Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte - Louise Otto


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noch in der Kürze andeuten, auf welchen Gebieten sich ihnen zunächst Aussichten dazu eröffnen.

      Vom Gebiete der Kunst, das dem weiblichen Geschlecht schon immer offen stand, könnten wir billig absehen, denn hier ist wenigstens in einigen Zweigen ihre Berechtigung eine so ziemlich dem männlichen Geschlecht gleiche und kann für andere Fächer als Muster aufgestellt werden.

      So ist z.B. in den Conservatorien für Musik die Stellung der Zöglinge eine ganz gleiche und was z.B. den Gesang und das Pianofortespiel betrifft, so kann man auch sagen, daß die Leistungen so ziemlich gleich sind. Es giebt vielleicht ebenso viel anerkannte und tüchtige Pianistinnen wie Pianisten, und am Gesang ist es sogar gewiß, daß es mehr treffliche Sängerinnen als Sänger giebt, was wir eben darin suchen wollen, daß mehr Mädchen als Jünglinge zu diesem Fach sich wenden, aus dem sehr natürlichen Grunde, weil die Mädchen eben nur sehr wenig Gelegenheit zu einem Beruf und Erwerb vor sich sehen und also, wenn sie nur einige Neigung dazu empfinden, nur einige Anlagen dafür an ihnen entdeckt werden, sie auch sogleich zu diesem Fach sich wenden: fast dem einzigen, in dem ein Mädchen sich eine glänzende Existenz erwerben kann – während dem Manne ja jede Wahl frei steht. Freilich ist jener Glanz oft nur eine trügerische Lockung und von Hunderten, die mit der Hoffnung auf die Tausende eines Primadonnengehaltes das Conservatorium besuchen, erringt sie einmal eine, während die Andern als Concertsängerinnen ein kümmerliches Dasein fristen oder als Sängerinnen an kleinen Bühnen eben so dem Untergange preisgegeben sind wie die Schauspielerinnen, die ohne Talent auch nur um der Existenz willen eine Laufbahn wählten, die ihre sehr gefährlichen Seiten hat.

      Zu allen diesen Gebieten würde die Talentlosigkeit sich weniger drängen, wenn es mehr andere Gelegenheiten gäbe, Beruf und Erwerb zu bieten. Ganz dasselbe ist mit dem Schriftstellerthum der Fall. Vielleicht nie ist die Zahl der schreibenden Frauen so groß gewesen wie jetzt – und wenn viele darunter sind, die nur sehr Untergeordnetes leisten, die ohne innerlichen Beruf nur für Geld schreiben (was aber auch bei den Männern gerade so oft vorkommt, nur daß sie nicht die Entschuldigung haben, daß sie keine andere Gelegenheit hätten sich Existenzmittel zu verschaffen), so liegt die Ursache davon auch im Mangel andrer lohnender Beschäftigung.

      Wenn man uns darum etwa entgegenhält: die Kunstgebiete wären schon jetzt von Frauen, unter denen die Hälfte meist zu den Mittelmäßigkeiten gehöre, überfluthet, dies würde noch weit mehr geschehen, wenn die Frauen im Allgemeinen zu höherer Bildung und zu dem Bewußtsein gebracht würden, einen selbstständigen Beruf und Erwerb haben zu müssen, so sagen wir gerade umgekehrt: sie werden die Gebiete der Kunst viel weniger überfüllen, wenn ihnen andere Gebiete offen stehen, wenn es auch auf andern möglich ist eine unabhängige, ehrenvolle und einträgliche Lebensstellung zu erringen.

      Den Künstlerinnen und Schriftstellerinnen gestattet man allenfalls sich frei zu bewegen, man betrachtet sie in einer Art von Ausnahmezustand, durch den man sie vielleicht ehren will, durch den auch die Egoistischen und Eitlen unter ihnen sich geehrt fühlen mögen: der aber Diejenigen, die nicht bloß von ihrer eignen Leistungsfähigkeit, sondern von der ihres ganzen Geschlechtes und seiner Würde durchdrungen sind, auf's Tiefste gerade in ihrer weiblichen Würde verletzen muß. – Nie ist es der Verf. eingefallen, dies oder jenes Recht zu männlicher Gleichstellung in Anspruch zu nehmen, weil die Schriftstellerin den Schriftstellern gleich steht – sie hat es nicht als eine »Belohnung« und »Auszeichnung« für etwaige Verdienste, sie hat es als ein Recht im Namen aller Frauen gefordert und betrachtet, und bei jeder Ausnahmestellung, die man ihr »aus Gnaden« zutheilen wollte, mit Posa gesagt: »O nicht um mich war mir's zu thun, nicht meine Sache wollt' ich führen.« –

