Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

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weil diese, der kleinlichen Bevormundung enthoben, nicht nur ihren Lern- und Bildungstrieb befriedigen, sondern auch ihr Leben in ganz anderer Weise ungestraft genießen dürfen. Was man an den Töchtern oft mit Recht – auf das Strengste rügen würde, wird den Söhnen, – oft mit eben so viel Unrecht, nachgesehen – seufzend oder lächelnd – das Nachsehen bleibt immer dasselbe – und verdirbt in den meisten Fällen die Knaben, wenn nicht wirklich sittlich, doch zu rohen egoistischen Männern und den Mädchen flößt es Unzufriedenheit ein mit der eigenen Lage oder Verbitterung gegen das männliche Geschlecht.

      Jene Ungleichheit im Kostenpunkt zwischen Töchtern und Söhnen soll freilich dadurch ausgeglichen werden, daß wenn eine Tochter heirathet, dieselbe eine Aussteuer mit bekommt, die, je nach den Verhältnissen, mehr oder weniger kostspielig ausfällt. Aber wenn sie nun nicht heirathet? – dann wird nicht daran gedacht sie irgendwie zu bedenken, ja, wenn die Ausstattung der einen Schwester vielleicht gerade darum, weil sie eine »gute Partie« macht und man nicht allein der Welt, sondern auch dem Bräutigam gegenüber den Schein des Reichthums bewahren will, tausend Thaler und mehr betragen mag, wird die unverheirathet bleibende Schwester nicht einmal wagen dürfen auf ein paar hundert Thaler Anspruch zu machen, um sich dadurch irgend eine selbstständige Existenz zu gründen. Dann stirbt vielleicht der »Versorger« der Familie, sie hat vergebens auf einen neuen für sich gewartet und das karge Erbe wird dann gleich getheilt zwischen ihr und den verheiratheten Schwestern, welche ihre Ausstattung voraus und den Brüdern, deren Studien eben so viel und mehr gekostet haben. Vielleicht bietet ihr dann eines dieser versorgten Geschwister in seinem Hause eine Freistatt und das Gnadenbrot an, das sie mit tausend Demüthigungen und Selbstüberwindungen dankbar hinnehmen muß – und dann wundert man sich noch über die Verbitterung solcher »alten Jungfern!« –

      Solches Frauenloos gleichsam vorausahnend wird fast allgemein die Geburt eines Knaben für ein größeres Glück angesehen wie das eines Mädchens – die Taufe wird dann mit dem dieser Anschauung entsprechenden Pomp gefeiert. Da es sich dabei um die Fortsetzung des Familiennamens handelt, so mag in dieser Beziehung die Sache ihre Berechtigung haben, aber auch wenn schon ein Stammhalter da ist, werden die Knaben gewöhnlich willkommener geheißen als die Mädchen – oder wenn dies einmal bei unbemittelten Familien nicht der Fall ist, so »tröstet« man sich über die zahlreichen Töchter nur deshalb: »weil sie nicht so viel kosten« als die Söhne, d.h. man beabsichtigt gleich von Anfang an, nichts an sie zu wenden. In den Mädchen erblickt man eine Stütze im Hauswesen; indeß die Knaben frei herumschwärmen dürfen, daheim die Gebieter spielen und meist für zu gut gehalten werden, Gänge im Interesse des Hauswesens zu besorgen, geschweige denn die geringste Handreichung zu thun, müssen die Schwestern nicht nur als Helferinnen der Mutter im Hauswesen, in der Wartung kleinerer Geschwister sich tummeln oder mit Stricken und Nähen die Freistunden ausfüllen, welche ihnen die Schule läßt, sondern sie müssen auch oft geradezu die Brüder bedienen und wenn sie auch täglich, wie wir es oft gehört, ärgerlich dagegen protestiren sollten.

      Kommen nun die Söhne aus dem Hause, so gestalten sich die Verhältnisse oft noch um Vieles greller. Die Töchter der minder Wohlhabenden müssen entbehren, damit die Söhne nicht nur studiren, sondern dabei auch verprassen können, was der Fleiß der Eltern erworben. An die Ausbildung der Mädchen wird nichts gewendet, sondern nur an die der Söhne – und wie die gegebenen Verhältnisse nun einmal sind, kann man immerhin sagen, daß die Sache einige Logik hat, da man sicher darauf rechnen kann, daß das an die Söhne gewandte Capital sich wenigstens wieder für diese selbst verinteressirt, während die Mädchen, wenn sie nicht durch außerordentliche Begabung zu Künstlerinnen auf diesem Gebiete Erfolg haben, doch nur geringe Vortheile von all' ihren Kenntnissen und Fertigkeiten ziehen können. Daß die Söhne viel kosten, gilt als selbstverständlich – was aber die Töchter kosten, wird ihnen oft als etwas sehr Ueberflüssiges vorgeworfen. Was den weiblichen Putz betrifft, so ist es wahr, daß die Mode oft übertriebene Ansprüche macht und daß auch in dieser Beziehung ein Luxus eingerissen, den wir nur verderblich nennen können, – es muß aber auch gesagt werden, daß dieser Luxus bei den Männern gar nicht geringer ist, nur daß er hier weniger in die Augen, desto mehr aber in den Geldbeutel fällt und daß bei ihm gar keine Ersparnisse zu machen sind, wie z.B. bei der weiblichen Toilette durch Selbstarbeit die Umgehung des Macherlohns und durch die Fähigkeit der weiblichen Kleidungsstücke, sich aus einem in das andere verwandeln und wieder aufarbeiten zu lassen, durch Wenden, Waschen und Färben, wie z.B. ein altes Kleid oft noch ein neues Kleid, Blouse, Schürze, Mantille u.s.w. giebt oder doch Futter und Kinderkleider, während abgetragene Männersachen keine Reparatur vertragen und fortgeschafft werden müssen. Es ist dies etwas sehr Wesentliches den Vorwürfen gegenüber, welche der weiblichen Putzsucht gemacht werden. Nehmen wir den gebildeten Mittelstand an, so müssen wir auch bedenken, daß meist eben der Putz und seine Selbstverfertigung die Hauptbeschäftigung, Freude und Ausgabe der Mädchen ist. Ihre andern Unterhaltsbedürfnisse sind äußerst gering und sie können schon sehr elegant gekleidet sein, ehe das, was dabei überflüssig ist, nur annähernd die Summe erreicht, die ihre Brüder in Wirthshäusern oder für andere Dinge verschleudern, die eben so überflüssig sind und oft noch zweckloser, die aber den Männern zu Gute gehalten werden, indeß man jede Frau verachten würde, die so leichtsinnig ihr Geld hinwürfe und Schulden machte. Dies ist auch ein sehr wichtiger Punkt.

