Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
huldigenden Männer von aller Theilnahme an den politischen Angelegenheiten des Tages ausgeschlossen und sie im Indifferentismus und in Unwissenheit erhalten hatte – so fanden sich doch unzählige begeisterte Frauen, welche der Sache der Demokratie dienten und zugleich für die eigenen, d.h. die weiblichen politischen Rechte das Wort und die Feder ergriffen. Die Sache der Frauen und ihre Stellung war eine Partei-Angelegenheit geworden und es gab kein vereintes weibliches Wirken, das nicht im Dienste einer Partei geschehen wäre. Da und dort entstanden demokratische Frauenvereine, die namentlich zur Zeit der niedergeworfenen Erhebung noch voll schöner Hingebung Gutes und Großes unter eigenen Gefahren wirkten. Aber eben darum wurden diese Frauenvereine nur zu bald gewaltsam aufgelöst und damit waren Angesichts der immer mehr hereinbrechenden und immer mehr die Gemüther niederdrückenden Reaction, auch alle die Bestrebungen und Interessen wieder verschwunden, an die auch das weibliche Geschlecht sich mit erwachendem Bewußtsein freudig hingegeben hatte. Erging es doch unter der Männerwelt nicht besser – wie hätten die Frauen dem allgemeinen Schicksal, das auf Allen lastete, sich entziehen sollen? – Ich selbst hatte unter den Einflüssen der politischen Bewegung eine »Frauenzeitung« (von 1849–52) redigirt, welche das Motto trug: »Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen!« – wer sie nachlesen wollte, könnte sich überzeugen, daß man von Vielem, was jetzt wie etwas Neues diskutirt wird, sagen könnte: Dies Alles war schon einmal da! Auch sie fiel natürlich der Reaction zum Opfer. Aber schon damals oder vielmehr noch früher, schon vor 1848 – und dann erst recht – hatte ich eingesehen, daß, wie damals der socialistische Ausdruck lautete: auch die Frauenarbeit organisirt werden müßte. Ich hatte Einiges im Dienst des Socialismus, besonders der weiblichen Arbeiterinnen (in Keil's »Leuchtthurm,« außerdem einen Roman »Schloß und Fabrik,« der anfänglich confiscirt ward) geschrieben und es erschien eines Tages eine Arbeiterdeputation bei mir, um mir ihre Zustimmung zu erkennen zu geben. Es waren Setzer und sie baten mich, in einer von ihnen eben gegründeten (1847) Zeitschrift »Typographia« mitzuschreiben. Ich that es und that es noch weit mehr, als sie sich 1848 in die erste »Arbeiterzeitung« umwandelte. Ich vertrat unter ihnen die Interessen meines Geschlechts. Als in Dresden unter dem Ministerium Oberländer eine Arbeitercommission zusammentrat, richtete ich an dieses und sie, wie an alle Arbeiter eine »Adresse eines Mädchens,« in welcher ich an das Elend und die Gefahr der Schande erinnerte, in welcher das weibliche Geschlecht schwebt, wenn es ohne Gelegenheit zu lohnender Arbeit ist und schloß mit den Worten: »Glauben Sie nicht, meine Herren, daß Sie die Arbeit genügend organisiren können, wenn Sie nur die Arbeit der Männer und nicht auch die der Frauen mit organisiren,« – ich rief die Arbeiter auf, abzulassen von der Verblendung, mit der einige von ihnen die Mädchen aus den Fabriken und Gewerben und damit in die Schande jagten und fügte hinzu: »Und wenn man überall vergessen sollte an die armen Arbeiterinnen zu denken – ich werde sie nicht vergessen!« Und ich fand überall ein williges Ohr, bei dem Minister sowohl wie bei einigen Mitgliedern jener Commission und vor Allem bei den Arbeitern selbst, die mir auch dazu die Spalten ihrer Zeitung öffneten und auch sonst vertrauten. Immerhin war es ein harter Kampf, zumal in Sachsen, wo von Gewerbefreiheit noch keine Spur war und der Zunftzwang überall hemmend entgegentrat. Wie viel Tinte hab' ich nicht allein im Interesse der Schneiderinnen verschrieben, die vorerst von den Schneidern angelernt wurden, und bei denen dann alle Augenblicke die Schneider einmal Haussuchung hielten und die vorgefundene Arbeit confiscirten, weil jene nur auf Arbeit in die Häuser gehen durften! Die Schneider, obwohl sonst immer nur dem Fortschritt huldigend, ja oft die enragirtesten Demokraten – in diesem Punkt waren sie die schrecklichsten Reactionaire. Und so ging es in vielen Zweigen der Arbeit: in der Theorie führten die Leute immer das große Wort des Fortschritts, wenn aber Einer in seinem Gewerbe sich beeinträchtigt glaubte, so wehrte er sich mit Händen und Füßen dagegen.
Was damals gekeimt und geblüht hatte, verfiel dem Schicksal aller Märzblüthen – sie verschneiten wieder – aber jetzt, wo der Schnee wieder hinweggethaut, kommt Alles auf's Neue zum Vorschein. Im Stillen ist fortgewachsen und hat sich ausgebreitet, was zu jener Zeit nur Keim war und schießt jetzt in frischen Halmen lustig empor.
