Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
als es jetzt der Fall ist.
Durch Gründung der Kindergärten ist ferner unzähligen Frauen ein passender Wirkungskreis eröffnet worden. Wie der Gründer derselben Friedrich Fröbel dieser wichtigen Angelegenheit die Thatkraft und Begeisterung eines ganzen Lebens widmete, so ward sie mit gleicher Begeisterung von seinen Schülerinnen aufgenommen und verbreitet. Da es vorzüglich die deutsch-katholischen Gemeinden waren, die diese Angelegenheit zuerst mit zu der ihrigen machten und Fröbel's ganzes System darauf beruht, die Kinder zu gesunden und selbstdenkenden Wesen zu erziehen, so war es eben so naturgemäß, wenn die Kindergärten derjenigen Partei ein Dorn im Auge waren, der nichts so verhaßt ist, als wenn die Zahl der Selbstdenker unter den Staatsbürgern sich mehrt. Diese Partei bot demnach Alles auf, die Kindergärten zu hemmen und zu unterdrücken und wir hatten das erhabene Schauspiel eines Kampfes der Ultramontanen und Genossen mit Kindern und schutzlosen Frauen. Die Kindergärtnerinnen jener Reactionsperiode haben in der That ein Märtyrerthum durchgemacht, das dem vieler um ihrer Gesinnung verfolgter Männer jener Zeit vollkommen ebenbürtig ist. Die Kindergärten wurden polizeilich verboten und die Vorsteherinnen derselben sahen sich plötzlich ohne Existenz; auch diejenigen, welche durch Unterricht und Vorträge Kindergärtnerinnen bildeten, mußten aufhören zu lehren und es fehlte nicht an Maßregelungen der mannigfaltigsten Art. Aber es ist auch damit gegangen wie mit andern Hemmungen des Fortschritts: – jetzt giebt es an unzähligen Orten Kindergärten und bald wird es keine Stadt und kein Städtchen mehr ohne einen solchen geben, ja, der Fortschritt wird dadurch noch größer, als man auch an die Kleinkinderbewahranstalten Kindergärtnerinnen als Lehrerinnen beruft. Dies ist gewiß ein Wirkungskreis, der kein Mädchen ihrer »natürlichen Bestimmung« entfremdet. Eine Kindergärtnerin wird, wenn sie selbst Gattin und Mutter wird, auch die beste Erzieherin und Behüterin eigener Kinder sein. Sie kann auch verheirathet noch dem Berufe der Leitung eines Kindergartens vorstehen, wenn sie noch eine oder ein paar Kindergärtnerinnen zur Seite hat – oder sollte ihr Mann andere Anforderungen an sie machen und sie es vorziehen diese Ausübung ihres Berufes aufzugeben, so weiß sie doch, sie kann ihn wieder aufnehmen und dadurch sich und ihre Kinder erhalten, wenn ihr Mann es einmal nicht mehr vermögen sollte. –
Wie es schon jetzt in vielen Geschäften Ladenmädchen und Verkäuferinnen giebt und wie es sich in den Artikeln für Frauen, den Modemagazinen, Schnittgewölben u.s.w. kaum anders geziemt, so gestattet die Gewerbefreiheit, die ja nun fast überall in Deutschland eingeführt, den Frauen auch selbstständig Geschäfte zu eröffnen und zu führen. In Leipzig ist eine Handelsschule für Mädchen gegründet worden, in der sie nach einem zweijährigen Cursus und glücklich bestandenem Examen so weit befähigt entlassen werden, um nun Stellen nicht nur als Verkäuferinnen, sondern auch als Buchführerinnen, Correspondentinnen u.s.w. in jedem Comptoir übernehmen zu können. Sich kaufmännisch auszubilden ist auch für die Mädchen wichtig, denen die Verhältnisse diesen Beruf nahe legen; so z.B.: ihre Eltern haben ein Geschäft, so kann ihnen die Tochter den Commis ersparen, kann es nach deren Tod selbst übernehmen oder wenn sie sich wieder an einen Kaufmann verheirathet, ihm im Geschäft beistehen, besser natürlich als es schon sonst bei den meisten kleineren Kaufleuten geschah, wo die Frau mithelfen mußte, ohne je etwas von dem gelernt zu haben, was plötzlich von ihr gefordert ward. Außerdem aber kann sie auch selbstständig, wenn sie allein steht und nur die nöthigen Mittel dazu hat, ein Geschäft begründen ohne fürchten zu müssen, daß sie nur das Geld dazu gebe und Andere den Vortheil hätten, wie es ja nur zu oft der Fall ist. Wenn Frau und Tochter mit im Geschäft des Mannes arbeiten und Alles übersehen können, so wird die Gefahr, durch fremde Buchhalter, Commis u.s.w. betrogen zu werden, sich sehr verringern – und wer weiß, ob nicht auch die Zahl der leichtsinnigen Banquerotte kleiner wird! Frauen nehmen es in der Regel mit den Ausgaben genauer als Männer und wenn es auch oft bei dem Ruin eines Geschäftsmannes heißt: die Verschwendung der Frau sei daran schuld! – so üben die meisten Frauen diese allerdings nur zu oft vorkommende Verschwendung doch erst dann, wenn sie denken, daß sie ein Recht dazu haben, d.h. wenn sie der Mann in den süßen Traum wiegt oder darin erhält, daß sein Geschäft so viel einbringe um diese großen Ausgaben zu gestatten – sieht die Frau aber, selbst im Geschäft mithelfend und sich auf die Bücher verstehend, wie das Soll und Haben wirklich beschaffen ist, so wird jede nicht ganz verdorbene sich gern danach richten. – Eine Oekonomieschule zur praktischen und höheren Ausbildung für Mädchen, die sich der Landwirthschaft widmen wollen, ist in Quedlinburg gegründet worden von einer Dame, die Mitglied des Allgem. deutsch. Frauenvereins ist.
