Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte - Louise Otto


Скачать книгу
gemeinsamer Interessen gefunden werden.

      Geschrieben von Einzelnen und fast auch wieder nur von Einzelnen gelesen, war schon so Manches über die Stellung der Frauen, ihre Rechte und Pflichten, aber nur äußerst gering waren die dadurch erzielten Resultate in Bezug auf das Eingreifen in die Lebensverhältnisse der Gegenwart. Was Einzelne hinter ihren Schreibtischen sitzend schreiben und Andere im stillen einsamen Stübchen oder selbst im Familienzimmer lesen und beifällig aufnehmen, das bedarf, um wirklich in's Leben eingreifen zu können, wirklich zu einer Veränderung bestehender Zustände zu führen, doch noch eines andern Weges als den der Presse. Die Presse ist bei jedem Fortschritt nur der erste Pionier, nur der Führer und Fahnenträger – aber den Voranschreitenden müssen Andere folgen, die handelnd und thätig mit eingreifen im Dienst der Idee, sonst gelangt sie nicht zum Siege, nicht zur Realisirung durch das Leben.

      In dem Programm des Vereins sind eine Menge Mittel und Wege angegeben, mit und auf welchen eine Verbesserung in der Lage der Frauen in Angriff zu nehmen ist. Der erste Schritt, den also jede deutsche Frau zu thun hat, welche nach einem Wirken für das Allgemeine sich bisher vergeblich sehnte, ist zu diesem Verein zu treten; sie wird dadurch ein Glied in der großen Kette eines Ganzen, sie tritt damit ein in eine Gemeinschaft, in der es ihr leicht wird sich und Andern zu nützen und ihre Kräfte in Verbindung mit denen Anderer doppelt nutzbar zu machen.

      Alle die deutschen Frauen und Mädchen, die so oft mit dem Verhängniß grollten, die darüber seufzten und stöhnten, daß es ihnen mitten in einer nach allen Richtungen hin thätigen Zeit an einem Wirkungskreis fehlte, auch mit thätig einzugreifen in den Fortschritt des Menschengeschlechts, auch sich mit zu betheiligen an der Arbeit des Jahrhunderts – diese Alle finden nun für ihre Bestrebungen die Basis, welche sie bisher vergeblich suchten. Sie finden darin auch die Gelegenheit etwas zu thun für die Hebung des eignen Geschlechts, an der es in diesem Maße bisher fehlte; denn das war es ja eben, was auch diejenigen Frauen, welche die Schäden in der Stellung und Lage des weiblichen Geschlechts in der Gegenwart erkannt hatten, so niederdrückte, mißmuthig und verzagt machte, daß im großen Ganzen weder Etwas geschah für die Frauen noch von den Frauen. Die Eitelkeit einzelner besonders befähigter und glücklich gestellter Persönlichkeiten konnte wohl in sich selbst darin Befriedigung finden, als eine Ausnahme ihres Geschlechtes durch ihre Leistung auf dem und jenem Felde zu glänzen oder sich selbst dadurch eine ehrenvolle und ebenbürtige Stellung inmitten der Männerwelt zu erobern: aber Diejenige, der es, frei von dieser Eitelkeit, nicht um das eigene Selbst, sondern um die Sache selbst zu thun war, konnte selbst eine solche scheinbar vortheilhafte Stellung nur mit Wehmuth einnehmen, und mußte das lebhafteste Verlangen in sich tragen, das, was sie selbst erreicht, vielleicht mühsam erkämpft, nicht nur für sich, sondern auch für ihre Mitschwestern erreichen und erkämpfen zu können.

      Und nun ist die Bahn geöffnet und ein weites Feld der Thätigkeit liegt vor allen Frauen da, ein Feld, das recht eigentlich ihnen allein gehört und dessen Bearbeitung nicht als unweiblich verschrieen werden kann.

      Auch Diejenigen, die aus Mangel an Zeit dem Verein nur ihren Beitrag geben können, wirken für die gute Sache. Neben ihnen aber befindet sich die große Schaar derer, welche bislang klagten, daß es für alle Klassen und Zwecke der gegenwärtigen Gesellschaft und ihre Interessen förderliche Vereine gebe, aber nicht für die Interessen der Frauen, Alle, welche die Sehnsucht in sich fühlten die Lage der Frauen zu verändern, zu verbessern und wohl darüber jammern, daß sie nicht wüßten wie das anzufangen sei und über die Unthätigkeit und Nutzlosigkeit, zu der sie sich für immer verdammt wähnten, wohl gelegentlich in Verzweiflung geriethen: diese haben nun hinreichend Gelegenheit zu beweisen, ob solche Aeußerungen nur momentane Gefühlsaufregungen, ob es ihnen Ernst damit ist, nun in den Kreis des Wirkens einzutreten, der ihnen nun geöffnet ist. Sie können durch Wort und Beispiel Proselyten machen für die Ideen des Allgem. deutsch. Frauenvereins, können in ihrer Heimath, ihrer Stadt sowohl Frauenbildungsvereine gründen, als auch auf dem und jenem Gebiet praktisch für die weiblichen Interessen thun, was, je nach den lokalen Verhältnissen ihres Wohnorts, sich thun läßt, und was ihnen überhaupt das Nächstliegende scheint.

