Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte - Louise Otto


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thun wollten – jene Stadtrestaurationen besucht, welche allabendlich die Unterhaltungsstätten der Männer sind. Wir sprechen natürlich nicht von den Orten, die nur der Ziel- und Ausruhepunkt eines Spazierganges sind, sondern von jenen Lokalen, in denen die Männer zusammenkommen um ihre Abende hinzubringen. Wenn wir auch weit entfernt sind etwa dagegen zu eifern daß die Männer dies thun, – obwohl wir es, namentlich bei verheiratheten Männern, nicht schön finden wenn es täglich geschieht, einmal weil eben die Traulichkeit des Ehe- und Familienlebens darunter leidet, dann aber auch, weil so mancher Mann allein durch das Kneipenleben seine Gesundheit und seine Finanzen gründlich ruinirt hat, – so finden wir es doch in der Ordnung, daß der Mann zuweilen an solchen Orten ungenirt mit seinen Freunden verkehre, daß er Bekannte und Freunde dort treffe, die er wo anders nicht sehen könnte. Es sei ihm immerhin Bedürfniß in solcher Weise mit seinen Geschlechtsgenossen sich zusammenzufinden, wie es den Damen ja auch Bedürfniß ist sich zuweilen im traulichen Kreise mit ihren Freundinnen zu begegnen. Aber wenn die Damen die Männer dahin begleiten, wenn sie auch so ihr Vergnügen außer dem Hause suchen und noch dazu an Orten, welche die Männer gerade darum gern betreten, weil sie sich in ihnen frei von jedem Zwang, jeder Rücksicht wissen, weil sie dort Niemand geniren und eben so wenig vor Jemand sich geniren wollen – so finden wir darin allerdings etwas der weiblichen Natur ganz Zuwiderlaufendes sich mit in solche Gesellschaft zu begeben, wo sie gewissermaßen nur die Geduldeten sind und wo es nicht – wie in ihren Privatkreisen – in ihrer Hand ist den herrschenden Ton zu regeln und Hüterinnen der Sitte zu sein. Als vor ziemlich zwei Decennien die Frage der Frauenemancipation zuerst discutirt ward, suchten einige Damen bekanntlich die Bethätigung darin, daß sie die Schranken zarter Sitte übersprangen und es – nicht im Ernst des Strebens und der Arbeit, sondern nur in äußeren Gewohnheiten und Sitten – den Männern gleich zu thun suchten. Sie verbrachten in der Mitte derselben Tag- und Nachtstunden in solchen öffentlichen Lokalen, sie rauchten und tranken mit ihnen um die Wette, kleideten sich zuweilen auch wie sie und ahmten wie gesagt das männliche Geschlecht und zwar nicht einmal in seinen guten Sitten, sondern nur in seinen Unsitten nach. Ein solches Gebahren brachte für lange Zeit die ganze Sache der Frauenemancipation in Mißcredit und wenn man über dieselbe schreiben will, hat man immer noch nöthig, sich gegen jenes Gebahren zu erklären und zu verwahren. Wie im Allgemeinen, so auch in diesem besonderen Falle. Wir wollen, daß die Frauen den Männern ebenbürtig und gleichberechtigt zur Seite stehen, aber nicht, daß sie je dabei ihre Weiblichkeit verläugnen, noch irgend eine Verletzung derselben dulden. Und um das nur an einem Beispiel zu zeigen: wir mißbilligen es, wenn sich eine Dame da, wo es sich nur um Vergnügen und Unterhaltung handelt, unter die Männer drängt und zu diesem Zweck öffentliche Lokale besucht – aber wenn sie das letztere thut durch die Umstände und ihre Berufsverhältnisse genöthigt, so finden wir durchaus nichts Unpassendes noch Unweibliches darin und ist dies nur eine Consequenz derjenigen Selbstständigkeit, welche wir anstreben. Wenn z.B. ein Mädchen durch ihren Beruf aus dem Hause geführt wird, so wird es nicht nur einen vielleicht weiten Weg zu den verschiedensten Tageszeiten allein zurückzulegen haben, sondern es wird vielleicht auch nöthig sein, daß es, um Zeit und Weg zu sparen, das Mittagbrod außer dem Hause einnimmt. Es muß Sitte werden, daß sie das in jedem anständigen Lokal, das an ihrem Wege liegt und dessen Speisekarte und deren Preise ihren Verhältnissen entsprechen, thun kann, ohne deshalb verwunderten Blicken zu begegnen, die sie wie eine Landstreicherin betrachten. So gut sie das in jedem Badeort thun kann, muß sie es auch in ihrem Wohnort thun können. In Städten mit starkem Fremdenverkehr, wie z.B. Dresden, ist es auch bereits ganz üblich geworden, daß alleinstehende Damen allein außer dem Hause speisen, es giebt da sogar mehrere Restaurationen mit besondern Damenzimmern und Damen-table-d'hôte, aber es fällt auch Niemandem auf, wenn einzelne Damen an Tafeln erscheinen, wo eine aus Herrn und Damen gemischte Gesellschaft zu speisen pflegt, denn man ist eben daran von beiden Seiten gewöhnt – in vielen andern deutschen Städten aber, selbst größeren Residenzen, ist man noch nicht so weit vorgeschritten. Ebenso hat man dort Conditoreien, Caffé's und Conzerte, die, weil der Tabacksrauch aus ihnen verbannt ist, vorzugsweise das weibliche Geschlecht anziehen und deshalb auch von jeder Dame allein besucht werden können, ohne daß sie sich einer Mißdeutung aussetzt.

