Herzmanovskys kleiner Bruder. Egyd Gstattner
der Leitung Aufenthalt nimmt, aufgefordert ist, gleich wieder aufzulegen.
Robert Menasse: Please, hold the line! Ein nochmaliger Anruf wird neu gereiht und verlängert daher die Wartezeit. Delirieren Sie bitte nicht. Platz 27 wird sich in Kürze melden. Österreicherklärungs GesmbH, Intellektualitäten, Realitätsstrukturerklärungsmodelle, Phänomenologien, Mythen, Märchenfiguren aller Art; persönlicher Assistent des persönlichen Sekretärs des persönlichen Dr. Robert Menasse, derzeit großprojektswegen unterwegs in a) Rio de Janeiro, b) Venedig, c) Amsterdam, d) Wien I, Minoritenplatz; Guten Tag! Unsere Büros sind derzeit leider nicht besetzt. Wenn Sie eine Eröffnungsrede bestellen wollen, sprechen Sie bitte nach dem Signalton.
PS 1: Beachten Sie auch unser Sonderangebot der Woche: Sieben Hegelzitate zum Preis von sechs.
PS 2: Herr Haider, schleichen Sie sich Ihnen aus meiner Aura!
Peter Handke: Du Arschloch! Du hast mich angerufen, und ich bin nicht da. Selber schuld, Du Fernfuchtler! Wer immer Du auch sein magst (ausgenommen Sie, lieber Herr Unseld und Du, mein lieber, lieber Slobodan!), Du hast mir gar nichts zu sagen! Geh’ ins Wirtshaushinterzimmer und rede mit Deinesgleichen. Merke: Wer gegen mich ist, ist ein Arschloch. Wer für mich ist, ist ein Arschkriecher. Der Rest sind Pfaffen. Wenn Du das nicht verstehst, brauchst Du hier erst gar nicht weiter zuzuhören, also schiebe Dir den Piepston nach dem Piepston in den Arsch!
PS: Für den serbischen Schriftstellerverband: Nein, Schispringen werde ich nicht! Arschlöcher ...
Josef Winkler: Guten Tag. Ich bin am Friedhof. Danach werde ich auf einen anderen Friedhof gehen. Wird irgendwo auf der Welt ein Krematorium in Betrieb genommen, flieg ich gleich hin. Wenn Sie was wegen einer Kreuzigung wissen, rufen Sie nächstes Jahr wieder an. Sonst nicht.
Alfred Kolleritsch: Mahlzeit! (Man hört Gurgeln, Kauen, Schmatzen) Alle haben mich verlassen, und haben keine Nachricht, nur Enten und Fasane hinterlassen. (Schmatzt ungerührt weiter).
Gert Jonke: (zunächst ein Klavierkonzert, dann flüsternd:) Wenn Sie, geehrter Herr oder geehrte Dame oder aufgrund vergangener, gleichwohl aber ins Präsens hereinreichender Vorkommnisse und Wunderkünstlergeisteshaltungen entgegengesetzter Geisteshaltungen weniger oder gar nicht zu ehrender Herr oder Dame, nun abheben, sind Sie die überaus wahnwitzige Akrobatik der Technologie für sich nutzend mit einem funkelnden Schallwellenzauberkasten verbunden, der, bevor er sich in mystifizierender Absicht in eine andere Weltgegenwart begeben hat, von Gert Jonke mit einer sich selbst vorauseilenden und sich aus dem Unbekannten ihrer selbst heraus anstaunenden Sprache mit diesem von Ihnen nun akustisch wahrgenommenen regenwurmwachstumsartigen Endlossatzungetüm de luxe ausgerüstet worden ist, und Sie können anschließend nach Belieben ebenfalls eine milde Sprachgabe in den Klangklingelbeutel werfen. Ich muß Sie aber auffordern, wenn Sie sprechen, jedenfalls leise zu sprechen. Noch leiser! Noch leiser! Nein, immer noch zu laut. Ganz leise! Bemächtigen Sie sich einer an Stille heranreichenden Leisigkeit. Sprechen Sie genau in der Lautstärke, die das menschliche Ohr nicht hören kann.
Werner Kofler: Hier ist der Anrufbeantwortertext vom ähah Blblblblutwiesenwerner. Brrrrnhard! Grrrrnhardt! Ich bin nicht da, weil ich gerade dem Professor Ähah Amann drei schallende Ohrfeigen versetze. Der mag das, wenn ich das ähah mach’. Wenn Sie auch eine wollen, bestellen Sie nach dem Signalton. Oder klagen Sie mich. Sie können mich ruhig klagen. Klagen Sie mich ähah endlich!
Antonio Fian: Ich beteilige mich nicht an solchen Umfragen. Das ist unseriös. Unseriös kann ich nicht leiden. Literaturkabarett, peinlich! Heller! Also ohne mich!
André Heller: Ich bin ... ver...schwunden ...
Alexander Widner (1): Widner! Du kannst mich, er kann mich, sie kann mich, ihr könnt mich, Sie können mich alle nicht erreichen. Basta.
Alexander Widner (2): Hier ist der Anrufbeantworter des Klagenfurter Kulturstadtrats, Kulturamt. Ich tachiniere gerade. (Ich, der Anrufbeantworter, nicht der Boß. Der Boß ist super! Also ganz echt! Hähä!). Die nächste freie Leitung ist für Sie reserviert. Kann aber dauern. Hinterlassen Sie uns, was Sie wollen, aber eines sag’ ich Ihnen gleich: Budget haben wir keines.