      Auf musikalischem Gebiet ist, wie gesagt, die Gleichstellung der Geschlechter wenigstens theilweise vollzogen und man kann die Conservatorien für Musik sehr gut als Musteranstalten denen entgegenhalten, welche z.B. die Frauen nur deshalb von höheren wissenschaftlichen Studien ausschließen wollen, weil sie gemeinschaftliche Lehranstalten für unmöglich halten. Was in einem Conservatorium geht, kann auch in andern Fächern gehen! Es können außerdem auch an höheren Lehranstalten sehr gut Sectionen für Mädchen errichtet werden, denn uns selbst kann allerdings nichts ferner liegen, als etwa der Wunsch: es möchten sich einzelne Mädchen unter eine rohe Studentenschaft mischen. – Mit den Kliniken, in welchen Chirurgie gelehrt wird, sind sehr häufig Institute für Hebammen verbunden. Die Frauen, die sich diesem äußerst wichtigen Beruf widmen, gehören doch meist den Ständen an, in denen die Mädchen gerade keinen sorgfältigen Unterricht genießen, sie kommen also meist ohne alle Vorkenntnisse in die Anstalt – dennoch versichern sachkundige Aerzte, daß sie sehr bald ihre Aufgabe begreifen und das keineswegs leichte Examen fast immer zur Zufriedenheit, oft glänzend nach einem verhältnißmäßig sehr kurzen Lehrcursus bestehen. Was also in diesem einen Zweige medicinischer Studien erreicht werden kann, wird wohl in jedem anderen auch zu erreichen sein. Man könnte mit solchen Kliniken z.B. Sectionen für Orthopädie für Damen verbinden, ein Berufszweig, der sich nicht minder für die Frauen eignet. Wir gedachten schon einer sächsischen Frau, welche die betreffenden medicinischen Studien bei einzelnen Professoren gemacht und die Erlaubniß zur Praxis erhalten hat. Dieselbe ist bereits eine sehr ausgedehnte und zwar nicht allein um des außergewöhnlichen Rufes dieser genialen Frau willen, sondern gerade weil sie eine Frau ist. Jedes weibliche Wesen wird sich besonders in Fällen, wo eine Besichtigung des Körpers nöthig ist, wie bei Verkrümmungen, lieber von einer Geschlechtsgenossin untersuchen und behandeln lassen; und ganz aus demselben Grund als eine Forderung der Weiblichkeit sind weibliche Aerzte auf das dringendste zu wünschen. In Amerika sind dieselben längst üblich und die Frage: ob die Frauen auch dazu befähigt sind, ist schon keine Frage mehr. Wenn man als Schwierigkeit des weiblichen Studiums derselben will geltend machen: daß zu viel Ueberwindung des Schaamgefühls erfordert werde, wenn Mädchen von Professoren sich über den menschlichen Körper sollen gründlichst unterrichten lassen – so halten wir einmal wieder entgegen: warum man dies nicht auch bei den Hebammen fragt? und dies wäre eben nur eine Frage für die Zeit des Uebergangs – denn giebt es einmal weibliche Aerzte, so wird es unter diesen auch solche geben, welche ihre Geschlechtsgenossinnen lehren können. Aber auch ganz abgesehen davon ist jenem Einwurf doch damit zu begegnen: wenn es schlimm ist, daß einzelne Frauen im Dienst der Wissenschaft ihr Schaamgefühl unterdrücken müssen – ist es denn dann nicht tausendmal schlimmer, wenn alle Frauen im Dienst ihrer Gesundheit dies zu thun verdammt sind? Gerade um die Frauen von solcher Nothwendigkeit zu befreien, wünschen wir weibliche Aerzte und die Bornirtheit des Vorurtheils gegen einen solchen Fortschritt zu edler Sittlichkeit zeigt sich gerade hier in schlagender Weise. Es dürfen – im Durchschnitt – nicht zehn etwas »Unweibliches« thun, besser ist es, wenn dafür Alle sich das Unweiblichste gefallen lassen! Es schadet der Sitte, wenn ein Mädchen anatomische Vorlesungen hört – das aber schadet nicht, wenn in der Klinik die schwangern und gebärenden Frauen, wovon viele gleichzeitig in einem Saal sich befinden, von einer Schaar junger studirender Männer untersucht und beobachtet werden – das heißt das Herkommen gut! Mögen doch Männer die Männerkörper studiren, aber die Frauen überlasse man den Frauen. –

      Eine Hochschule nur für Frauen war schon 1849 in Hamburg gegründet worden – aber in den Jahren der Reaction mußte auch sie wieder verschwinden, wie Alles was dem Fortschritt huldigte und von Männern und Frauen des Fortschritts gegründet worden war.

      Dafür sind wenigstens aller Orten Lehrerinnenseminare entstanden und diejenigen Mädchen, welche sich dem Lehrstande widmen, haben nicht mehr nöthig nur Gouvernantenstellen anzunehmen, um darin zu wirken, sie werden fast in allen deutschen Staaten zum Examen zugelassen und nicht nur an Privat- sondern auch an städtischen Schulen angestellt. In Mädchenschulen den Unterricht von Frauen, welche die nöthige Befähigung besitzen, ertheilen zu lassen, stellt sich allgemein als zweckmäßiger heraus und voraussichtlich wird die ganze Angelegenheit noch diese Wendung nehmen. Da die Schullehrer bekanntlich fast überall so schlecht gestellt sind, daß ein Mann meist in jeder andern Branche bessere Aussichten für die Zukunft hat, so widmen sich, seit dem letzten Jahrzehent namentlich, viel weniger Jünglinge diesem Berufe, als Lehrer gebraucht werden und man wird bei der Verbesserung und Verallgemeinerung des Unterrichts in Zukunft immer noch mehr brauchen und so kommt hier die Nothwendigkeit den Frauen zu Hilfe: der Staat sieht sich, gleich den Privatanstalten, genöthigt Frauen anzustellen, weil die Männer nicht ausreichen. – So wie es bisher nur Lehrerinnen in weiblichen


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