In Frankreich sind die Frauen nicht nur schon längst in den Comptoiren der Kaufleute thätig, sondern auch in den Bureaus der Eisenbahnen, der Telegraphen und der Post. Jetzt endlich denkt man auch in Deutschland daran dies zu thun und namentlich gehen hier Sachsen und Würtemberg mit gutem Beispiel voran. Etwa seit Jahresfrist fordern die sächsischen Behörden die Mädchen zum Telegraphen- und Postdienst auf, sie haben einen Acceß und Examen zu machen gleich den Männern und werden dann angestellt; Telegraphistinnen giebt es schon viele, in Bezug auf die Post ist die Sache noch neuer. In Dresden ist bereits eine Lehranstalt gegründet worden, welche Mädchen zu diesen Fächern vorbereitet.
Dem Photographiren, auch dem Lithographiren und der Holzschneidekunst haben sich gleichfalls viele Frauen zugewendet und die Gewerbefreiheit öffnet, wie gesagt, jeden beliebigen Weg, einen Beruf zu ergreifen: – der Eintritt in das Handwerk ist ihnen nicht mehr verschlossen. Es kommt nur darauf an sich selbst zu entschließen etwas lernen zu wollen und das Vorurtheil zu überwinden. Die Fähigkeit wird sich zeigen und die Gelegenheit sich finden müssen.
Jedes Mädchen z.B. das einen Schuhmacher heirathet, richtet sich sofort in seine Arbeit ein und hilft ihm bei der Schuhmacherei, sie lernt es eben auch von selbst, da sie vorher vielleicht nie daran gedacht noch sich mit der gleichen beschäftigt hat – warum soll sie es nicht lernen und treiben schon als Mädchen zu ihrem eignen Erwerb? Schneidern und Frisiren für Damen ist nun vollends ein Gewerbe, das sich nicht für Männer ziemt, schon aus Schicklichkeitsrücksichten. Bäcker, Köche, Beutler sollten ebenfalls ihr Handwerk in weibliche Hände niederlegen, denn dergleichen Beschäftigungen sind eben »unmännlich,« nicht würdig des starken Geschlechtes. Sonst, als die Hausfrauen noch selbst das Brot bucken, Licht und Seife sotten, spannen und wirkten, gehörten ihnen diese Arbeiten, die später Handwerk und Industrie ihnen abgenommen und sie sind vollständig berechtigt die alte Betheiligung daran zurückzufordern, nur so, daß sie jetzt nicht mehr im Hause, sondern außer ihm arbeiten, was die Fortschritte der Industrie in eine andere Werkstätte versetzten.
Industrieschulen für Mädchen würden wohl das beste Mittel sein, sie für das Handwerk zu bilden. Es ist hier wie bei dem Studium der Medicin: die Schwierigkeit liegt nur im Anfang – es müssen auf jedem Gebiet sich erst weibliche Winkelriede finden, die den Andern eine Gasse brechen und die feindlichen Speere nicht scheuen. Dann werden sich Werkstätten von Frauen finden, in denen wieder nur Mädchen ihre Lehrzeit durchmachen. Es ist Hoffnung vorhanden, daß der Frauenverein in Hamburg mit Gründung einer Industrieschule vorangehe.
Wie sich aber der meisten Handwerke die Fabrikindustrie bemächtigt hat, so dürfen auch die Frauen, auch die gebildeteren nichts Anstößiges mehr darin erblicken für Fabriken nicht nur zu Hause, sondern wo es erforderlich ist, auch in den Fabriken, selbst in geschlossenen Etablissements eine bestimmte Zahl Tagesstunden zu arbeiten. Nicht nur im industriellen Amerika thun dies die Frauen – Fabrikarbeiterinnen, die man »Lady's« nennt – die meist zu Wagen in die entfernte Fabrik geholt werden, wo man ihnen mit all der Achtung begegnet, die das weibliche Geschlecht überhaupt dort genießt – sondern auch in der benachbarten deutschen Schweiz verbindet man mit dem Begriffe: »Fabrikarbeiterin« nicht den einer armen und unwissenden Proletarierin, sondern man ehrt in ihnen selbstständige Jungfrauen, die Töchter guter Familien, die es für ehrenvoller halten, durch passende Arbeit sich ihre Existenz selbst zu sichern, als durch Nichtsthun ihren Angehörigen zur Last zu fallen. Und in der Schweiz hat bekanntlich trotz alledem das Familienleben nichts von seiner patriarchalischen Einfachheit und schönen Sitte eingebüßt – im Gegentheil: es ist gerade dadurch ein inniges und sittliches, weil es jedem Theile der Familie eine nutzenbringende Beschäftigung anweist und den träumerischen Müssiggang wie alles unpraktische Wesen aus seinem Kreis verbannt. –
In Leipzig besteht auch in einer großen Druckerei schon seit Jahren ein Institut für Setzerinnen, die in einer von den