Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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Ihre Tante spielt darin leider eine sehr traurige Rolle!«

      »Etwas Unehrenhaftes?« fährt Kempen auf, der sehr stolz auf die untadelige Vergangenheit seiner Sippe ist.

      »Allerdings!« Harry hört stumm zu. Nur ein eigenartiges Lächeln umspielt seinen Mund. Kempen hat sich verfärbt. Er empfindet die Feststellung des Professors wie einen Schlag ins Gesicht.

      Sein sauberer Name war ihm bisher das Wertvollste. Er kann nicht daran glauben. Es wird sich zeigen.

      Hochaufgerichtet, als müsse er sich gegen unsichtbare Feinde wehren, betritt er das Krankenzimmer seiner Tante.

      Abermals erbarmt sie ihn. Sie sieht ihn mit dem alten hilflosen Blick an, und dann hebt sie schwach die Hand.

      »Bringen Sie mir einen Schreibblock«, befiehlt er der dabeistehenden Schwester.

      Harry hält sich aus ihrem Blickfeld. Der Block wird sofort gebracht. Kempen legt ihn vor Feodora nieder. Sie ergreift ihn wie einen Rettungsanker. Zittrig, doch immerhin leserlich, steht darauf:

      »In meinem Schreibtisch, im Geheimfach in der mittleren Schublade. Mein Tagebuch! Lesen – lesen, Tilo! Ich will Friede mit allen Menschen machen, denen ich in unglücklicher Verblendung weh getan habe.«

      Kempen liest, dann winkt er Harry herbei. Der geht auf das Bett zu. Kalt sieht er auf die Frau hinab, die nur noch ein Schatten ihrer selbst ist.

      In beängstigender Weise verändert sich Feodoras verzerrtes Gesicht. Angst steht in den weitaufgerissenen Augen, eine riesengroße Angst. Sie bemüht sich, Worte zu formen. Es wird nur ein Lallen.

      Erregt weist sie auf das Geschriebene. Harry liest mit unbewegter Miene. Er hat sie schon immer für eine Intrigantin gehalten. Sie hat ihn um sein ganzes Glück gebracht, sie hat ihn zu einem einsamen Menschen gemacht.

      Nein! Mit ihr wird er keinen Frieden schließen. Mit geschlossenen Augen lehnt Feodora Kempen in den Kissen. Ihr Atem geht rasselnd.

      »Tun Sie ihr den Gefallen«, raunt der Professor ihm zu. »Geben Sie ihr ein gutes Wort. Sie wird nicht mehr lange das Leben halten können – auch ich nicht.«

      »Ich kann nicht«, sagt Harry scharf und wendet sich ab. Sein Herz hat sich gegen diese Frau völlig verhärtet. Da zuckt der Professor resignierend mit den Schultern.

      »Dürfen wir jetzt Ihre Oberin besuchen?« Gelassen wie immer richtet Kempen das Wort an den Professor. Den Zettel birgt er behutsam in seiner Brusttasche.

      »Ich komme mit«, sagt er kurz. Er ist ärgerlich über den Mann, der ihm auf den ersten Blick angenehm war. Man soll einer Sterbenden gegenüber Großmut walten lassen. Das ist sein Grundsatz.

      Schweigend suchen sie Magdalenas Zimmer auf, deren wahrer Name schnell die Runde gemacht hat.

      Diesmal versteht es Kempen geschickt, Harry den Vorrang zu lassen. Das Zimmer ist anheimelnd durchwärmt. Blühende Blumen zieren die Fensterbänke. Überall stehen Blattpflanzen. Die Oberin hat sich im Laufe der Jahre ein wirkliches Heim geschaffen.

      Sie sitzt am Fenster. Untätig ruhen ihre Hände im Schoß. Sie trägt ein lichtblaues Jackenkleid und sieht unwahrscheinlich jung aus. Sie wendet den Kopf, als sie das Schließen der Tür vernimmt – und ihre Augen, große, dunkle samtene Augen, weiten sich. Sie blickt auf den näherkommenden Mann mit dem tiefbraunen Gesicht und dem schlohweißen Haar. Sie sieht nur die hellen Augen, hell wie sie nur einer hatte –

      Sie springt auf, macht ein paar taumelnde Schritte, und dann stößt sie einen Namen aus.

      »Jack – oh, Jack!« Harry hält die Frau umfangen. Was er nie für möglich hielt, was ihn zu einem ruhelosen Mann gemacht hat, er hält die Geliebte in seinen Armen. Es ist kein Geist. Es ist ein Mensch aus Fleisch und Blut. Jahre, viele Jahre, sind seit ihrem kurzen Liebesglück vergangen, aber sie haben sich sofort erkannt.

      »Franziska! Liebe kleine Franziska«, murmelt er in ihr Haar hinein und hält sie fest an sich gepreßt.

