Herzmanovskys kleiner Bruder. Egyd Gstattner
garniert mit Genmanipulation, globaler Bedrohung, Menschenrechtsverletzung, Ökoschocker, Mondphasenhellseherei, Geheimdienst, Spionage und Völkermord. In Meran ist übrigens wieder ein Mord geschehen. Sollte den Zahnarzt meiden. Zum Glück trage ich schon lückenlos Prothesen.
18. 12.
In Würdigung des jüngsten Meraner Mordes zögere ich meine offizielle Zusage zur Dichterlesung in Meran weiterhin hinaus. Immerhin ist der Mörder nach wie vor auf freiem Fuß. Und wenn der Mörder nun nie gefaßt wird? Hätte man mich nicht an einen ruhigeren Ort einladen können? Oder wenn es in Wirklichkeit gar keinen Mörder gibt? Wenn alle vermeintlichen Morde zum Beispiel Selbstmorde gewesen sind? Zweifellos eine schöne Idee, die Geschichte eines Städtchens zu schreiben, in dem sämtliche Bewohner nach und nach offenbar grundlos Selbstmord begehen, bis am Ende das Städtchen komplett ausgestorben ist; aber wahrscheinlich auch kein Bestseller.
Habe die Romanidee Ackermanns Gespräche mit der Finanz fürs erste wieder fallen lassen. Zu unsublim. Kann überhaupt nicht mehr schlucken. Klebriges Sekret betoniert mir den Hals zu. Ich leide.
20. 12.
Dichter Schneefall, klirrende Kälte. Der Wetterbericht sagt, keine Aussicht auf Besserung vor April. Aber Südtirol ist klimabegünstigt.
Habe heute Mercedes in der Buchhandlung getroffen. Sie hat sich für letztens mit einer Darmgrippe mit anschließendem Taschenbuchseminar in Travemünde entschuldigt. Romanidee Radikale Vertotung des Privatlebens vorerst wieder zurückgestellt. Wie gerne hätte ich mit Mercedes den Heiligen Abend verbracht! Sie ist aber leider nicht da, sondern wird nach Budapest fahren, um Weihnachten mit ihrem Freund zu feiern und bei der Gelegenheit mit ihm Schluß zu machen. Also habe ich ihr den Teddybären schon heute gegeben. Eine Zeit der Hoffnung ist angebrochen! Und sie hatte auch ein Päckchen für mich! Ein Weihnachtsgeschenk von Mercedes, ganz für mich allein, aus dem Nichts heraus! Tandaradei, Tandaradei! Ich habe sie ja so lieb! Aufmachen darf ich das Päckchen aber erst am Heiligen Abend, hat sie gesagt.
Ich habe ihr übrigens auch von meiner Begegnung mit dem Zahnarzt erzählt und bei der Gelegenheit gestanden, daß ich eine Zahnprothese trage. Mercedes hat gesagt, wir können trotzdem Freunde bleiben.
21. 12.
Die Premiere von Abduhenendas mißratene Töchter ist ein großer Erfolg gewesen und ganz hervorragend besprochen worden. Ich habe auch nichts anderes erwartet von der Literaturkritikermafia. Vielleicht wollen sie Fritz auch ganz einfach wegloben. Es sind noch sechs weitere Vorstellungen angesetzt, und ich werde ganz bestimmt nicht hingehen. Atemnot, Luftmangel, kalte Füße. Mundwinkelweh.
22. 12.
Habe zwecks Terminvereinbarung für Teneriffa beim Wiener Ideenbüro angerufen, nachdem sich die Wiener von sich aus nicht mehr gemeldet haben. Es gab aber unter dieser Nummer keine Auskunft mehr. Auch die Auskunft hat keine Auskunft geben können. Eine mysteriöse Angelegenheit. Ohrenschmerzen.
24. 12.
Mercedes hat mir zu Weihnachten ein Trivial Pursuit-Spiel geschenkt. Das ist ein Bildungs- und Wissensquiz, bestehend aus einer Unmenge von Kärtchen, kategorisiert in die Wissensgebiete Schlagzeilen, Showbusiness, Weltgeschehen, Klatsch & Tratsch und Sport. Auf jedem der insgesamt tausendfünfhundert Kärtchen steht auf der Vorderseite eine hochaktuelle Frage mit drei Antwortvorschlägen, auf der Rückseite die richtige Lösung. Die Frage einer Karte aus der Kategorie Klatsch & Tratsch lautet: Wie heißt die Hauptfigur im Stück Abduhenendas mißratene Töchter von Fritz Ritter von Herzmanovsky-Orlando? Darunter die Vorschläge a) Abduhenenda, b) Ein siamesischer Zwilling, c) Das Wiener Kind Annerl. Die richtige Lösung auf der Rückseite lautet: Ein siamesischer Zwilling. Mir ist schlecht. Übelkeit, Magenkrämpfe, womöglich Fischvergiftung.
28. 12.
