Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

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an sich selbst beginnen. –

      Noch Andere: nur durch die Mütter könnten bessere Zeiten kommen – und noch unzählige Mal mehr variirt sich die Ansicht: ob man hierbei überhaupt zunächst die Lage der Frauen bei den arbeitenden Classen, dem Proletariat oder in den sogenannten höhern Ständen in's Auge zu fassen und auf welchen Punkt man zuerst seine Aufmerksamkeit zu richten habe.

      Nun, ich meine, da die Frage eben eine so brennende, ihre Lösung eine so dringende ist, da sie so Viele, ja Alle angeht und wenn auch noch nicht Alle von diesem Bewußtsein durchdrungen sind, so sind es doch Viele – und da eben diese Vielen mit helfen wollen sich und Andern: so möge man nur überall zugleich getrost angreifen: ein jedes in seinem Kreise und nach seinem besten Wissen und Gewissen, man wird auf diese Weise am sichersten zum Ziele kommen.

      Freilich ist es naturgemäß mit den Kindern zu beginnen – aber nicht allein dem kommenden Geschlecht, es soll auch schon dem jetzt lebenden geholfen werden. Man muß nicht ganze Generationen aufgeben, die auf den rechten Weg zu leiten noch nicht zu spät ist und die auf ihm schon den Segen stiften können, der sonst erst in jungen Saaten langsam sprießt und zu Früchten reift.

      Müssen wir nicht auch erst fragen: wer soll die Kinder erziehen? ohne Zweifel: die Mütter. Und wenn nun eben die Mütter selbst noch nicht erzogen, oder wenn sie noch nicht gebildet, oder was noch schlimmer ist: wenn sie verbildet sind? was hilft dann unsere Antwort und wie ist ein hoffnungsreicher Anfang zu machen? Eine Mutter, welche selbst unselbstständig und engherzig ist, selbst in verrosteten Vorurtheilen feststeckt, kann auch ihre Kinder nicht vor demselben Fehler bewahren, sie wird im Gegentheil ihn in ihnen hegen und ausbilden.

      Wir können und wollen hier keinen pädagogischen Lehrplan geben – aber wir müssen immer und immer wieder darauf aufmerksam machen, daß die größte Verantwortung für das körperliche wie geistige Gedeihen ihrer Kinder auf den Müttern liegt, wie die Töchter namentlich ihrem Einfluß ganz allein überlassen sind und wie Beispiel und Lehren der Mutter – wenn anders nicht schon das Familienleben ein ganz ungesundes und verfallenes ist, ihrem Leben die Hauptrichtung geben.

      Die ersten Seelenregungen des Kindes, das Erwachen desselben zum Bewußtsein seines Ich – sie werden stets zuerst von der Mutter erkannt und beobachtet werden – und wehe dann ihr und ihm, wenn sie es auch in dieser Beziehung nicht mit der größten Sorgfalt zu hüten versteht vor jeder Berührung mit Gegenständen und Eindrücken, die dem weichen, sich erst bildenden Stoff zum dauernden Schaden gereichen könnten. Und trotz dem, daß wohl jede Mutter ihr Kind mit inniger Liebe pflegt und sich ihm widmet, trotz dem daß sie es körperlich vor jedem Unheil zu behüten sucht – trotz dem überläßt sie es oft auf der andern Seite mit unbegreiflichem Leichtsinn Händen, die sie selbst als nicht zuverlässig kennt, von denen sie nur höchstens erwartet, daß sie es vor einem leiblichen Unfall bewahren. Den Kindermädchen sollte man ein eignes Kapitel widmen.

      Gerade das Geschlecht, von dem man behauptet, daß es so viel geringere Fähigkeiten besitze als das andere, gerade das läßt man fast ohne jede Vorbereitung oft an die Erfüllung der schwierigsten Lebensaufgaben gehen! – »Vermiethe dich!« heißt es in den ärmeren Familien zu dem Mädchen, das kaum die Schule verlassen und außer dem genossenen nothdürftigen Unterricht nicht das Geringste gelernt hat – und so stößt man das unwissende Geschöpf in die Welt und heißt ihm – »Kindermädchen« werden. Dazu also findet man auch das unwissendste Kind geeignet: zu wachen über ein sich eben erst entfaltendes, unsterbliches Wesen! Sind nicht die zarten Seelen der Kinder in den Händen eines einfältigen und oft verdorbenen Kindermädchens oft noch mehr gefährdet als ihr körperliches Wohl, und ist es zu begreifen, wie es noch so leichtsinnige Mütter geben kann, die ihre Lieblinge solchen Händen überlassen? – Aber es geschieht, weil es einmal so üblich ist. Man tröstet sich damit, das Kindermädchen sei ja nur da die Kinder anzuziehen, zu warten, in und außer dem Hause, sie in die freie Luft zu begleiten u.s.w., die Mutter könne ja das Alles anordnen und überwachen – sie kann es aber nicht! Sie hält eben ein Kindermädchen, weil es ihre Zeit nicht erlaubt und wohl auch ihre Kräfte es nicht aushielten, die Kinder selbst in's Freie zu tragen, führen oder fahren – aber in diesen oft stundenlangen Abwesenheiten sind die Kinder doch den Mädchen ganz allein überlassen und können hier die schädlichsten Eindrücke in sich aufnehmen, zum Lügen und allen möglichen Fehlern verleitet werden! – Abschaffung der ganzen Sitte solche unwissende und untergeordnete Kindermädchen zu halten, dafür Mädchen zum Dienst bei Kindern wirklich auszubilden, ihnen dann aber auch eine andere Stellung im Hause und zur Familie, die ihr ihre heiligsten Güter anvertraut, einzuräumen und sie nicht als die untergeordnetste Person im ganzen Hause zu betrachten, ist eine unabweisliche Pflicht. Eine Vorbildung hierzu könnten junge Mädchen in Kinderbewahranstalten, Kindergärten und Krippen empfangen, Anstalten, deren Nothwendigkeit sich auch immer mehr herausstellt und die aller Orten meist durch die Thätigkeit der Frauen gegründet worden sind und unter ihrer speciellen Leitung und Obhut stehen. Und damit ist wieder ein großer Wirkungskreis den Frauen geöffnet, nur ist auch hier zu wünschen, daß sie nur selbst und nach eignem Ermessen helfen und wohlthun, daß sie sich nicht dabei von andern, männlichen, namentlich geistlichen Einflüssen einer gewissen Richtung bestimmen und beherrschen lassen, welche so oft geeignet sind Einrichtungen, die bestimmt sind humanen Principien zu dienen und sie in's Leben verwirklicht einzuführen, eine ganz entgegengesetzte Tendenz zu geben.

