Samoafahrten. Otto Finsch
Bezeichnung sehr mit Unrecht tragen. Sie stellen vielmehr einen langen, schmalen Spatel aus Holz oder Knochen dar, an dessen abgeflachter, im Munde befeuchteter Spitze der Kalk hängen bleibt. Das hindert die Eingeborenen natürlich nicht, den Spatel gemeinschaftlich zu benutzen, ja es ist selbstverständlich, fremden Gästen vor allem Betel und die Kalkbüchse als Zeichen der Freundschaft anzubieten. Wenn ich dasselbe hier wie überall höflich zurückwies, so wurde dies übrigens nirgends als eine Beleidigung aufgenommen, und die Leute wunderten sich nur über die Dummheit des Fremdlinges, einen so köstlichen Genuß zu verschmähen. Die Betelpalme ist übrigens in Konstantinhafen sehr selten, und hier wie anderwärts bilden Betelnüsse »Pinang« einen Tauschartikel.
Die Palme selbst gehört hie und da mit zu den Kulturgewächsen, von der man einzelne Exemplare, sorgfältig eingezäunt, in vielen Dörfern findet. Dasselbe gilt bezüglich gewisser Zierpflanzen, von denen hauptsächlich buntblättrige Croton, Draceen und Euphorbiaceen und Hibiscus angepflanzt werden. Die schönen roten Blumen des letzteren werden in das Haar, die bunten Blätter in die Arm-, Hals- und Kniebänder gesteckt und bilden den gewöhnlichen Aufputz der jungen Leute, zumeist der Männer.
Wie der Betel auf Malaiasien hindeutet, so die Kawa auf Ozeanien. Aber in beiden Fällen würde eine etwaige Schlußfolgerung auf die dadurch angedeutete Herkunft der Papuas eine irrige sein. Denn Kawa ist bis jetzt nur in diesem beschränkten Teile von Neu-Guinea beobachtet, also sicherlich nicht aus Ozeanien herübergebracht worden. Die Pflanze aus welcher der »Keu« und zwar in derselben Weise wie in Ozeanien bereitet wird, ist wie Kawa eine Pfefferart und wohl identisch mit Piper methysticum. Auch die Gebräuche und Zeremonien beim Keutrinken, über die Maclay ausführlich berichtet, sind ganz ähnlich wie in Ozeanien. Aber statt junger Mädchen kauen junge Burschen die Zweige, Blätter und Wurzeln der Pflanze; und Keu wird nur bei besonders feierlichen Gelegenheiten und allein von den Tamos, Männern, getrunken, das widerliche, durch seine Bereitung vollends ekelhafte Getränk, aber nicht Fremden als besondere Auszeichnung kredenzt. In Astrolabe-Bai sahen wir auch den Melonenbaum (Carica papaya), »Papaia«, Zuckermelonen und Kürbisse, beide »Arbus« genannt, an deren Namen man schon den fremden Ursprung erkennen konnte. Auf Befragen hieß es gleich »Maclay«, denn dieser war es, der zuerst Kulturgewächse, (darunter auch Mais, »Kukurus«) einführte, Geschenke, welche übrigens nicht in der Weise, wie der Philanthrop erwartete, von den Eingeborenen gewürdigt wurden. Jedenfalls nützen sie ihnen aber mehr als die Rinder, nach dem russischen »Bika« genannt. Nie wäre es mir in den Sinn gekommen zu glauben, daß mir die wenigen russischen Wörter, welche ich auf meiner sibirischen Reise gelernt hatte, unter den sogenannten Wilden in Neu-Guinea noch einmal nützlich werden könnten, aber es war doch so! »Gleba« (Chljeb = Brot), »Taporr« (= Beil), »Schirau« (Ssjekrá = Axt), Noscha (Nosh = Messer) lauteten die sich stets wiederholenden Wörter im Sprachschatze der Papuas, welche aber auch zugleich ihre Kenntnis des Russischen erschöpften. Als Leute, die genug zu leben haben, verlangten sie indes kein Brot, ja kosteten dasselbe kaum, sondern nur Eisen, und für alles, auch die geringsten Dinge, wollten sie »Taporr« oder »Schirau« haben. Um »Noscha« gaben sie weniger, und andere Tauschartikel wie Spiegel, Glasperlen, Fingerringe u. dergl. machten eigentlich nur Frauen und jungen Leuten Spaß. Die Naturkinder, obwohl in vieler Hinsicht Kinder, sind meist doch viel praktischer als Kinder, und schon der kleine Papuaknabe wird unbedenklich ein Stück gewöhnliches Bandeisen einer Handvoll Glasperlen vorziehen. Da ich für die Folge noch sehr oft von dem Tauschhandel oder besser Schacher mit den Eingeborenen zu sprechen habe, so will ich gleich hier einige allgemein gültige Bemerkungen vorausschicken. Bunter oder glänzender europäischer Tand, wie man ihn sich bei uns als höchst wirkungsvoll denkt, erregt bei den sogenannten »Wilden« vielleicht Aufmerksamkeit, bildet aber gewiß nur für kurze Zeit Nachfrage. Ihr Sinn richtet sich eben auf Praktisches, und was könnte daher wohl Menschen, die noch tief im Steinalter leben, willkommener sein als Eisen! — Nicht Roheisen u. dergl., da sie keine Idee von schmelzen oder schmieden haben, sondern Eisen in irgend einer passenden Form. So ist z. B. schon ein großer Nagel ein begehrter Gegenstand, aus ihm läßt sich ein brauchbares Gerät herstellen und zwar mittelst Schleifen, das allen Eingeborenen von ihren Stein- und Muscheläxten wohlbekannt ist. Da letztere nun bei allen Stämmen der