Samoafahrten. Otto Finsch

Samoafahrten - Otto Finsch


Скачать книгу
im Kreise der überraschten Dorfbewohner, daß diese nur in einem übernatürlichen Wesen Deutung zu finden vermochten. Alle abwehrenden Versicherungen konnten diesen Glauben nicht erschüttern.

      »Einsiedelei-Point«, nicht weit von Konstantinhafen, und ca. eine halbe Stunde von dem nächsten Dorfe Bongu, muß in der That eine rechte Einsiedelei gewesen sein. Hier hatte das Haus gestanden, ein Besitztum, das auf der Landseite durch eine feste Umzäunung, gegen die Wasserfront durch Korallfelsen vor der Zudringlichkeit der Eingeborenen geschützt war. Mit Blattstreifen verzierte Stangen, welche auf den Wipfeln einiger hohen Bäume angebracht waren, hatten uns schon bei der Ankunft auf diesen Platz als etwas Besonderes, aufmerksam gemacht, der sich als die frühere Besitzung Maclays erwies. Vom Hause selbst war natürlich keine Spur mehr zu sehen, aber eine Wildnis von süßen Kartoffeln, einige Bananen und Melonenbäume zeigten die Stelle, deren Umfang die Eingeborenen noch sehr wohl zu bezeichnen wußten und die sie als fremdes Eigentum noch jetzt respektierten.

      Es herrschte also volles Verständnis, als auch ich ein Stück Land von den Eingeborenen erwarb, auf dem wir ein Haus oder vielmehr einen Schuppen zum Lagern von Kohlen errichteten. Die Bewohner der drei Dörfer Bongu, Korendu und Gumbu, welche durch Verwandtschaft eng verbunden, auch politisch zusammengehören und dieses Gebiet beherrschen, halfen redlich dabei und sahen es nur ungern, wenn Fremde sich auch mit beteiligen wollten. Der alte Sa-ulo nützte uns übrigens wenig und schien wegen seines Alters obwohl nicht gebrechlich, viel an Einfluß verloren zu haben. Dagegen unterstützten uns Jago und Dam am meisten und schienen die angesehensten Häuptlinge von Bongu zu sein. Es herrschte ein geschäftiges und fröhliches Treiben. Unter den wuchtigen Axthieben unserer Schwarzen fielen Bäume. Weiber und Kinder reinigten den Platz von Unkraut und Steinen, schleppten Riedgras (Tura) und Lianen (Mangau), die sich trefflich zum Festbinden eignen, herbei, während die Männer Stangen fällten und Kokospalmblätter, ein für die hiesige Gegend rares Material, in Kanus heranbrachten. Auch ohne besondere Sprachkenntnis ließ sich, wie dies überall der Fall ist, mit den sehr anstelligen Eingeborenen, die alle Absichten leicht begriffen, trefflich auskommen. Aber man muß sie vor allem gut behandeln, immer ein freundliches Gesicht machen und ihren Gewohnheiten Rechnung tragen. Die Arbeit wird oft unterbrochen; einige müssen rauchen, Betel essen, kochen oder ein bißchen schlafen, wie sie dies bei ihren eigenen Arbeiten gewohnt sind, und daran muß man sich gewöhnen, wenn überhaupt etwas geschehen soll. Denn diese Naturkinder kennen anhaltende Arbeit in unserem Sinne natürlich nicht, und bei allen Papuas und Kanakas überhaupt lodert der erste Eifer mächtig auf, erlischt aber eben so schnell.

      Als das »Buam« (Haus) fertig war, schleppten die Eingeborenen einen mächtigen an 20 Fuß langen Bambu herbei, an welchem die deutsche Handelsflagge befestigt, bald lustig an der Spitze eines hohen Baumes im Winde flatterte. Die erste deutsche Station an der Küste von Neu-Guinea war somit begründet und damit zugleich die spätere deutsche Schutzherrschaft, die sich jetzt allein im Kaiser Wilhelms-Land über ein Gebiet von 179250 qkm (= 3255 d. g. qm) oder größer als die Hälfte des Königreichs Preußen erstreckt. Der 17. Oktober 1884 wird also in der Kolonialgeschichte Deutschlands für immer ein denkwürdiger Tag bleiben! Hatten auch die Eingeborenen über die Tragweite dieses Vorganges nicht die entfernteste Ahnung, so begriffen sie doch sehr gut, daß derselbe auch für sie etwas zu bedeuten habe, wie die neue Flagge selbst, deren Farben (kum = schwarz, aubi = weiß, suru = rot) sie wohl zu unterscheiden wußten. Und daß dieser Vorgang auf das engste mit der Wiederkehr der neuen weißen Freunde, wofür schon das Haus gewährleistete, zusammenhing, wußten sie ebenfalls. In jedem Gesichte sprach sich daher Freude darüber aus, und das »kerre-kerre« (sehr gut) wollte kein Ende nehmen. War doch nach dem praktischem Urteil der Leute das Erscheinen der Weißen identisch mit viel »Taporr«, »Schirau«, »Nosche«, sowie anderen nützlichen und begehrten Dingen, und das konnte ja nur mit Freuden begrüßt werden. Der Besitz eiserner Werkzeuge hat notwendigerweise größeren Reichtum und somit Überlegenheit zur Folge, und deshalb ist jeder Stamm so sehr bemüht, diese Vorteile für sich allein zu erlangen. Unsere neuen Verbündeten huldigten dieser bekannten Eingeborenen-Maxime und warnten uns, wie dies stets der Fall ist, vor ihren Nachbarn, die von Bilibili, Bogadschi und anderen Küstenplätzen in Kanus herbeikamen, um uns zu sehen und zu schachern. Als besonders schlecht (borle-borle) wurden die Bewohner weiter im Inneren bezeichnet. Kein Bongumann wollte z. B. mit nach dem Dorfe Eglam mana gehen, obwohl sonst gegenseitiger Verkehr stattfindet und das Dorf wenig mehr als eine deutsche Meile entfernt liegt. Aber die schlauen Küstenleute waren nur darauf bedacht, den Absatz der erhaltenen Tauschwaren für sich nach dorthin zu sichern.