      Im Beruf der Kindergärtnerinnen und in der Pflege des Kindergartens ruht ein wichtiges Moment zur Selbsthilfe der Frauen und es sollte mehr benutzt werden als es bisher geschehen, da es ja der geniale Gedanke Friedrich Fröbels war: hier die zarten Kinder spielend zu entfalten, den ersten Grund zu künftiger Selbstständigkeit, zu sittlichen Grundsätzen zu legen, die naturgemäße Entwicklung aller Fähigkeiten des Kindes, des ganzen Menschen anzubahnen. Nicht allein Mädchen, die sich dann als Kindermädchen vermiethen wollen, nicht allein solche, die sich dem Beruf des Kindergartens ganz zu widmen gedenken, entweder als Gehilfinnen oder als Dirigentinnen und Eigenthümerinnen eines Kindergartens, sondern auch andere Mädchen, die dies nicht speciell zu ihrem Beruf wählen, könnten hier lernen und wirken. In Hamburg, wo wie in Leipzig Kindergärten bestehen, welche zugleich Vorbildungsschulen für Kindermädchen und Kindergärtnerinnen sind, ist der Vorschlag gemacht worden, daß alle jungen Damen hier nach vollendeter Schulzeit einen Cursus durchmachen und so zugleich nicht nur die beste Vorbereitung zu der Erziehung eigner Kinder, sondern auch für ihre oft nutzlos verbrachten Mädchenjahre einen Lebenszweck finden möchten. Wir unsrerseits finden diesen Vorschlag für künftige Gouvernanten und Mütter sehr zweckmäßig – aber da einmal nicht alle Mädchen beides werden, so empfehlen wir ihn doch nur da, wo er keinem andern Lebensberuf hemmend in den Weg tritt. Viel eher möchten Bräute und junge Frauen einen solchen Cursus durchmachen, als Mädchen, die vielleicht den natürlichen Beruf verfehlen und von denen wir eben verlangen, daß sie sich auf einen solchen vorbereiten, der ihnen zu einer selbstständigen Existenz verhilft. Gewiß giebt es keine Mutter, die ihr Kind nicht liebt, wenn sie nicht anders ein ganz unwürdiges Geschöpf ist – aber gewiß giebt es viele Mädchen, die andere Fähigkeiten und ein anderes Streben in sich tragen als sich mit Kindern zu beschäftigen, und warum will man da mit Gewalt sie zu etwas zwingen, was nicht in ihnen liegt? Wir wollen nicht, daß die Frauen einzig und allein zu Hausfrauen erzogen werden, weil sie dann unglücklich und unfähig für Alles sind, wenn sie es nicht werden, und ganz dasselbe gilt von der Erziehung zur Mutter schon im frühesten Lebensalter. Beides kann von jedem befähigten weiblichen Wesen, dessen Anlagen allseitig ausgebildet sind und das so zu sagen Kopf und Herz auf der rechten Stelle hat, nachgeholt werden, sobald es gebraucht wird, während die Vorbereitungen zu einem andern Beruf, dem man seine Existenz verdanken will, nicht, wie wir schon gezeigt haben, erst da vorzunehmen sind, wo die Nothwendigkeit sich selbst zu erhalten wie ein plötzlicher Schrecken die darauf nicht Vorbereiteten überfällt.

      Konnte man vor zwanzig Jahren noch klagen, daß aller weibliche Unterricht mit der Confirmation aufhöre und daß in einem Alter, wo die Mädchen erst zu denken anfingen, sie der Schule entrissen wurden: so sind jetzt fast überall Fortbildungsschulen wenigstens »für die Töchter höherer Stände,« d.h. selbstverständlich solcher, die es bezahlen können, errichtet worden und in zahlreichen Mädchenpensionaten wird nicht mehr, wie es früher der Fall war, nur jener auf äußere Politur berechnete Unterricht ertheilt, der meist nur in fremden


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