Steinperiode das wichtigste Gerät bilden, so paßt ihnen zum Ersatze der Steinklinge ein Stück flaches Eisen am besten. Am begehrtesten von allen europäischen Tauschartikeln sind daher ca. sechs Zoll lange, zwei Zoll breite und ca. zwei Linien dicke Stücke sogenannten Flacheisens, in Ermangelung Hobeleisen, ja selbst starkes Bandeisen. Solche Eisenstücke lassen sich ganz in derselben Weise an die knieförmigen Holzstiele ihrer Steinbeile befestigen, wie die selbstgefertigten Steinklingen und werden unbedenklich europäischen Beilen überall da vorgezogen, wo die Eingeborenen zuerst mit Weißen in Verkehr treten. Die Klinge der meisten Steinäxte ist nämlich mit der Schärfe quer zum Stiele befestigt (vergl. Atlas I 3), ganz wie bei den Beiteln der Schiffszimmerleute, und steht nicht in gleicher Flucht mit dem Stiele, wie bei gewöhnlichen Beilen. Aus diesem Grunde verstehen daher die Eingeborenen mit den letzteren nicht umzugehen, und erst wenn sie dies gelernt haben, ziehen sie gewöhnliche Äxte den in ihrer Weise mit einer Eisenklinge montierten vor. Übrigens ist das Steinbeil keineswegs ein so ganz primitives Gerät, wie wir meist annehmen, dafür legen die vielen ebenso gewaltigen als zum Teil kunstvollen Arbeiten der Papuas das beste Zeugnis ab. Ich habe an der Südküste Neu-Guineas in bewundernswert kurzer Zeit Kanus nur mit Steinbeilen anfertigen sehen und fand es noch in der Hand solcher Eingeborenen, welche eiserne Äxte längst kannten und besaßen. So offerierte ich einst einem Häuptlinge in Neu-Irland vergebens eine gute amerikanische Axt für sein mit einer Klinge von Mitramuschel versehenes Beil, mit welchem er gerade an einem Kanu zimmerte. — Die in Port Konstantin erhaltenen Steinbeile (Angam) waren übrigens ziemlich roh und klein (Atlas I, 1, 2, 3), denn die großen, welche meist Gemeindeeigentum sind, brachten sie schlauerweise nicht an den Tag. Wir werden solche übrigens später kennen lernen. — Messer, um dies noch zu erwähnen, sind bei noch wenig berührten Eingeborenen viel minder begehrt und führen sich erst nach und nach ein. Zum Schneiden von Fleisch leistet ein scharfkantiges Stück Bambu treffliche Dienste; im übrigen genügen Muscheln. Letztere, sowie Steinsplitter und scharfe Zähne bilden, außer Steinbeilen und meißelartig zugeschliffenen Steinstücken, den ganzen Reichtum der Papuas an Werkzeugen. Als Raspeln bedient man sich überall der Rochenhaut; sägeartige Instrumente sind unbekannt.
Wie alle Küstenbewohner betreiben auch die von Konstantinhafen Fischfang, sowohl mit Netzen, als Haken und Speeren, scheinen aber in diesem Gewerbe minder bewandert, als dies sonst meist der Fall ist. Dasselbe gilt in Bezug auf Schiffahrt, denn ich bemerkte nur kleine Kanus. Dieselben bestehen, wie fast überall, aus einem ausgehöhlten Baumstamme, mit einem Auslegerbalken, der von zwei dünnen Querbalken getragen wird, wie dies ein Blick auf Taf. VI (Fig. 1) des ethnolog. Atlas am besten zeigt. Zuweilen ist auf den Baumstamm jederseits ein Brett aufgelascht, d. h. festgebunden, was dann an Stern wie Bug ebenfalls ein Querbrett erfordert. Dasselbe ist zuweilen mit Schnitzerei in durchbrochener Arbeit verziert (vergl. Atlas VI, 7), ebenso die Ruder (VI, 8).
Wie die wenigen russischen Wörter bei den Bewohnern von Port Konstantin noch lange fortleben werden, so namentlich auch die Erinnerung an den ersten Weißen, Maclay selbst, dessen Name uns noch auf Dampier-Insel (Karkar) genannt wurde. Es ist nicht so schwer, mit den Eingeborenen umzugehen, als es scheint, wie ich früher und später zur Genüge selbst erfuhr, und es läßt sich mit den gefürchteten »Wilden« überall da gut verkehren, wo nicht bereits die Begegnung mit Weißen unliebsame Erinnerungen zurückließ. Wie die letzteren Haß und Rachsucht, so erzeugt eine gute Behandlung Freundschaft für die Weißen. Das Auftreten des ersten Fremdlings ist daher von nachhaltiger Bedeutung, wie er selbst bei klugem Betragen bald großen Einfluß gewinnt. Und diesen hat Maclay, der »Kaaram-Tamo« (Mann des Mondes), wie er in der Umgebung von Konstantinhafen hieß, ohne Zweifel gehabt. Irgend ein Feuerwerkskörper, ein Blaufeuer oder dergleichen, für die Eingeborenen eine neue und unerklärbare Erscheinung, gab die Veranlassung zu diesem mysteriösen Namen. Das Wesen des Sonderlings selbst trug noch mehr dazu bei, den geheimnisvollen Schleier, der sich nach und nach um seine Person hüllte, immer dichter zu weben. So herrschte bald allgemein der Glaube, Maclay besitze übernatürliche Macht, könne Regen machen, wenn er nur wolle, ja selbst fliegen! Wie mir der Reisende selbst erzählte, kam das so! Maclay pflegte stets unbewaffnet, nur mit einem Stocke zum Abwehren der oft bösartigen Schweine versehen, die Umgegend allein und