Gernot Wolfgruber: Guten Tag. Ich bin in der Versenkung verschwunden und daher nicht erreichbar. Was wollen Sie denn? Man kann ja nicht jedes Jahr ein neues Buch machen. Oder jedes Jahrzehnt. Wo gibt’s denn sowas. Die Diana Kempf zieht sich ja auch zurück. Und die Jelinek. Hat nicht einmal einen Anrufbeantworter. Aus Wien zieht sich die Jelinek nach Hamburg zurück, aus Hamburg nach Wien. Von einem Theater versenkt sie sich ins andere und erzählt allen pausenlos, daß sie von niemandem etwas wissen will, weil sie keinen mehr aushält. Überhaupt wird sie jetzt demnächst aufhören, sagt sie. Versinkt, versinkt, versinkt. Und ist noch immer nicht versunken. Ich mach’ das gleich richtig. Auf Nimmerwiederhören.
Reinhard P. Gruber: (Man hört das Ploppen und anschließende Zischgeräusch, wenn eine Bierflasche geöffnet wird) Gausthaus zum Grourber vulgo Schülcher hicks, Griaß Goud! Schreibm tamma hicksgamma. Oun jougendliche Zniarchtlstairer darf kein hicks Grourberix ausgehickst rülps klick tütütüt.
Marie Thérèse Kerschbaumer: Guten Tag, Herr Ministerialrat. Ich habe mir gleich gedacht, daß Sie es sind. Der Herr Bundeskanzler hat ja keine Zeit mehr für die Kunst, seit er Kunstkanzler ist. Sie können mir leider keine Nachricht nach dem Signalton hinterlassen. Ich lasse gar keinen Signalton tönen, weil ich die ganze Kassette für ein Märchen brauche. Ja, ich möchte Ihnen ein Märchen erzählen. Ein Märchen von einem steuerpflichtigen Stipendium. Ein Stipendium, das ich nicht bekommen habe. Doch, das gibt’s. Es war einmal ein armes, trauriges Stipendium, das einem überwiesen wurde, der ohnehin publiziert. Was soll ich denn bei dem?, dachte das arme, traurige Stipendium, ich möchte viel lieber zur Marie Thérèse Kerschbaumer. Das Stipendium begann bitterlich zu weinen und tütütüt.
Josef Haslinger (Man hört den Soundtrack von Bonanza, durchmischt mit Peitschenknallen, dem Getrampel einer Büffelherde, Cowboylustjauchzern, dem Lachen von J. R. Ewing, dann Haslingers Stimme. Er rappt): Howdie, friends, neighbours and Franz Shoe. This is Joe speaking. I’ve just gone to the west. Keine Bange, was Scharang kann, kann ich schon lange. John-Wayne-Stipendium. Horrorthrillerworkshop. Im nächsten Roman lasse ich ganz Österreich explodieren. Wird sehr psychologisch. Austria missing in action. Für Fischer tut man alles. Rückflug über Dover. Tschau, Servus, off and over.
Gerhard Roth: Roth! Gerhard Roth! Ja, genau der. Einziger würdiger, sinnvoller, rechtmäßiger, einschichtiger Nachfolger von T. B. (Man hört das Summen von Bienen). Einziger lebender Großdichter, der Nazis schon fünfzig Kilometer gegen den Wind erschnuppert. Sagen Sie nichts! Hinterlassen Sie nichts! Dafür bin ich da. Außerdem ist die Wirklichkeit so schlimm, daß sie nur von mir beschrieben werden kann. Und von Ivica Osim. (Das Bienensummen wird lauter). Ach! Einmal so philosophisch sein wie Ivica Osim! So dunkel! So schwermütig! So slawisch seelisch! Ach! Einmal Trainer von Sturm Graz sein. Eine Reise ins Innere von Sturm Graz. Aber nein, nach Schwarzenegger benennen sie das neue Stadion, diese Heckennazis! Warum nicht gleich nach Wolfgang Bauer oder Werner Schwab! (Roths Stimme geht im dröhnenden Bienensummen unter).
Ernst Jandl: Ich sein Anrufenenantwortenenmaschinenen. Nix dadasein jetzen Jandelen an Muschelen. Vielleicht Mayröckerle sein. Vielleicht Friederickelen sein. Vielleicht Wendelen Schmidtelen Dengelen sein. Vielleicht einfach Doktorle sein. Nix wissen nix ich Blechtrottelen modernenen. Wollen sprechen, sprechen nach düüd. Aber nix plemplem Plappernen machenen!
Thomas Bernhards Adabeis
Eine Erinnerung
Folge 1
Prof. Rudolf Brändle, Kapellmeister: Als ich T.B. kennenlernte, war er erst achtzehn, während ich schon siebenundzwanzig war, das ist ein großer Unterschied. Er war damals ein magerer Kaufmannslehrling, aber das schlanke Bürscherl hatte eine profunde Baßstimme. Am liebsten ging er in die Dorfkirche von St.Veit und sang Sarastroarien. Seine Stimme war zwar naturbelassen, aber von klarer Diktion. Er wollte damals allen Ernstes Sänger werden.