      Das leichtsinnige Schuldenmachen der Studenten z.B. wird für Nichts geachtet und gilt wohl bei ihnen selbst als ein geniales Unterscheidungszeichen vom Philister, als ein Freisein vom Zwang des Zopfes – indeß es in Wahrheit wie so Manches im Studententhum nichts Anderes ist als ein Rest mittelalterlicher Rohheit. Als vor Jahrhunderten die Studenten mit dem Degen an der Seite durch die Straßen schritten, Jeden zur Seite stießen, der ihnen auf »den breiten Steinen« nicht respektvoll auswich oder mit Sporenstiefeln niedertraten, wer ihnen gerade in den Weg kam, den niederstachen, der ihnen widersprach oder ihre Unziemlichkeiten rügte, als sie alle gute Sitte und allen Anstand verhöhnten und für den ruhevollen Bürger den Spitznamen »Philister« aufbrachten: – damals machten sie allerdings weniger Schulden wie jetzt, weil sie sich gleich für berechtigt hielten auf Anderer Kosten zu leben, es für geziemend galt, andere ehrliche Leute zu betrügen, für eine Bravour, sich wohl gar das ohne Umstände zu rauben, was man gerade begehrte und sich dann der Genialität seiner Einfälle und Kunststückchen zu rühmen. Davon ist nun noch etwas am Studententhum hängen geblieben, nur daß man sich doch auch darin wie in andern Dingen einigermaßen cultivirt hat. Bei den Handwerkern, Wirthen und andern »Philistern« werden Schulden gemacht mit der guten Absicht sie dereinst zu bezahlen, öfter in der Voraussetzung, daß der »Alte« sie bezahlen werde. Im Allgemeinen geschieht dies Schuldenmachen mit der alten Rücksichtslosigkeit gegen die Gläubiger, wie gegen die eigne Familie. Die jungen Männer sind selten, die sich die Sorgen der Ihrigen vergegenwärtigen, an die Entbehrungen denken, die durch ihren Leichtsinn und ihre Verschwendung die übrigen Glieder der Familie sich auferlegen müssen – noch viel seltener aber sind diejenigen, welche auch daran denken, welches Unrecht sie an ihren Gläubigern thun, wie schon manche rechtliche Handwerkerfamilie in die größten Sorgen, ja an den Bettelstab gekommen durch zu gutmüthiges oder langes Creditgeben. Dieses überhaupt Nichtweiterdenken als an die Befriedigung der nächsten augenblicklichen Bedürfnisse, diese egoistische Unüberlegtheit (wir sprechen hier immer noch von den Besseren, denn bei den Schlechteren geschieht freilich das Schuldenmachen oft mit großer Ueberlegung), die man den jungen Männern so leicht verzeiht, wird nur zu oft eine Gewöhnung für's Leben und bildet den ersten Keim zu so vielen untergehenden Existenzen, wo sonst geachtete Männer auch noch als Familienväter die jugendliche Gewohnheit des Schuldenmachens weder aufgeben können noch wollen und selbst ihr Rechtsgefühl mit Scheingründen beruhigen, mit dem Spruch: Jugend hat nicht Tugend! oder vom brausenden Most, der überschäumt oder dem jungen Roß, das nach allen Seiten ausschlägt – bis sie endlich als Betrüger, Selbstmörder oder Bettler enden. Und nicht von den Studirenden allein gilt das Meiste des Gesagten: wie viele junge Handlungsbeflissene, Künstler, Oekonomen u.s.w. giebt es doch, die nicht weniger in den Tag hineinleben und wie viel berichten nicht täglich die Zeitungen aus diesen Kreisen über leichtsinnig ausgestellte oder gar – gefälschte Wechsel, über Cassenangriffe und Geldunterschlagungen – Dinge, die gewöhnlich die Folge von Ausgaben sind, welche die Einnahmen weit übersteigen?

      Man sage nicht, daß dies nicht hierher gehöre – um die Frauen und ihr Loos richtig beurtheilen


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