Samoafahrten. Otto Finsch
Grade (südlicher Breite) zeigte das Thermometer in der Kabine noch 15° Reaum.; drei Tage später war es schon um 4 Grad gestiegen und nach weiteren fünf Tagen um 6 Grad mehr, so daß es in der kleinen Kajüte recht ungemütlich warm wurde. Wir kamen eben immer tiefer in die Tropen hinein, und bald zeigten sich die mir wohlbekannten Landmarken unseres Reisezieles: zuerst die hohen in Wolken gehüllten Berge der Südspitze Neu-Irlands, später Neu-Britannien mit dem Berg Beautemps-Beaupré, der Südtochter und Mutter. Wir waren somit im St. Georgs-Kanal, der breiten Meeresstraße, welche die beiden Hauptinseln des Bismarck-Archipel, Neu-Britannien und Neu-Irland, oder wie sie jetzt heißen: Neu-Pommern und Neu-Mecklenburg, trennt, und näherten uns dem ersten Haltepunkte, der Insel Mioko. Am fünfzehnten Tage ihrer Abreise von Sydney ging die Samoa hier glücklich zu Anker und hatte mit dieser ersten Reise von ca. 2000 Meilen[5] zwar ihre Seetüchtigkeit bewiesen, zugleich aber auch, daß sie kein solcher Schnelldampfer war, wie sie nach dem Certifikat sein sollte und wie es für ein Expeditionsschiff zu wünschen gewesen wäre. Statt der angeblichen 11 Meilen in der Stunde waren im günstigsten Falle mit Dampf und Segeln zusammen kaum acht erzielt worden, aber immerhin kamen wir, auch bei ungünstigen Verhältnissen, vorwärts, wenn auch langsam. Solche ungünstige Verhältnisse bietet gerade der St. Georgs-Kanal sehr häufig in Windstillen und Strom, welche Segelschiffe hier zuweilen über Gebühr zurückhalten. So brauchte z. B. das deutsche Schiff »Sophie« von Sydney bis zum Kap St. George, der Südspitze Neu-Irlands, nur 18 Tage, von hier bis Mioko, eine Strecke, die nur 45 Meilen beträgt und die wir mit der Samoa schlimmsten Falls in 8 Stunden zurücklegten, 21, schreibe einundzwanzig Tage! Anderen Schiffen erging es noch schlechter! Die Bark »Etienne«[6] kreuzte Ende 1877 30 Tage im Kanal und ein Schuner mußte schließlich wieder nach Mioko zurückkehren, weil der Proviant zu Ende ging.
Mioko ist eine der kleineren Inseln von den dreizehn, welche die Herzog York-Gruppe, neuerdings »Neu-Lauenburg« umgetauft, bilden und kaum mehr als einen Quadratkilometer groß, aber wegen seines trefflichen Hafens wichtig. Es hatte sich seit meinem letzten Hiersein, kaum zwei und ein halbes Jahr her, gar manches verändert. Ich vermißte zunächst die frühere Godeffroysche Station an der gewohnten Stelle; kaum daß sich noch erkennen ließ, wo die Häuser gestanden. Die letzteren waren mit der früheren Station des Engländers Thomas Farrell vereint von der »Deutschen Handels- und Plantagen-Gesellschaft der Südsee-Inseln zu Hamburg« übernommen worden, welche das Farrellsche Besitztum gekauft und es diesem ermöglicht hatte, 1883 in Blanche-Bai, auf dem Festlande Neu-Britanniens, die »Ralum-Plantation« zu gründen, das erste derartige Unternehmen im Bismarck-Archipel überhaupt. Ich besuchte die sehr gut gehaltene, freundliche Anlage, die mancherlei Reminiscenzen an das abenteuerliche Kolonialunternehmen des Marquis de Rays (1879 bis 1883) aufzuweisen hat. Das stattliche aus Wellblech errichtete Koprahaus stand früher in der „Baie Française‟, das Büffet im Wohnhause war der einstige Altar der Kirche in Port Breton, zu welcher fromme Gemüter in Frankreich die Mittel hergaben. Dieser Altar hatte indes nie seinem heiligen Zwecke gedient, denn die Kirche war nicht gebaut worden und figurierte nur auf dem Papier. Statt Meßgefäßen zeigte der Altar jetzt in äußerst profaner Weise Gin- und Whiskyflaschen, eine Bestimmung welche die gläubigen Stifterinnen gewiß niemals für möglich gehalten haben würden.