      »Ich glaube, hier sind wir überflüssig«, raunt der Professor dem wie angewurzelt dastehenden Kempen zu. Leise entfernen sie sich. Die beiden Menschen bemerken es nicht. Sie halten sich in den Armen. Franziska lacht und weint vor Glück. Rätselhaft weich schimmern die dunklen Augen, die er immer wieder küßt.

      Lange Zeit vergeht, ehe sie sich beruhigt haben. Aber dann tasten sich die ersten Fragen hervor.

      Beschwörend ergreift sie Jack Hermanns Hand, wie er mit seinem richtigen Namen heißt.

      »Jack, wir haben ein Mädelchen, ein süßes kleines Mädelchen. Du mußt sie suchen. Schwester Apponella hat sie in ihr Haus genommen, damals, als ich fiebernd, halb irrsinnig durch die Gegend schwankte, durch den tiefen Schnee, und die Kraft nicht mehr hatte, das Haus meines Vaters zu erreichen. Dem Schloß galt mein Ziel. Ich habe es nie erreicht. Dafür haben mich barmherzige Menschen hierhergehracht, wo ich meine Seelenruhe wiederfand. Jetzt aber weiß ich alles wieder. Nicht wahr?« Flehend sind ihre Augen auf seinen Mund geheftet. »Du wirst unsere Viola suchen –«

      Mit einem Ruck hält er sie ab von sich.

      »Viola? Mein Gott«, entfährt es Herrnann. »Ich kenne unser Kind, Franzis. Ich weiß, wo es lebt. Ach, Franzis, geliebte Franzis. Was sind die Jahre des Zermarterns gegen dieses Glück. Ich habe es geahnt – aber ich wußte nicht, daß du mir ein Kind geschenkt hast. Wie kam das alles, Franzis?«

      »Bitte später, Jack, lieber, geliebter Jack.« Jetzt küßt sie ihn auf den Mund, lange und innig. »Laß uns erst ruhiger werden. Laß mich mein Glück genießen. Das schwere dunkle Tor der Vergangenheit werde ich nur noch einmal öffnen, um dir alles zu erklären –«

      »Ich glaube, du hast das nicht nötig, Franzis.« Seine Stimme ist trunken vor Zärtlichkeit. »Feodora hat ein Tagebuch geschrieben.«

      »Ja – Feodora Kempen«, flüstert sie und schmiegt sich schutzsuchend an seine Brust. »Sie hat mein Leben zerschlagen, mich bald um meinen Verstand gebracht –«

      »Franzis!« Er nimmt ihr Gesicht in seine beiden Hände und umschließt es zärtlich. »Die erste Bitte an dich. Feodora Kempen hat nicht mehr lange zu leben. Sie will Frieden mit den Menschen schließen, denen sie einmal tiefes Herzeleid angetan hat. Kannst du es über dich bringen, mich zu ihr zu begleiten? Ich habe mich noch vor einer Stunde kalt und ablehnend gegen sie gestellt. Doch jetzt, da ich dich gefunden habe und weiß, daß unsere Tochter lebt, bin ich zu jeder Verzeihung bereit.«

      Demütig senkt sie das dunkle Haupt. »Ja – ich komme mit.«

      Hat sie nicht jahrelang Barmherzigkeit geübt? Also muß sie es gerade ihrer ärgsten Feindin gegenüber auch tun.

      Arm in Arm, benommen von dem Glück, das ihnen aus den Augen leuchtet, treten sie auf den Flur hinaus, wo sie von dem Professor und Kempen erwartet werden.

      »Darf ich Ihnen meine einstige Braut, und hoffentlich bald meine Frau, vorstellen – Franziska von Bodenbach.« Und speziell zu Kempen gewandt bemerkt er. »Viola ist unser Kind – also eine geborene Bodenbach. Sie soll den Namen auch weitertragen. Noch weiß sie es nicht. Ich weiß, daß Sie Viola lieben. Sie haben mich zeitweise im Verdacht gehabt, daß ich auch gleiche Gefühle fur Viola hegte. Es war ein unbewußt väterliches Gefühl. Ich habe auch immer hinter ihr hergeschnüffelt.«

      Er läßt Franziska nicht los. »Jetzt gehen wir zu Ihrer Tante.«

      Kempen ist so benommen, daß er alles wie durch einen Nebelschleier wahrnimmt.

      Als die Kranke Franziska und Hermann eintreten sieht, mit leuchtenden Augen, wie sie nur das Glück verleiht, da geht es wie Frieden über ihre Züge.

      Franziska streckt ihr die Hand entgegen, in die Feodora zitternd ihre eiskalten Finger Iegt. Der Hauch des Todes scheint sie bereits gestreift zu haben.

      »Ich verzeihe dir, Feodora«, sagt sie leise, und Hermann sagt dasselbe.

      »Ich verzeihe Ihnen auch, weil ich meine Franziska gefunden habe und meine Tochter Viola.«

      Die


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