Im Dienste der Subjectivität, wie im Dienste der Politik sind die weiblichen Bestrebungen beendet worden, nicht etwa um nun am Ende zu sein, sondern um nach Verirrungen und Prüfungen geläutert und erstarkt wieder neu aufgenommen zu werden im Dienste der Humanität und des Socialismus.
Die Frage von dem Berufe und der Stellung der Frauen ist nicht anders zu lösen als nur auf diesem Wege.
Zu Anfang des Jahres 1865 lenkte eine schon etwas früher gegründete und von Hauptmann A. Korn redigirte »Allgemeine Frauen-Zeitung« die Aufmerksamkeit wieder auf diese Angelegenheiten und zwar geschah dies noch mehr, als derselbe in Leipzig Vorträge über die »Frauenfrage« hielt. In beiden fand sich vieles Gute und Anregende neben manchem Wunderlichen und der Frauennatur Widerstrebenden. Aus letzterem Grunde wollte ich darum lange nichts von einem gemeinschaftlichen Wirken in dieser Richtung wissen und beschränkte mich, dem Herrn Redacteur den Abdruck einiger Artikel von mir in der »Frauen-Zeitung« zu gestatten. Da sich aber andere gleichgesinnte Frauen mit mir zusammenfanden, war ich endlich bereit mich an der Gründung eines »Frauenbildungsvereins« zu betheiligen. Zu diesem Zwecke hielt Frl. Auguste Schmidt, eine ausgezeichnete Lehrerin und Rednerin in Leipzig, einen öffentlichen Vortrag. Unter dem Motto: »Leben ist Streben,« schilderte sie die Nothwendigkeit, daß auch das Weib nicht länger auszuschließen sei von dem allgemeinen Ringen nach Fortschritt und nach einem Beruf, der nicht abhängig sei von dem Zufall der Familienverhältnisse, sondern auch da, wo ihr versagt sei als Tochter, Gattin oder Mutter ein nützliches Dasein zu führen, ihrem Leben einen Gehalt und zugleich einen Schutz gegen die Gefahren biete, denen jedes, und zumal jedes weibliche Wesen verfällt, das nicht im Stande ist, sich selbst durch eigene Arbeit zu erhalten. »Wir verlangen nur, daß die Arena der Arbeit auch für uns und unsere Schwestern geöffnet werde.«
So ward der Frauenbildungsverein in Leipzig gegründet. Gegen einen monatlichen Beitrag erhält jedes Mitglied desselben 3 Billets, die es verpflichtet ist an ihm bekannte Arbeiterinnen oder andere Frauen und Mädchen, die nichts für ein edles Vergnügen erübrigen können, zum Besuch der »Abendunterhaltungen« des Vereins auszugeben. Von denselben wurden jährlich 25 veranstaltet und haben darin nur weibliche Personen Zutritt. Unterhaltung und Belehrung wird hier zugleich gewährt, letztere durch einen Vortrag über ein für Frauen der größeren Kreise passendes Thema aus der Geschichte, Natur, Literatur u.s.w. stets mit specieller Berücksichtigung des Vereinszweckes: Erweiterung des weiblichen Gesichtskreises, Erhebung und Anregung für stille Arbeitsstunden, Erweckung und Stärkung zu freudiger Berufsthätigkeit u.s.w. Deklamation klassischer wie neuerer Gedichte, Pianoforte- und Gesangsvorträge, sämmtlich von Frauen gehalten. Es ist dies zugleich eine Uebung, nicht allein für Dilettantinnen, sondern auch für angehende Künstlerinnen – auch anerkannte lassen sich zuweilen hören; die belehrenden Vorträge werden ebenfalls von Damen gehalten. Sodann ward eine Sonntagsschule für erwachsene Mädchen gegründet. Die Sonntagsschule und die Abendunterhaltungen, geleitet von dem gleichen Princip der Humanität wie der nothwendigen Selbsthilfe, ergänzen einander. Auch hier wird der Unterricht in den Elementarwissenschaften, Französisch und weiblichen Arbeiten von Damen – meist unentgeltlich ertheilt. Sonntagsschulen hatte man für das männliche Geschlecht schon überall als eine Nothwendigkeit erkannt und längst eingeführt, aber für das weibliche fehlen sie fast noch überall und sind gerade doppelt nöthig – wie auch hier der zahlreiche Besuch derselben zeigt. –
In die Statuten des Frauenbildungsvereins war ein Paragraph mit aufgenommen worden, nach welchem eine Frauen-Conferenz von deutschen Frauen der verschiedensten Gegenden in Aussicht gestellt ward. Herr Korn suchte dazu in seiner Frauen-Zeitung zu wirken, da aber auf seine alleinige Veranlassung die Sache sehr zweifelhaft schien, so erließ der Vorstand des Frauenbildungsvereins ein die Conferenz betreffendes Circular an ihm hierzu geeignet scheinende Persönlichkeiten, die zum Theil auch Herr Korn selbst bezeichnete.
Der Vorstand erhielt genügende Anmeldungen und die Frauen-Conferenz kam also Mitte October in Leipzig zu Stande. Herr Korn hatte dazu sehr umfängliche Vorlagen wie Statuten zu einem »großen deutschen Frauenverein« in seiner Zeitung gebracht, die neben vielem Guten und Richtigen so viel Unausführbares, der Frauennatur Widersprechendes und zugleich Komisches enthielten, daß der Leipziger Vorstand gleich in einer Vorconferenz mit Herrn Korn dasjenige strich, was zu dem Komischen