      All' dies setzt eben auch schon eine ökonomische Selbstständigkeit des weiblichen Geschlechts voraus, welche ganz naturgemäß mit dem Recht desselben auf Erwerb zusammenhängt. Weil die frühere Zeit ein solches nicht kannte und sogar durch die Geschlechtsvormundschaft (die in Sachsen zu Anfang der dreißiger Jahre abgeschafft ward, in vielen andern deutschen Staaten aber noch als Hohn aller Gesittung besteht) die Frauen den Kindern gleich stellte, so galt es z.B. überall für passend, daß die Damen von den Herren, nicht nur von ihren Vätern und Männern, sondern auch von Andern, unter deren Schutz sie sich begaben, frei gehalten wurden, oder daß sie, was beinah noch empörender war und namentlich in Gartenconzerten vorkam: gar kein Entrée bezahlten. Mag es sein, daß dies ein Rest von Galanterie aus früheren Zeiten war – in der Nüchternheit der fortgeschrittenen Zeit stand diese Einrichtung in grellem Widerspruch mit der übrigen Rücksichtslosigkeit, welche man gegen das weibliche Geschlecht eingeführt hatte und stellte dasselbe auf eine Stufe mit Kindern und Hunden, welche auch das gleiche Recht hatten, in Begleitung von Herren zu erscheinen, und es kam allmälig dahin, daß man die Damen eben so ungern kommen sah wie jene, da sie nur Platz beanspruchten ohne die Einnahme zu erhöhen. So führte man denn auch hierin eine sociale Gleichstellung durch den Finanzpunkt ein – und es ist nun die weitere Consequenz, daß die Frauen, nachdem man ihnen sehr gern das Recht überall selbstständig zu zahlen zugesprochen, auch das erhalten selbstständig zu erwerben, über das Erworbene zu verfügen und noch sonst alle Rechte, die sich an das Zahlen bei den Männern knüpfen. –

      Ein Mädchen, das sich einer Kunst gewidmet hat, das ein offnes Geschäft verwaltet oder darin thätig ist, das im Eisenbahn-, Post- oder Telegraphen-Bureau u.s.w. mit dem Publikum in Berührung kommt, kann selbstverständlich dabei nicht fortwährend unter der Aufsicht einer älteren Dame sein – man wird sich also daran gewöhnen müssen, ihr auch ohne dieselbe mit Achtung zu begegnen und sie wird ganz von selbst lernen eine Haltung anzunehmen, welche sie vor jeder unwürdigen Begegnung schützt. Sind auch die meisten deutschen Männer weit davon entfernt im schwächeren Geschlecht auch wirklich immer das zartere zu ehren und ihm demgemäß zu begegnen, so wird doch allgemein die Erfahrung lehren, daß die Frauen und Mädchen, die entweder aus übertriebener Schüchternheit oder Prüderie vor jeder männlichen Anrede schon wie vor einem Verbrechen zurückweichen und diejenigen, die den Männern in einer Weise entgegenkommen, die keinen Zweifel darüber läßt, daß sie ihre Aufmerksamkeit erregen möchten – auch allein den Zudringlichkeiten der Männer ausgesetzt sind, indeß diese ein zugleich sittsames aber unbefangenes Betragen, das die Frucht eines edlen Selbstgefühls ist, ganz von selbst im Zaume hält. Als Berufsgenossinnen werden die Männer die Frauen ehren, wenn sie dieselben in einem Beruf tüchtig finden – Liebe, Gefallsucht und Sinnlichkeit werden nicht mehr die einzigen Triebfedern des Verkehrs zwischen Männern und Frauen sein – man wird sich in gemeinschaftlichen Unternehmungen kennen lernen, im Streben nach bestimmten Zielen begegnen und jedenfalls wird man gegenseitig ein richtigeres Bild von einander erhalten, wenn eines das andere bei seiner Arbeit, seiner Berufsthätigkeit beobachten kann, als wenn man sich nur im gesellschaftlichen Putz im Salon vorgestellt wird. Man wird auch auf diesem Wege sich kennen und lieben lernen und glücklich verheirathen. Sollten also etwa die Heirathslustigen beider Geschlechter bange sein, daß ihnen bei einer so veränderten Gestalt der Dinge die Gelegenheit fehlen würde, ein passendes Eheband zu schließen, so bedarf es nur einiger Ueberlegung um sich zu sagen, daß man beiderseits vielmehr vor Täuschungen und Enttäuschungen bewahrt sein wird, wenn man im Ungefähr des Geschäfts- und Berufsverkehrs sich kennen lernte statt im Ballsaal, den jedes Mädchen nur betritt um zu gefallen und wo es die gesellige Pflicht aller darin Erscheinenden ist sich einander in jeder Beziehung nur von der liebenswürdigsten Seite zu zeigen.

      Der Selbstständigkeit des weiblichen Geschlechtes widersetzen sich viele Frauen und Männer nur darum, weil sie meinen das Familien- ja das Staatsleben könne darunter leiden, die Frauen könnten die schönsten Eigenschaften weiblichen Wesens verlieren wenn sie mehr als bisher zur Selbstständigkeit erzogen, wenn sie in Wahrheit selbstständig würden. Wir aber erwarten gerade das Gegentheil davon, wenn nämlich, wie schon angedeutet, die Erziehung auch eine solche ist, wie sie sein soll, eine, welche den Charakter zu unterstützen


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