      Das Wort »Mana« heißt im Bongudialekt Berg und bezeichnet dem Ortsnamen angehängt, eines jener kleinen Dörfer, die in den Bergen bis zu einer Erhebung von 1200–1500 Fuß verstreut liegen. Sie sind, wie ich dies auch im Inneren von Port Moresby fand, armseliger und kleiner als die Küstendörfer und zählen oft kaum mehr als 10–20 Hütten mit 40 bis 50 Einwohnern, während z. B. Bongu an 150 bis 180 Seelen haben mag. Aber die ganze Bevölkerung von Astrolabe-Bai ist überhaupt nicht bedeutend und wird von Maclay auf nicht mehr als 3500–4000 geschätzt, die sich auf einige 80 Siedelungen verteilt. Ich erfuhr die Namen von etwa 15 Dörfern, aber wie bereits erwähnt, werden alle kleineren Häusergruppen eines Dorfes, die oft nur aus drei bis vier Häusern bestehen, besonders benannt.

       Der Urwald, welcher sich längs dem Ufer dieses Teiles der Küste hinzieht, ist weniger dicht, als ich ihn sonst meist in Neu-Guinea fand, und besitzt weniger Unterholz und Gestrüppdickichte. Auch ist die Ausdehnung dieses Waldgürtels in der Breite nicht bedeutend, und man stößt nach kurzer Wanderung auf den schmalen aber gut gangbaren Pfaden bald auf offenes, mehr oder minder hügliges bis ebenes Land, das sich bis zu der dichtbewaldeten Gebirgskette erstreckt, welche sich parallel mit der Küste hinzieht. Wie von Maclay mitteilt, ist diese steile Gebirgskette unbewohnt und bildet für die Eingeborenen die äußerste Verbreitungsgrenze nach dem Inneren, welche sie niemals überschritten. Es giebt dies einen neuen Beweis von der äußerst beschränkten Kenntnis des Landes seitens der Eingeborenen selbst, die, abgesehen von gewissen Küstenstrichen, ihre nächste Umgebung selten weiter als etliche Stunden weit kennen, Verhältnisse, wie ich sie auch an der Südostküste fand und auf welche ich noch zurückzukommen habe.

      Der erste günstige Eindruck, welchen die Umgegend von Port Konstantin landschaftlich auf uns gemacht hatte, war bei näherer Bekanntschaft nur befestigt worden. Das von verschiedenen kleinen Wasserläufen durchzogene Land zeigte überall fruchtbaren Boden und für Niederlassungen geeignete Lokalitäten, so daß ich schon damals dieses Gebiet als sehr günstig für eine Station[20] nach Berlin empfehlen konnte. Aber etwas mangelte und zwar ein guter Hafen, denn Kapitän Dallmann war mit Port Konstantin gar nicht zufrieden; unsere nächste Aufgabe galt also der Aufsuchung eines solchen.

      Der zuerst durch von Maclay angebahnte freundschaftliche Verkehr mit den Eingeborenen war von uns in derselben Weise fortgesetzt worden und ließ nichts zu wünschen übrig: noch nie hatte ich so gutmütige und anstellige Leute als hier getroffen! Das Verständnis mit ihnen wurde von Tag zu Tag leichter, und es gelang mir ohne Schwierigkeit sie am Abend vor unserer Abreise zu einem »Mun« zu vereinigen. So heißen hier jene aus Tanz und Gesang bestehenden Aufführungen, welche den Glanzpunkt der Feste bilden und sich in ähnlicher Weise überall in Neu-Guinea, ja ganz Melanesien wiederholen. Nach unseren Begriffen ist freilich der Tanz nichts als eine arge Trampelei, und mit dem Gesang ist es nicht besser bestellt als mit der Musik, bei welcher die sanduhrförmige Holztrommel, Okam, (vergl. Atlas XIII. 2), eine so große Hauptrolle spielt, aber es war mir doch interessant, auch hier diese Gebräuche kennen zu lernen. Die Bereitwilligkeit, uns auch in außergewöhnlicher Zeit einen »Mun« zum besten zu geben, zeugte überdies von dem guten Einvernehmen mit den Eingeborenen und war als eine besondere Auszeichnung und Ehre für uns anzusehen.

      Wenn es sonst Sitte bei den Papuas ist, scheidenden Freunden Geschenke mit auf den Weg zu geben, so machten die braven Konstantiner bei uns eine Ausnahme. »Nehmen ist seliger denn Geben« lautet auch ihre Lebensregel, wie fast bei allen Papuas, und selbst der biedere König Sa-ul ließ sich jede Kokosnuß, mit der er uns in seiner Residenz bewirtete redlich bezahlen, ja, auch der Junge, welcher die Nüsse pflückte, verlangte ein Trinkgeld. »Backschisch, Backschisch!« hier wie überall.

      


Скачать книгу