Samoafahrten. Otto Finsch
— Der kostbarste Brustschmuck der Männer besteht aus Eberhauern (Atlas XXI. 2), während die Frauen mit einer Eiermuschel (Ovula ovum) zufrieden sind. Aber für gewöhnlich sieht man außer den erwähnten Armbändern wenig Zieraten bei der hiesigen Bevölkerung, dagegen scheinen kleinere oder größere Beutel, zierlich aus festem Bindfaden in Filetmanier gestrickt, unzertrennliche Begleiter. Die Männer tragen kleine, dicht gestrickte Brustbeutel, Jambi, in welchen sie meist Tabak, Talismane, Betelnüsse und sonstige Kleinigkeiten verwahren, und größere, Gumbutu, auf der Schulter, die für die Kalkbüchse (Atlas V. 1) zum Betel, Löffel, Betelnußbrecher aus Knochen (Atl. V. 7), Muscheln zum Schneiden und Schaben (Atl. V. 8) dienen, Requisiten, welche jeder Papua als unentbehrlich stets bei sich trägt. Die Beutel der Weiber, Nangeli-Gun, sind viel größer, sackartig und werden an einem Tragbande auf dem Vorderkopfe getragen, wie dies die Papuafrauen meist thun. Sie sind diese Methode schon von so früher Jugend an gewöhnt, daß sie ohne Mühe beträchtliche Lasten aufladen. Denn nur die Weiber sind es, denen der Transport der Feldfrüchte von den Pflanzungen nach dem Dorfe obliegt, die Wasser und Holz herbeitragen, wie sie außerdem in kleineren Beuteln noch häufig Säuglinge, sowie junge Hunde und Schweinchen mit umherschleppen.
Häuser mit Barla.
Nach dieser Bekanntschaft mit der äußeren Erscheinung der Papuas im allgemeinen und der hiesigen im besonderen, wollen wir uns nach Bongu zurückwenden, um auch Siedelungen und Häuser kennen zu lernen. Wie fast alle Papuadörfer in Neu-Guinea, verteilen sich die etwa 30 Häuser unregelmäßig über einen freien Platz, der unmittelbar vom Urwald eingeschlossen ist. Bei den Häusern stehen spärliche Kokospalmen, sowie einige Bananen, Zierpflanzen und Cayennepfeffersträucher (jau). Gewöhnlich teilen sich die Dörfer in mehrere Häusergruppen, die durch schmale Pfade durch den Urwald miteinander verbunden sind und eigene Namen haben. Die Plantagen, auf welche ich später zurückkommen werde, sind oft in beträchtlicher Entfernung von den Siedelungen angelegt. Was die Häuser in Bongu selbst anbetrifft, so unterscheiden sie sich im Baustil von den meisten Papuahäusern dadurch, daß sie auf dem Erdboden stehen, daher richtiger als Hütten zu bezeichnen sind. Sie bestehen, wie die Abbildung zeigt, im wesentlichen aus einem seitlich etwas gerundeten, breiten stumpfwinkeligen Dache, mit gerader Firste, das bis zum Erdboden herabreicht. An der vorderen Giebelseite befindet sich die kleine Thür, die zuweilen überdacht und mit einer schmalen Plattform versehen ist. Da die Häuser hauptsächlich nur zum Aufenthalt während der Nacht sowie bei schlechtem Wetter dienen, ist die innere Einrichtung sehr einfach. Ein paar Bänke aus gespaltenem Bambus, Barla genannt, dienen als Schlafstätten der Männer sowie zur Aufnahme des wenigen Hausrates (Töpfe, hölzerne Schüsseln), Lebensmitteln u. s. w. An den Dachbalken hängen gewöhnlich Körbe und Bündel, welche, in Blätter eingepackt, feinere Sachen (z. B. Federschmuck) enthalten. Zum besseren Schutz gegen Mäuse, sind oft Horden darüber errichtet, namentlich auch für Speisen. In der Mitte des Hauses befindet sich die Feuerstätte, weniger zum Kochen, was meist im Freien geschieht, als um überhaupt Feuer zu erhalten. Denn sonderbarerweise scheinen die hiesigen Eingeborenen kein Mittel zu besitzen, um Feuer zu erzeugen. In den Hütten werden daher stets glimmende Kohlen eines sehr langsam brennenden Holzes erhalten, so daß in einem Papuadorfe das Feuer nie ausgeht. Sollte es dennoch geschehen, so holen die hiesigen Küstenbewohner aus den Bergdörfern Feuer, deren Bewohner die Kunst, Feuer zu machen, verstehen. Bei dem sorglosen Umgehen mit Feuer muß man sich nur wundern, daß nicht alle Augenblicke die so leicht entzündbaren Häuser in Flammen aufgehen, aber merkwürdigerweise scheinen Brandunglücke im ganzen selten zu sein.