      Die Frauen sind somit eingetreten in den Kreis des öffentlichen Wirkens – sie haben einen großen moralischen Sieg davongetragen, einzig und allein durch den nicht minder großen moralischen Muth, der sie für eine als gut erkannte Sache in die Schranken treten ließ.

      Es ist durch die Frauen-Conferenz auch an die öffentliche Meinung appellirt worden – und es hat sich gezeigt, daß dieselbe weit mehr als dies früher der Fall, ja, als zu erwarten war, auf der Seite der Frauen steht. Der Versuch, die Frauen-Conferenz lächerlich zu machen, der sehr zu fürchten war, ist doch nur wenig gewagt worden – die meisten Blätter haben ihr beigestimmt und die Feinde der Sache haben wohl eingesehen, daß diese selbst ihnen zu groß geworden, um sie mit ein paar leichtfertigen Witzen abzuthun.

      Es ist ein großes, heiliges Princip in der Weltgeschichte, daß alles Neue, und wenn es noch so lebensfähig, wenn es noch so wohlvorbereitet in die Welt tritt, seine Gegner findet in den Anhängern des Alten, in Denen, welche von keinem Vorwärts, keinem Streben darnach etwas wissen wollen. Solche Gegner findet natürlich auch der Frauenverein und Alles was mit ihm zusammenhängt, er findet sie wie jede ähnliche Bewegung der Neuzeit, deren Streben darauf gerichtet ist, die alte Welt immer mehr zu erlösen von jedem Bann, von jedem Drucke, der das rastlos rollende Rad der Zeit zum Stillstand zwingen will. Aber eine solche Gegnerschaft ist ja nur eine Anerkennung der weiblichen Wirksamkeit mehr, sie kann sie nicht hindern, sondern muß sie fördern, weil jeder Kampf die Kräfte der Streitenden übt und erstarken macht! –

      Die Frage der »Frauenarbeit« und »Frauenbildung« ist seitdem mächtig in den Vordergrund getreten. Keine Zeitung nimmt man in die Hand, kein Verein, keine Volksversammlung findet statt, in der nicht diese Frage discutirt würde – sei's im Sinne des Fortschrittes, sei's in dem des Stillstandes, ja der krassesten Reaction: – sie von sich zu weisen, zu ignoriren, wie es so lange halb bewußt, halb unbewußt geschehen, wagt Niemand mehr, ja es kommt sogar vor, daß Diejenigen, welche dies früher thaten, sich jetzt stellen, als wären sie stets durchdrungen gewesen von der Nothwendigkeit einer Lösung dieser Frage.

      Uns ist jede Bestrebung willkommen, die diesem Ziele gilt, möge sie ausgehen von wem sie immer wolle, möge sie Hand in Hand gehen mit dem Allgemeinen deutschen Frauenverein oder ihn ignoriren: wir sehen Alles mit Freuden geschehen, was geschieht, um die Frauenfrage ihrer Lösung immer näher zu führen: an der Ueberzeugung aber halten wir fest, daß ihre wirkliche Lösung nur gefunden werden kann durch die Frauen selbst, durch ihren eignen Willen und ihre eigene Kraft, daß jede andere Lösung nichts ist als ein Präservativ, das nur auf kurze Zeit helfen kann, dann aber doch wieder als unnütz beiseit geworfen werden muß.

      Das Recht der freien Selbstbestimmung ist das heiligste und unveräußerlichste jedes vernunftbegabten Wesens – wer sich dasselbe rauben läßt, wer freiwillig darauf verzichtet, der versündigt sich an seiner eignen Menschenwürde – und es bewährt sie nur, wer freudig seine Kraft einsetzt, jenes Recht zu bewahren oder sich zu erringen, wo man es ihm noch nicht gegeben oder wo man es ihm genommen hat.

      Auch die Frauen dürfen nur wollen, so muß ihnen werden was sie wollen!

      Willkommen ist uns die Mithilfe aller edlen Männer zu diesem Recht der freien Selbstbestimmung – den Männern aber, die ohne dasselbe gelten zu lassen den Frauen vielleicht auch auf neuen Gebieten Erwerbsthätigkeit zuweisen und ihnen gewissermaßen ihre Hilfe octroyiren, weil es unweiblich sei sich selbst zu helfen, müssen wir sagen: daß es das Unweiblichste ist was es giebt, wenn Frauen in ihren Frauenangelegenheiten die Männer entscheiden lassen. Was sich für sie ziemt und was sich nicht geziemt, wußten von je die Frauen selbst am besten.

      VI. Fortschritte und Aussichten weiblicher Erwerbsthätigkeit

       Inhaltsverzeichnis

       Künstlerinnen und Schriftstellerinnen. Weibliche Aerzte. Lehrerinnen und Kindergärtnerinnen. Handels-Oekonomie- und Industrieschulen. Eintritt in das Handwerk. Fabrikarbeiterinnen.

      Haben


Скачать книгу