Herzmanovskys kleiner Bruder. Egyd Gstattner
ebenfalls dreisprachig, aber ohne weiteren Vermerk. Im Kleiderkasten hängt ein Kärtchen, auf dem die Direktion ihre Gäste höflichst ersucht, im Hotelzimmer aus Sicherheitsgründen bitte nicht zu bügeln. Diesbezüglich, schreibt Fritz, macht er sich bei mir aber von Haus aus gar keine Gedanken. Er weiß, daß ich weiß, was sich gehört.
Weiteres Procedere: Einen Aphorismus für das goldene Gästebuch überlegen. Barocklyrik studieren. Autogrammkarten mit Portraitphoto anfertigen lassen.
2. 12.
Nachricht vom Verleger. Bei der nächsten Frau wird alles anders scheint ihm doch eher in die Leiste Negative Emanzipationsliteratur zu gehören. Paßt nicht ins Verlagsprogramm. Absage. Schimpfwort.
In Meran ist noch ein Mord geschehen. Mache mir Sorgen um Fritz. Diesmal ein ganzseitiger Bericht in der Zeitung. Man kennt weder den Mörder noch das Motiv, nur die Opfer, Angehörigen, Gerüchte und Mutmaßungen. Vermutlich mußte deswegen aus Platzgründen auch mein Interview entfallen. Macht nichts, ich bin zeitlos. Dann eben morgen.
3. 12.
Das Interview ist wieder nicht erschienen. Habe in der Zeitungsredaktion angerufen. Die Journalistin hat sich aber verleugnen lassen. Schluckbeschwerden.
Noch eine Nachricht vom Wiener Ideenbüro wegen des creative writing- workshops. Die Winterakademie findet auf Teneriffa statt, im Jänner Durchschnittstemperaturen von + 25° C. Im Grunde kann es ja nicht schaden, wenn man seine literarischen Erfahrungen weitergibt. Procedere: Noch einmal über das Angebot nachdenken, dann schleunigst zusagen.
Heute abend beinahe mit Mercedes ins Bett gegangen. Sie wollte dann aber doch noch nicht. Sie sagt, sie muß zuerst mit ihrem Freund Schluß machen. Momentan geht das aber nicht, weil er in Budapest ist. Sublim. Sie ist so süß!
4. 12.
Das Interview ist wieder nicht erschienen. Dafür hat aber eine Frau Doktor – ihren Namen habe ich nicht verstanden – vom Das Blaue Who is Who. Verlag für Prominentenenzyklopädien AG angerufen: Ich bin Who, ich bin aufgenommen, was, wie die Frau Doktor sagt, eine große Ehre ist, weil man sich diese Aufnahme nicht erkaufen kann. Fein. Wenn ich mit Bild vertreten sein will, kostet das aber vierhundert Schilling. Ich will nicht mit Bild vertreten sein. Wenn ich gleich ein Exemplar bestelle, kann ich es zum Subskriptionspreis bestellen. Ich bestelle kein Exemplar zum Subskriptionspreis: Meine Biographie kann ich auswendig, und die anderen Prominenten interessieren mich nicht. Ich bin undankbar. Ich glaube, man wird mich im letzten Moment aus der Prominentenenzyklopädie wieder hinauswerfen. Aber so bin ich.
Nachmittags in der Redaktion angerufen und diesmal die Journalistin erwischt. Habe sie gefragt, was sie glaubt, wer ich bin, und ich habe ihr dann gleich von mir aus gesagt, daß ich Who und in Who is Who bin, und wenn ich gewollt hätte, sogar mit Bild. Habe gesagt, ich bin keiner, der Interviews gibt, damit sie dann nicht erscheinen.
6. 12.
Faust fallenlassen. Heiße Magister, heiße Doktor gar, das ist im Grund ein altes altösterreichisches Thema. Aber im übrigen ist Faust unösterreichisch. Faust ist deutsch. Überhaupt: Deutsch ist unösterreichisch, österreichisch undeutsch. Deutschland ist Unösterreich, Österreich Undeutschland. Aufheben für den nächsten Aphorismenband! Jetzt, wo die Deutschen im großen und ganzen aufgehört haben, ihre Kinder Lothar zu nennen und wieder massenhaft Kuscheldeutsche durch Uerdingen flanieren, werden sie erst recht gespenstisch.
Idee für ein Alternativprojekt: Den ganzen Faust I. und II. Teil mit Kasperlfiguren auf einer Puppenbühne spielen. Hätte einen sublimen Herabwürdigungseffekt und wäre nebenbei vergleichsweise eine enorm kostengünstige Produktion. Procedere: Das Krokodil in Mephistopheles umbauen, Theaterverlag motivieren, Intendanten interessieren, hartnäckig sein. Am meisten Geld ist aber in Deutschland.
