellungen zu verbreiten.
Auch der alte Cultusname Φοῖβος Ἀπόλλων ist ein beredter Ausdruck für diese lichte Reinheit und Klarheit seines Wasens, vor welcher alles Unholde von selbst verschwindet. Schon Homer bedient sich gewöhnlich beider Namen, obgleich sie auch nicht selten getrennt vorkommen. Φοῖβος bezeichnet die strahlende Natur des Lichts, speciell des Sonnenlichts494, aber auch die Heiligkeit (ἀγνότης) des Gottes, welcher nach delphischer Sage, nachdem er den Drachen getödtet hatte, erst durch Buße und Sühnung wieder zum Phoebos wurde, endlich die Gabe der Weissagung, wie sie nach der Lehre so vieler Orakel vornehmlich von Apollon ausging. Bei diesem Namen, wofür man in den örtlichen Dialecten, besonders im dorischen, Ἀπέλλων495, in Thessalien Ἁπλοῦν sagte, haben die Alten in ihrer geistreich spielenden Weise gewöhnlich an den Verderber (ἀπολλύων) gedacht, den strafenden und rächenden Gott, von dem so viele Sagen erzählten. Dahingegen die Neueren, bei der auch im älteren Rom gewöhnlichen Namensform Apellon anknüpfend, darunter im Gegentheil den Abwender des Bösen und Widrigen verstehen (ἀπέλλω d. i. ἀπείργω), den Alexikakos, dessen Verehrung wie wir sehen werden gleichfalls eine sehr alte und in den Ueberlieferungen der örtlichen Gottesdienste tiefbegründete war.
Die heilige Sage, welche sich vornehmlich in den drei Abschnitten von Apollons Geburt, von seinem Kampfe mit den Mächten der Finsterniß und des Ungeheuers, und von seinem Kommen und Gehen von und zu den Hyperboreern bewegt, scheint ihre Ausbildung denselben Culten zu verdanken welche in der Ueberlieferung auch sonst als die ältesten hervortreten, d. h. dem des Xanthosthales in Lykien, dem der Insel Delos und dem von Delphi. Wenigstens gelten diese Gegenden nicht allein für die Stätten seiner Geburt, seiner Kämpfe und seines Aufenthaltes in schöner Jahreszeit, sondern es wurde auch die älteste Hymnendichtung des Apollinischen Cultus sehr bestimmt von dort abgeleitet, namentlich von Delos und Delphi. Und zwar bezog sich Delos weiter zurück auf Lykien und einen mythischen Sänger der Vorzeit, den Lykier Olen, welcher den Deliern ihre ältesten Hymnen gedichtet haben sollte496, während die Tradition von Delphi und von Krisa, von welcher zur Zeit Solons zerstörten Stadt der Dienst in Delphi zuerst eingerichtet wurde, auf Kreta und dessen alte Priester und Cultussänger zurückwies497.