Habe heute den Kulturstadtrat auf der Straße gesehen, der Kulturstadtrat hat mich auf der Straße gesehen. Das war alles. Mercedes ist noch immer nicht aus Budapest zurück.
29. 12.
Anruf aus der Who is Who-Redaktion. Die Frau Doktor bittet mich vielmals um Verzeihung für die Verwechslung, die ihr sehr peinlich ist. Selbstverständlich sei nicht ich, Franz von Herzmanovsky-Orlando, sondern Fritz von Herzmanovsky-Orlando in die Prominentenenzyklopädie aufgenommen worden. Sie hat wirklich ganz ungeniert das Wort selbstverständlich verwendet. Habe wieder einmal Weitblick bewiesen, indem ich kein Subskriptionsexemplar bestellt habe. Regelmäßige Erstickungsanfälle, dramatisch verklebtes Gaumensegel.
30. 12.
In einem Couvert Karte von Mercedes aus Budapest. Herzliche Grüße aus der Andrassy-ut. Hätte noch persönlicher sein können. Dank des Absenders kenne ich jetzt ihren vollen Namen: Mercedes Ritter. Bei der Hochzeit bin ich für den Doppelnamen.
1. 1.
Meine Vorsätze für das neue Jahr: 1) Berühmt werden. 2) Gesund werden. 3) Mit Mercedes schlafen. 4) Den Langweiligen Menschen vollenden. 5) Einen Verleger finden. 6) Einen Intendanten finden. 7) Etwas über Meran schreiben. 8) Weniger rauchen. 9) Mein Tischtennis maximieren. 10) Fritz vergessen. 11) Nach Meran fahren. 12) Berühmt werden.
2. 1.
Neujahrsgrüße von Fritz. Er ist Mitglied eines Vergnügungskomitees für den Osterfestzug auf der Passerpromenade in Meran geworden. Mache mir Sorgen um Fritz. Er meint übrigens, daß es nicht gut sei, während des Tischtennisspielens gegen die Kellerwand immer Mozarts Requiem zu spielen. Empfiehlt mir statt dessen die Moldau von Smetana. Von Tante Berta ebenfalls schöne Grüße.
5. 1.
Mercedes ist aus Budapest zurück. Sie sagt, sie hat mit ihrem Freund Schluß gemacht, er hat das aber nicht akzeptiert. Sie wird es nächstens wieder probieren. Nur noch eine Frage der Zeit.
6. 1.
In unserer Stadtzeitung ist gestern gestanden, ich hätte ein Frauenproblem. Bin natürlich sehr stolz gewesen.
Mit dem Gedanken gespielt, Mercedes nach Meran mitzunehmen. Meran im Frühling kommt einer Romanze sicher entgegen. Die Zedern, der Palmengarten, die Winterpromenade, die Sommerpromenade, das Ischlerische, die Kurgesellschaft, die Osterprozession, Vernatschtrinken, schön durchwachsenen Speck und Vintschgerlaibchen kauen. Mitteilung an den Meranerhof, anstelle des Einzelzimmers ein Doppelzimmer zu reservieren.
10. 1.
Es ist mir gelungen, einen Auszug des Anfangskapitels des Langweiligen Menschen in der kleinen, aber feinen Literaturzeitschrift Zillertaler Ziffernblatt zu veröffentlichen. Triumph! Das Jahr beginnt hervorragend.
11. 1.
Mord in Meran. Könnte irgend etwas mit der Autonomie zu tun haben. Was genau, weiß ich nicht. Geht es so weiter, erledigt sich die Autonomie ganz von allein. Rachenkatarrh.
Die Post besteht wieder nur aus einem einzigen Brief. Er kommt von einer Frau Leichter aus Pollingberg. Keine Ahnung, wo das liegt. Frau Leichter schreibt, sie hat den Anfang des Langweiligen Menschen gelesen, und sie dankt mir, daß es mich gibt. Bitte. Keine Ursache. Dann erzählt sie mir ihr ganzes Leben. Dieses Leben dauert schon ziemlich lang, nämlich 73 Jahre. Und es ist sehr langweilig. Nie sind die weiblichen Fans, die mir schreiben, jünger als siebzig. Es hapert also nach wie vor mit der Liebesgeschichte und dem Bestseller. Tante-Berta-Syndrom.
Idee für ein Journal intime. Titel: Der Teufel ist in Not und frißt Fliegen.
14. 1.
Mercedes hat mir zum Geburtstag Fritzens Garten der Erkenntnis mitgebracht. Sie meint das aber bestimmt nicht so. Ein Bändchen – 32 Seiten! – steif gebunden! Fritz ist im Grund stinkfaul, aber er verkauft das als Stilrichtung. K.u.K.-Literatur i.R. Schimpfwort.
20. 1.
Idee: Den nächsten Roman unter dem Pseudonym Peter Panik publizieren. Verleger finden! Vertrieb begeistern! Procedere: Engmaschig prüfen!
24.