Was die Pflanzung selbst anbelangt, so fand ich eine ziemliche Fläche mit bereits tragender Baumwolle bestellt, sowie den Versuch einer Kaffeeplantage in ein paar Beeten mit wenigen Zoll hohen Kaffeepflänzchen. In dem etwas früher von Farrell ausgegebenen Prospekt der: »Western Pacific Plantation and Trading Co.«, welche in Australien mit einem Grundkapital von 40000 £ in shares von 500 £, auf seinem Besitztum gegründet werden sollte, wurden 100 Acres mit »Sea-Island-Cotton« und als neu gepflanzt 5 Acres Kaffee und 2 Acres Aloë angegeben. Späteren Nachrichten zufolge hat die Ralum-Plantage jetzt »200 bis 250 preußische Morgen unter Baumwollenkultur und 8 Morgen mit Kaffeepflanzungen besetzt«, über Erträge verlautet aber noch nichts. Der unermüdliche Farrell war übrigens abwesend und in San Francisco, um diesmal in Amerika Interesse für seine Unternehmungen zu gewinnen. Er kehrte von dort im folgenden Jahre nicht allein mit einem Dampfer (120 Tons) und zahlreichen Tradern (Kleinhändlern) zurück, sondern war überdies »amerikanischer Bürger« geworden, um den Plackereien der englischen Gesetze bezüglich der Arbeiteranwerbungen zu entgehen. Die anglo-amerikanische Firma machte also den deutschen bedeutend Konkurrenz, wenigstens damals, aber inzwischen mögen sich die Verhältnisse wohl geändert haben, wie dies namentlich in der Südsee so häufig der Fall ist. Mit Ausnahme der eben genannten Firma ist der Handel im Bismarck-Archipel, wie dem westlichen Pacific überhaupt, lediglich in deutschen Händen und zwar der beiden Hamburger Häuser: »Robertson u. Hernsheim« und der schon erwähnten »Handels- und Plantagen-Gesellschaft«, sowie Friedrich Schulle in Neu-Irland. Dem seiner Zeit so mächtigen Hause Johann Cesar Godeffroy u. Sohn in Hamburg gebührt übrigens das Verdienst, 1874 zuerst Stationen in diesem Gebiete gegründet zu haben. Wie überall in der Südsee machte nur allein der Reichtum an Kokosnüssen, welche geschnitten und getrocknet den jetzt bekannten Exportartikel Kopra liefern, die Gründung solcher Stationen überhaupt möglich, und dieses Naturprodukt ist immer noch das einzige von Bedeutung geblieben. Wie Mioko für die Handels- und Plantagen-Gesellschaft, so ist Matupi, auf der kleinen Henderson-Insel in Blanche-Bai, die Centralstation für das Konkurrenzhaus. Zweigstationen sind an der Küste errichtet, aber gegenüber dem Ganzen hat der Handel übrigens nur in engbegrenzten Gebieten Fuß gefaßt. In Neu-Britannien sind es die Küsten von Blanche-Bai etwas südlich über Kap Gazelle hinaus, die äußerste Nordostküste westlich bis Weberhafen, in Neu-Irland die äußerste Nordwestecke von der Insel Nusa bis Langunebange, ein Strich von ca. 25 Meilen, welche eine beschränkte Anzahl solcher kleinen Handelsplätze, Traderstationen genannt, aufweisen. Im Jahre 1885 besaßen die beiden deutschen Firmen in Neu-Britannien je 6 bis 7 Traderstationen, Farrell vier, in Neu-Irland gab es drei, gegenüber 10 im Jahre 1881. Das letztere Gebiet war fast ausschließend in Händen von Friedrich Schulle auf Nusa, der früher als Geschäftsführer von Hernsheim zuerst mit Stationen in Neu-Irland gründete. Gerade in diesem Gebiete wechseln die Stationen, wie ihre Leiter, die Kleinhändler oder Trader, welche den Einkauf von Kopra besorgen, am meisten, und eine kurze Spanne Zeit bringt oft große Veränderungen. Hier muß eine Station aufgegeben werden, weil der Trader am Klimafieber starb, erschlagen oder verjagt wurde, dort wird eine andere von den Eingeborenen angezündet, als Repressalie gegen »gekochte«, d. h. seitens Weißer niedergebrannter Hütten, oder sie wird freiwillig verlassen, weil sie sich nicht bezahlt macht. Das klingt freilich ziemlich entmutigend, ist aber in Wahrheit nicht so schlimm, denn eine Traderstation ist leicht errichtet und man muß sich von einer solchen keine großen Vorstellungen machen. Mit Proviant im Werte von 300 Mark zu Sydney-Preisen und ebensoviel für Tauschwaren ist sie meist ausgerüstet, und zum Aufbau läßt sich einheimisches Material trefflich verwenden. Handelt es sich doch im wesentlichen um ein kleineres, höchst bescheidenes Wohn- und größeres Koprahaus, einen Zaun und ein paar eiserne Wasserbehälter (tanks), da alle diese Stationen, die Hauptstationen in Matupi und Mioko nicht ausgeschlossen, für ihren Bedarf an Trinkwasser, sowie zum Schiffsgebrauch, nur auf Regen angewiesen sind. Als Trader eignen sich am besten Seeleute, die an Salzfleisch gewöhnt, keine großen Ansprüche machen und mit einem Segelboot umzugehen verstehen, da sich nur mit solchen die Küste erfolgreich bearbeiten läßt. Der Handel ist selbstredend nur Tauschhandel, und amerikanischer Stangentabak (Nigger-head), Beile, Messer, Angelhaken, Glasperlen und einige andere Kleinigkeiten sind die Hauptartikel zum Ankauf von Kokosnüssen oder Kopra, da jetzt Gewehre und Schießbedarf, welche früher am meisten begehrt waren, verboten sind. Dieses Verbot erstreckt sich glücklicherweise auch auf das Anwerben von Eingeborenen als Arbeiter, die sogenannte „Labourtrade‟, welche in diesen Gebieten wie überall, soviel Unheil anrichtete und wesentlich mit zu den blutigen Zwisten mit den Eingeborenen beitrug, an denen keineswegs immer die letzteren schuld waren. Während meines früheren achtmonatlichen Aufenthaltes[7] in Neu-Britannien wurden in meiner Nachbarschaft allein fünf Weiße erschlagen, die wie später Theodor Kleinschmidt auf Mioko ihr Schicksal provoziert hatten. Nachweislich ist übrigens bis jetzt im Bismarck-Archipel kein Weißer verzehrt worden, wenn auch die Eingeborenen noch heut Kannibalen sind, wie ich noch 1881 mit eigenen Augen sah[8]. Seitdem der erste Trader den Boden Neu-Britanniens betrat und den ersten Eingeborenen erschoß, um damit die hier geltenden Rechte der Blutrache einzusetzen, ist gar viel Blut im Bismarck-Archipel geflossen und Mord von beiden Seiten verübt worden. Der im Jahre 1878 unter der Ägide der Wesleyanischen