Samoafahrten. Otto Finsch
Dörfern, meist an Berghängen oder mitten im Urwalde angelegt sind. Die Urbarmachung eines oft mehrere Hektaren großen Stück Landes ist für Menschen, die noch in der Steinperiode leben, gewiß eine höchst mühevolle und gewaltige Arbeit, nicht minder die Einzäunung desselben. Soviel das Feuer auch hilft, einen Urwald kann es nicht vernichten, und so bleibt noch viel Arbeit für die Steinäxte der Männer übrig, welche die kleineren Bäume umhauen, von den großen, zum Teil von Feuer gefällten, die Äste abhacken, so daß nur die Stämme übrig bleiben, die dem Klima nicht allzulange Widerstand leisten. Wie bei der groben Arbeit des Umhauens und eigentlichen Urbarmachens, so vereinigen sich sämtliche Dorfbewohner beim Bau der Einzäunung. Sie wird in dem hiesigen Distrikte aus etwa mannshohen Stäben des wilden Zuckerrohres gefertigt, die durch ihr späteres teilweises Ausschlagen der Wurzeln dem Ganzen besondere Festigkeit verleihen. Thore oder Thüren sind aus Rücksicht auf das Eindringen der wilden Schweine nicht freigelassen, aber gewisse Vorrichtungen zum leichteren Überklettern angebracht. Das von der Einfriedigung umschlossene Land ist nach Größe der Familien verteilt, deren weibliche Glieder die Bearbeitung zu besorgen haben. Das eigentliche Umgraben, wozu man sich nur eines spitzen Stockes, Udja (Udscha) bedient, geschieht durch die Männer, die feinere Bearbeitung des Bodens durch die Weiber, die dazu eine Art schmaler Schaufeln (Udja-sab) benutzen. Ich fand in den Plantagen dieselbe musterhafte Wirtschaft, wie ich sie schon von der Südküste Neu-Guineas und aus Neu-Britannien kannte. Das Erdreich sah, sorgfältig aufgelockert, wie gesiebt aus. Die Ranken des Jams wanden sich an regelmäßig eingesteckten Stangen, zwischen denen andere Pflanzen wuchsen, wie in einem Hopfenfelde empor. Es war jetzt gerade die Zeit der Jamsreife, da der Landbau der Papuas eine Reihe von Feldfrüchten in abwechselnder Aufeinanderfolge zeitigt. Das Hauptnahrungsmittel bildet übrigens der am meisten beliebte Taro, »Bau« (Collocasia), von März bis August, demnächst Jams, »Ajan« (Diascorea), von August bis November. Außerdem werden noch süße Kartoffeln, »Degargol« (Convulvulus), Zuckerrohr, »Den«, Bananen, »Moga«, eine Art kleiner Bohnen, »Mogar« und Tabak »Kas« kultiviert. Ein ebenfalls nur infolge von Kultur vorhandener Nutzbaum ist die Kokospalme, die in ganz Astrolabe-Bai spärlich vorhanden, besonders in diesem Teile rar ist und manchen Dörfern z. B. Gumbu ganz fehlt. Kokosnüsse, »Munki« sowie Sago »Bom« haben daher für dieses Gebiet nur untergeordnete Bedeutung, während sie in anderen mit zu den Hauptnährmitteln gehören. Damit sind ungefähr alle Kulturpflanzen der Papuas in ganz Neu-Guinea, wie Melanesien überhaupt, genannt, und ich werde hierüber, wie über Bodenbearbeitung selbst wenig mehr zu sagen haben, da sich dieselbe im wesentlichen überall gleich bleibt.
Man ersieht aus dem Vorhergehenden, daß die so oft gepriesenen Tropen nicht dem Garten Edens zu vergleichen sind, in welchem der Mensch ohne alle Mühe und Sorge herrlich und in Freuden lebt, sondern daß er sich überall im Kampfe ums Dasein bemühen und quälen muß. Selbst diejenigen vereinzelten Menschenstämme, welche, wie z. B. die Australier, gar keinen Anbau kennen, und lediglich auf die Erzeugnisse der Natur angewiesen sind, müssen sich ihren Lebensunterhalt mühselig erwerben und werden, wie schon ihr Äußeres zeigt, nicht fett dabei.
Für die Papuas liegt übrigens schon in der Bodenbearbeitung ein charakteristischer Zug der ganzen Rasse, durch welche sie die höhere Stufe ihrer Gesittung so vorteilhaft bekundet, und die weder durch Nacktheit noch Kannibalismus gewisser Stämme abgeschwächt werden kann. Letztere beiden Übel sind ja nur in unseren Augen solche, in Wirklichkeit aber durch Usus überkommene Gewohnheiten unabhängig von Gesittung wie Moral.
Selbstredend benutzen, wie alle Papuas und Menschen überhaupt, auch diejenigen von Astrolabe-Bai einige Pflanzen, welche die Natur selbst bietet, als Nahrung. So verschiedene Früchte, Nüsse, ja selbst Knospen und Blätter gewisser Gewächse. Sie spielen indes, wie der in Astrolabe-Bai überhaupt nur spärlich vorkommende Brotfruchtbaum, Boli, eine untergeordnete Rolle.
Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich gleich an dieser Stelle zweier Genußmittel gedenken, die mit wenig Ausnahmen über ganz Melanesien verbreitet und eng mit dem Leben des Papua verbunden sind, nämlich: Tabak und Betelnuß! Der erstere ist entweder, wie Hund und Haushuhn, bei der Einwanderung der Papuas mitgebracht worden oder eine einheimische Pflanze, war aber in jedem Falle vor der Ankunft von Weißen den Eingeborenen schon bekannt. Wie Maclay in Konstantinhafen bereits Tabak vorfand, so ging es uns später an Plätzen, die wir zuerst berührten. Die früher von mir von der Südküste mitgebrachten Herbarproben zeigten die Identität der von den Papuas kultivierten Pflanze mit dem gewöhnlichen Bauerntabak (Nicotiana tabacum), mit dem sie in Aussehen wie Blüte durchaus übereinstimmt. In allen von mir besuchten Gebieten an der Nord- und Südostküste Neu-Guineas, fand ich Tabakbau, deren Erträge selbst einem Teil des Tauschhandels der Eingeborenen untereinander bilden. Auch die armen Bergdörfer im Innern von Port Moresby besaßen ihre sorgfältig eingezäunten Gärtchen mit Tabakspflanzen, während an der Küste selbst diese Kultur durch eingeführten Tabak im Verschwinden begriffen oder wie in Port Moresby so gut als verschwunden ist. Hier hat der bekannte Twist, (Niggerhead) oder amerikanische Stangentabak, das gangbarste und unentbehrliche Tauschmittel[19] im Verkehr mit allen Südseestämmen überhaupt, bereits Wert und lebhafte Nachfrage. Die Eingeborenen der Südostküste besitzen auch ein eigenes Rauchgerät, den »Baubau«, auf den wir noch zurückkommen werden, welches die sonst überall beliebte und begehrte Thonpfeife nicht zu verdrängen vermochte. Die Eingeborenen an der ganzen Nordostküste kennen kein Rauchgerät und wiesen aus diesem Grunde auch unsere Thonpfeifen zurück. Sie wickeln aus den unfermentierten, etwas getrockneten Blättern eine rohe Zigarre oder Zigarette, der ein grünes Baumblatt als Decker dient. Diese Zigarren glimmen selbstredend sehr schlecht, und es bedarf immer glühender Kohlen, um sie in Brand zu halten. Aber die Papuas sind keine Raucher in unserem Sinne; ein paar volle Züge genügen, und die Zigarre wandert von Mund zu Mund. Wir konnten uns mit dieser Sitte unserer neuen Freunde in Konstantinhafen natürlich nicht befreunden, die in oft ergötzlicherweise dem einen oder anderen von uns die brennende Zigarre aus dem Munde nahmen, um sich an ein paar Zügen zu erlaben. Wir vertrösteten die Leutchen daher immer auf die Stummel, die bald ein gesuchter Artikel und den Eingeborenen lieber als der harte Stangentabak waren, obwohl sie diesen bereits durch Maclay kannten. Wie in Port Moresby »Kuku lassi?« (keinen Tabak haben?) die stehende Redensart, gleichsam Begrüßungsformel bei Begegnung mit Eingeborenen ist, so hier »kas! kas!« (Tabak, Tabak!). Aber die Leute waren lange nicht so bettelhaft und zudringlich als in dem von Civilisation schon zu sehr übertünchten Port Moresby.
Nächst dem Tabak ist der Genuß des Betel über ganz Melanesien verbreitet und wird von Mann und Frau, alt wie jung, leidenschaftlich geliebt, ja scheint fast unentbehrlich. Betel ist bekanntlich die Frucht der Betelpalme (Areca), der schönsten der hier vorkommenden Palmen, deren gerade Stämme sich auch trefflich als Baumaterial eignen. Die Betelpalme zeitigt traubenförmige Büschel grüner bis gelber Früchte, von der Größe einer kleinen Walnuß oder Mirabelle. Nach Entfernung der äußeren dichten Faserhülle, mittelst eines meißelförmigen Instruments (Dongan) aus Knochen, kommt ein fester Kern zum Vorschein, der in Aussehen und Form einer Muskatnuß ähnelt. Dieser Kern oder Nuß ist es, welcher gegessen wird, aber nicht allein, sondern im Verein mit pulverisierten Kalk (aus gebrannten Korallen gewonnen) und den Blättern oder Blüten einer Pfefferpflanze, in derselben Weise also, wie dies überall geschieht. So verbreitet sich der Betelgenuß bekanntlich weit über Ostindien und die malaiischen Inseln, hier Sirie genannt. Aber es würde voreilig sein auf dieses gemeinsame Genußmittel, die ursprüngliche malaiische Herkunft der Papuas abzuleiten, da kein Grund vorliegt zu bezweifeln, warum die letzteren nicht selbst auf den Betelgenuß gekommen sein sollten. Für Europäer ist Betel übrigens eben kein Genuß! Er schmeckt beißend-säuerlich, zieht das Zahnfleisch zusammen, hinterläßt aber einen erfrischenden Nachgeschmack und erleichtert das Atmen. Irgend eine betäubende Wirkung hat Betel übrigens nicht, dagegen eine färbende, indem er Zunge, Lippen, Speichel und Zähne rot, bei längerem Gebrauch letztere braun bis schwarz färbt. Aus welchen Gründen die Betelnuß überall nur im Verein mit Pfeffer und Kalk gegessen wird, wäre interessant zu erfahren, scheint aber noch nicht wissenschaftlich aufgeklärt. Die gewöhnliche Bezeichnung »Betelkauen« rührt übrigens daher, daß erst nachdem die Nuß mit den Zähnen zerkaut ist, derselben Kalk und Pfeffer zugesetzt wird. Zum Aufbewahren des Kalks benutzt man hier, wie fast überall in Neu-Guinea, flaschenförmige, unten zugerundete Kalebassen (Atlas V. 1), die wir zuerst auf den French-Inseln fanden. Es verdient dies deswegen Beachtung,