Wegen der Kopfschmerzen, Rachenschmerzen, Schluckbeschwerden, Atemnot zum Homöopathen gegangen. Der Homöopath hat gefragt, ob ich auf Behindertenparkplätzen parken würde. Werde nicht mehr zum Homöopathen gehen. Seit heute nachmittag auch Würgereiz.
Wieder zwei Morde in Meran. Bitte Fritz brieflich um nähere Informationen.
7. 12.
Idee für einen Roman mit dem Titel Ackermanns Gespräche mit der Finanz. Procedere: Schreiben. Am Christkindlmarkt für Mercedes einen Plüschteddybären gekauft. Soll eine Weihnachtsüberraschung werden. Beim Photographen wegen der Autogrammkarten mit Portraitphoto gewesen. Sind für mich aber unerschwinglich. Also weiterhin Aphorismen ohne Bild. Würgereiz.
9. 12.
In der Zeitung steht, das hiesige Landestheater plant die Aufführung eines Stückes von Fritz. Titel: Abduhenendas mißratene Töchter. Im Grund unaussprechbar. Da ist das Scheitern vorprogrammiert. Völlig schwachsinniger Plot, übelste Boulevard-Fantasy. Fritz ist drauf und dran, sich sein bißchen Karriere vollends zu ruinieren.
Komme meinerseits jetzt doch recht gut mit dem Langweiligen Menschen voran. Besserung der Ohrenschmerzen. Mercedes hat mir abends gesagt, daß sie mich irgendwie liebhat. Ein großartiger Tag. Tandaradei.
10. 12.
Bei den Tischtennis-Stadtmeisterschaften in der Vorqualifikation ausgeschieden. Mein Gegner hat Horst Huber geheißen, ist aber Mitinhaber eines Chinesischen Restaurants und hat von daher einen signifikanten sinologischen Vorteil gehabt. Es war von der Turnierleitung nicht erlaubt, das Requiem zu spielen, und Huber hat nur auf meine Fehler gewartet.
11. 12.
Mein Interview ist in der Zeitung erschienen! Die Journalistin hat aber alles falsch wiedergegeben. Sie hat weder etwas von meinem Nihilismus, noch etwas von meiner Tischtennismanie erwähnt, geschweige denn vom metaphysischen Sinnhintergrund dieser Tischtennismanie oder von der musikalischen Begleitung durch das Mozartsche Requiem. Dies irae, backhand cross. Statt dessen hat sie geschrieben, daß ich darunter leide, überall im Schatten meines berühmten Bruders zu stehen. Bin sofort zum Anwalt gelaufen. Der Anwalt meint, eine Klage sei eher aussichtslos. Arge Kopfschmerzen, Alpdruck, Sodbrennen.
13. 12.
Fritz arbeitet an einem Mittelding zwischen Ritterstück und Puppenkomödie, das von zwei Tiroler Drachen namens Blasius Pfurzschnöller und Ingenuin Pflusterwimmer handelt. Mache mir Sorgen um Fritz.
14. 12.
Idee: Etwas über Meran schreiben, was ich dann nach Meran mitbringen und den Meranern im Original vorlesen kann. Weiteres Procedere: Nachdenken was.
War abends mit Mercedes verabredet. Wollte einmal richtig mein Herz ausschütten. Sie hat mich aber versetzt. Seit Tagen nichts von ihr gehört. Wohin mit meinen Innereien? Es ist vorbei mit dem Tandaradei. Procedere: Alles Biographische aus meinen Texten heraustexten. Radikale Vertotung des Privatlebens.
15. 12.
Idee für einen Roman. Titel: Radikale Vertotung des Privatlebens. Untertitel eventuell Wohin mit meinen Innereien? Procedere: In der Szene annoncieren. Literaturkritiker begeistern.
16. 12.
Der Theaterverlag schickt mir eine Empfangsbestätigung bezüglich der Faustsache und bittet gleichzeitig um Geduld. Dessen ungeachtet lädt er mich zu einem Festival ungarischer Gegenwartsdramatik nächstes Jahr nach Budapest ein. Obwohl ich eigentlich kein ungarischer Gegenwartsdramatiker bin, sage ich prinzipiell zu. Was nicht ist, kann ja noch werden.
17. 12.
Weihnachtskarte von Fritz. Er freut sich schon auf meine Lesung und will zuhören kommen. Grüße auch von Tante Berta. Ob auch sie zur Lesung kommt, hängt von der TBC ab. Tante Berta ist eigentlich gar keine richtige Tante.
Im Kaffeehaus den Zahnarzt getroffen. Der Zahnarzt hat mir wieder geraten, einen Bestseller zu schreiben. Am besten eine opulente Liebesgeschichte an exotischen Schauplätzen, am günstigsten gleich mit Venedigerwähnungsgarantie am Umschlag, eventuell ein skandalöses Dreiecks-, Vierecks-, Fünfecksverhältnis vor dem Hintergrund verbrecherischer Geschäftspraktiken