Seine Mutter ist Leto, eine Göttin welche zwar auch in Griechenland neben ihren beiden Kindern Apollo und Artemis viel verehrt und schon in der älteren epischen Tradition mit besondrer Ehrerbietung genannt und als Gemahlin des Zeus gefeiert wird498. Doch kann sie dieses nach althellenischer Tradition, welche nur Hera gelten läßt, nicht gewesen sein, wie denn auch ihr Name sowohl als ihre völlige Bedeutung am ersten aus dem Alterthume Lykiens sich erklären lassen, in welchem Lande Leto eine Göttin von großem Ansehn gewesen zu sein scheint499. Im Zusammenhange der Dichtung von der Geburt des Apoll und der Artemis ist ihre Bedeutung die der Nacht (daher κυανόπεπλος), aus welcher das Licht geboren wird. Von dem Gotte des Himmels befruchtet gebiert sie den strahlenden Gott des Lichtes, nach langem Kreisen und schweren Beängstigungen, das ist der einfache Sinn des alten Mythus, wie auch die Geburt der Alkmene eine sehr schwere ist und Danae in ihrem dunklen Kerker erst nach bitteren Leiden ihres lichten Sohnes froh wird. Nur daß die epische Dichtung in alle diese Sagen das Motiv von der Eifersucht der Hera eingeschoben hat. So war auch der Ort wo Leto von ihren beiden Kindern entbunden wird ursprünglich wohl nur ein Ort der Phantasie. Doch liegt das Localisiren solcher Vorstellungen in der Natur aller positiven Religion; daher man von der Geburt des Apoll und der Artemis in sehr verschiedenen Gegenden erzählte, besonders in dem kleinasiatischen Xanthosthale von Lykien und auf der Insel Delos, deren Ansprüche zuletzt alle Griechen anerkannten. Der alte Hymnus auf den delischen Apoll giebt die Sage in ihrer alterthümlichsten Gestalt, Kallimachos in dem Hymnus auf Delos in der modernen des hellenistischen Zeitalters. Die Grundzüge sind folgende. Langes Umherirren der Leto um einen Ort zu finden wo sie ihrer Bürde ledig würde. Im Homerischen Hymnus irrt sie förmlich im Kreise umher von Kreta nach Athen und an der griechischen Küste bis zum Athos, dann an der thrakischen und asiatischen, bis sie endlich in dem Mittelpunkte wo die Radien dieses Kreises zusammenlaufen den gesuchten Ort findet, in Delos. Ueberall weist man sie zurück, weil man sich fürchtet vor dem gewaltigen Gotte den sie gebären werde, als ob die ganze Natur in zitternder Ehrfurcht seiner Erscheinung entgegensähe. Endlich kommt sie nach Delos, der kleinen verrufenen, ganz unfruchtbaren Insel, die nichts zu bieten hat als hartes Gestein, Schaalthiere und stinkende Robben, eine Zuflucht der Möwen und der Fischer. Denn es ist eine Eigenthümlichkeit der Apollinischen Religion und überhaupt wie es scheint der Religion des Lichtes, daß sie vorzugsweise einsame unfruchtbare Klippen im Meere, Vorgebirge und felsige Schluchten zu den Geburts- und Cultusstätten ihrer Götter aufsuchte, wie auch Delphi so eine einsame und unfruchtbare Felsenschlucht ist, die erst durch Apollo zu großer Aufnahme und hoher Ehre gekommen war. In jenem Gedichte läßt sich Delos erst von der Leto das Versprechen geben daß ihr hehrer Sohn sie nicht wieder verlassen oder wohl gar in die wogende Meeresfluth hinausstoßen werde. Später und zwar zuerst bei Pindar findet sich die Sage, welcher offenbar auch eine alte und tiefreligiöse Idee zu Grunde liegt, daß Delos als wüster Fels im Meere herumgetrieben sei, bis dieser um als Stätte der Geburt des Apoll zu dienen mit ragenden Säulen im Grunde des Meeres befestigt wurde500 und den Namen Δῆλος bekommen habe d. i. die Insel der Offenbarung, der ersten Epiphanie des Lichtgottes; grade wie die Insel Rhodos nach der gleichfalls von Pindar so schön ausgeführten Sage für den Sonnengott erst aus dem Schooße des Meeres hervorgehoben wurde. Endlich erfolgt die Geburt. Neun Tage und neun Nächte dauern die Wehen, alle hülfreichen Göttinnen sind nahe, aber Hera die eifersüchtige läßt Eileithyia nicht vom Olymp. Da schicken die Göttinnen die Iris um die Göttin der Entbindung zu holen, indem sie ihr ein prächtiges Halsband versprechen, eins von jenen wunderbar schönen Geschmeiden, die in den griechischen Sagen oft erwähnt werden501. Sie kommt also und nun kniet Leto auf dem Rasen nieder, faßt die heilige Palme und hervor aus ihrem Schooße springt der Gott des Lichtes, begrüßt von der dunklen Meeresfluth, die sich im leisen Anhauch der Winde rings um die Insel emporhebt, und von dem lauten Jubel der Göttinnen. Gleich greift er nach Bogen und Kithar und wie er dahinschreitet, der lichte Gott mit den wallenden