Freund Sa-ul hatte uns am Eingang des Dorfes begrüßt und geleitete uns mit den übrigen Männern nach der Barla (vergl. Abbild. S. 46), einem großen, auf vier Pfählen ruhenden Gerüst, ähnlich einem großen Tisch, das in keinem dieser Dörfer, ja fast vor keinem Hause, fehlt. Die Barla bildet den beliebten Ruhe- und zugleich Eßplatz der Männer, die hier, unbehelligt von den zudringlichen Schweinen, ihre Mahlzeiten und darauf ihr Schläfchen halten. Frauen dürfen die Barla nicht benutzen, sondern höchstens unter derselben hocken. Wie die meisten Papuadörfer, besitzt Bongu auch ein Versammlungshaus, hier Buambrambra genannt, das als Schlafstätte für die unverheirateten Männer, wie als Empfangshaus fremder Gäste dient. Dieses Gebäude, in der Form der gewöhnlichen Häuser, aber viel größer und an beiden Giebelseiten offen, schien erst seit kurzem fertig geworden zu sein. Außer einigen Unterkiefern von Schweinen, zur Erinnerung an Festlichkeiten, und einigen Eierschalen (von Megapodien), enthielt es keinerlei Ausputz, aber einige Barum waren hier untergebracht. So heißen die großen Holztrommeln (vergl. Atl. XIII 1.), welche dickwandigen Trögen ähneln und, mit einem dicken Knüppel geschlagen, als Signalinstrumente dienen. Ihr dumpfer Ton ist, namentlich in der Stille der Nacht weit, oft mehrere Meilen (engl.), hörbar und teilt alle Begebenheiten den Nachbardörfern mit, die an der Art der Schläge sogleich erkennen, ob es sich um einen Angriff, einen Todesfall oder eine Festlichkeit handelt. Die Samoa hat später gar oft das Barum in Thätigkeit gesetzt, wie unsere Ankunft ebenso durch Rauchsäulen, in der Nacht durch Feuer signalisiert wurde.
Telum Mul.
An dem soeben erwähnten Buambrambra war übrigens keinerlei Verzierung in Holzschnitzerei angebracht, aber ich entdeckte bei meinem Durchstöbern der Hütten zufällig ein hervorragendes Werk des Kunstfleißes in Holzbildnerei, einen sogenannten Telum oder Tselum. So heißen hier besondere, meist aus Holz gefertigte Figuren, die in der Regel einen Menschen darstellen. Ich sah in Bongu übrigens auch kleine, aus einer erdigen aber festen Masse geschnitzte Telum. Das erwähnte Holzbildnis verdiente schon wegen seiner Größe Bewunderung, denn es war an 8 Fuß hoch und aus einem Stück Holz geschnitzt, soweit sich dieser Ausdruck für die Steinzeit anwenden läßt, die ja keine Messer, also auch nicht eigentliches Schnitzen kennt. Diese Kolossalfigur, von der die Abbildung (S. 49) eine getreue Vorstellung giebt, wurde »Telum Mul« genannt. Sie repräsentierte einen Papua, dessen Kopf allein über die Hälfte der ganzen Länge einnahm, aber trotz den groben Fehlern in den Proportionen doch ein Kunstwerk ersten Ranges und eine Leistung, welche dem Alter der Steinzeit zur höchsten Ehre gereicht. Man staunt, unter voller Berücksichtigung der primitiven Werkzeuge, nicht nur über den Fleiß und die Ausdauer, sondern fast noch mehr über den idealen Zug im Geiste des Papua, welcher selbst vor einer solchen Riesenarbeit nicht zurückschreckte. Denn ohne Zweifel waren es geistige Interessen, welche die sonst so lässigen Menschen zur Verkörperung einer Idee begeisterte, die keinen praktischen Hintergrund hat. Missionäre, welche in den unschuldigsten bildlichen Darstellungen meist Zeichen des Heidentums erblicken, würden eine solche wie hier jedenfalls als einen besonders schrecklichen Götzen deuten, dessen Vernichtung als Gott wohlgefällig betrachten. Aber ohne Zweifel haben die Telums nichts mit Religion, wohl aber mit Geschichte der Papuas zu thun, da sie ähnlich wie unsere Denkmäler berühmte Personen, Ahnen, darstellen und somit nur für die Wissenschaft von höchster Bedeutung sind. Wer es verstünde die Geschichte dieser Telums zu ergründen, von denen es in den Dörfern von Astrolabe-Bai eine ganze Menge giebt, die alle durch Eigennamen unterschieden werden, würde möglicherweise Aufschluß über die Herkunft des Volkes oder Stammes geben können. Aber wahrscheinlich ist die Geschichte vieler Telums bei der jetzt lebenden Bevölkerung bereits verloren gegangen, denn manche scheinen sehr alt zu sein. Auch der Telum-Mul hatte wahrscheinlich schon Generationen gesehen und nur dem festen, den weißen Ameisen widerstehenden Holze seine Erhaltung zu danken. Die gegenwärtige Generation sorgte übrigens schlecht für ihn, denn er war in einer fast verfallenen Hütte untergebracht, in welcher sich nur noch wenig altes Gerümpel befand, darunter ein paar alte Blechgefäße und Fäßchen, die noch von Maclay herrührten. Unter dem Gerümpel befand sich übrigens noch ein sehr interessanter, an 12 Fuß langer Balken mit kunstvollem Schnitzwerk, der am Boden lag und so mit Schmutz und Staub bedeckt war, daß ich ihn in dem ohnehin dunklen Räume erst nach geraumer Zeit entdeckte. Jedenfalls diente der Telum nicht als »Götze« der öffentlichen Verehrung, und der Umstand, daß die Bevölkerung ihn so sehr vernachlässigte, deutete das geringe Interesse überhaupt an. Meine Bemühungen,