Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte - Louise Otto


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billiger sei (zu ihrer Zeit war es ja auch so!) und die Frau wagt kaum zu sagen, was ihre Küche kostet, weil ihr dann noch vorgeworfen wird: sie verstehe nur nicht so billig zu kaufen und zu wirthschaften, wie einst die Schwiegermutter. So wird oft aus lauter Liebe und Rücksichtnahme der Mann selbst in Bezug auf die Kostspieligkeit seiner ersten Forderung: gutes Essen, getäuscht, wie viel mehr nicht über die der weiblichen Familienglieder: gute Toilette. Die Preise aller einzelnen Gegenstände, welche sie bilden, sind so verschieden, daß wohl die wenigsten Männer hier den richtigen herausfinden werden, wenn ihnen ein billigerer gesagt wird – und um dies zu können, suchen die Töchter solcher Väter sich heimlich ein Taschengeld zu verdienen, um davon das Deficit ihrer Putzrechnungen decken zu können. So herrscht im gepriesenen deutschen Familienleben, an dem beileibe Niemand wagen darf zu rütteln, weil man das für einen Angriff auf die »Heiligkeit« der Familie erklärt, ein völlig ausgebildetes Hintergehungssystem, das sich natürlich fortpflanzt von Geschlecht zu Geschlecht und sein Gift von einem Kreis in den andern überträgt. Die Hausväter fürchten ihren Credit zu verlieren, wenn man erfährt, daß ihre Töchter für Geld arbeiten und geben das nicht zu, die Mütter fürchten aus gleichem Grunde, daß sie dann keinen Mann bekommen und lassen das Arbeiten heimlich geschehen – und um dies Alles noch zu unterstützen, versuchte jüngst eine deutsche Schriftstellerin in einer deutschen Residenz die Gründung eines »Bazars,« für welchen »Beamtentöchter« unter der Garantie, daß Niemand ihre Betheiligung daran erführe, arbeiten sollten! – Es sollte hierdurch wohl der schädliche Brauch vermieden werden, daß diejenigen, welche nicht von dem Verdienst ihrer Arbeit leben müssen, dieselbe gar noch billiger als Andere abliefern, weil sie die Arbeit nur als »Zeitvertreib« verrichten – aber das verwerfliche Lügensystem, die unmoralische Anschauung, sich der Arbeit zu schämen, bekam dadurch nur einen neuen Beitrag.

      Zum Glück sind nicht alle Eltern so verblendet, nicht alle Mädchen so thöricht. Aber wie wenig Gelegenheit finden sie zum Erwerb, auch wenn sie denselben suchen wollen mit Aufgabe ihrer häuslichen Existenz!

      Die meisten Mädchen, die eine oberflächliche Erziehung genossen haben und nicht so weit vorgebildet sind, um eine Stelle als »Gouvernante« ausfüllen zu können, suchen eine solche als »Bonne« oder »Erzieherin,« oder »Mamsell,« wie der andere Kunstausdruck lautet. Kommt ein solches Mädchen, das von Allem etwas und meist Nichts ordentlich gelernt hat, in eine Familie, so weiß man dann oft nicht, ob man mehr die Familie bedauern soll, welche einem so dilettantenhaft gebildeten Mädchen die Aufsicht über ihre Kinder, wohl gar deren Erziehung anvertraut, – oder das Mädchen, das tausend Ansprüche an sich gemacht sieht, die alle zugleich zu befriedigen fast eine Unmöglichkeit ist! Wie fast immer im planlosen Frauenleben, entscheidet auch hier nur der Zufall, natürliche Begabung und der gute Wille, ob in irgend einer Weise ein günstiges Resultat erreicht wird.

      Betrachten wir uns doch einmal diese Verhältnisse ein wenig näher. Wer eine »Bonne« engagirt, wünscht gewöhnlich Gouvernante, Kammerjungfer und Kindermädchen in einer Person zu vereinigen. Es sind einige kleine Kinder im Hause, die noch nicht oder nur zum Theil das schulpflichtige Alter erreicht haben. Die Mutter ist abgehalten sich ihnen ganz zu widmen – im schlimmern Falle durch Bequemlichkeit und gesellige Bedürfnisse, im bessern durch einen mit dem Geschäft des Mannes verknüpften großen Hausstand, durch Kränklichkeit oder ein kleines, vielleicht auch kränkliches Kind. Wir verdenken ihr dann nicht, daß sie sich nach einer Gehilfin umsieht; es ist sogar ihre Pflicht, es zu thun, sobald es die Verhältnisse erlauben. Eben so wenig verdenken wir ihr, daß sie statt einer vorurtheilsvollen, vielleicht abergläubischen Kinderfrau, oder eines leichtfertigen Kindermädchens, ein Mädchen von besserer Bildung wünscht, dem sie vertrauensvoll die Kinder überlassen kann. Nehmen wir also an, daß ein Hausmädchen existirt für die Küche, Wäsche und andere gröbere Arbeiten und für das kleinste Kind eine Amme oder ein Kindermädchen, das ausschließlich von dessen Bedürfnissen in Anspruch genommen wird. Was wird nun von der Bonne Alles verlangt? Sie muß bei den größern Kindern schlafen, früh sie wecken, ankleiden helfen und den ganzen Tag über beaufsichtigen. Sie muß Französisch verstehen, um es den Kindern »spielend« – wie der Kunstausdruck lautet – mit zu lehren, außerdem aber Schneidern, Putzmachen, Gardinen aufstecken, plätten, nähen und alle weiblichen Handarbeiten verrichten, Alles besorgen, was zur Kleidung der Kinder und zur Haustoilette der Hausfrau gehört; vielleicht muß sie diese auch frisiren und ankleiden, wenn nicht täglich, doch für die Gesellschaft. Vielleicht muß sie auch mit bei der Wäsche helfen, stärken und mit auf die Rolle gehen, in der Küche jedenfalls, wenn es etwas mehr als gewöhnlich zu thun giebt. Außerdem muß sie mit den Kindern spazieren gehen und immer bereit sein »spielend« ihre Anliegen und Einfälle zu befriedigen: ihre Puppensachen nähen, ihre Spiele leiten, Alles aufräumen, was sie herumwerfen, für Alles stehen, was sie zerreißen oder sonst umbringen, wo möglich jeden Schaden wieder heilen, den sie anrichten und das Alles mit der liebevollsten und freundlichsten Miene – denn dazu hat man sie ja! Selten darf sie den Kindern etwas verbieten, abschlagen, noch weniger sie bestrafen, dazu haben die Eltern allein das Recht. Sind aber die Kinder unartig, so fällt die Hauptschuld allein auf die Bonne. Dies letztere bezeichnet schon den Standpunkt, den sie im Hause einnimmt. Wenn die Kinder mit am Tische essen, so hat sie das gleiche Recht – gewiß aber verschwindet sie mit ihnen, wenn Besuch kommt. Diesem gegenüber wird sie nicht besser als jeder Dienstbote behandelt; sie darf nur im Zimmer erscheinen, wenn sie zum Serviren, zur Theebereitung u.s.w. gebraucht wird und dann sitzt sie nicht mit am Tische, sondern hält sich abseits in einer dunkeln Ecke oder am Büffettisch auf. Die Besuchenden wissen kaum, ob es vergönnt ist sie zu grüßen. So wie von der Herrschaft wird sie auch von der Dienerschaft behandelt. Niemand thut ihr eine Handreichung, sie mag sich Alles selbst machen – ist aber etwas versehen, so wird sie von beiden Seiten dafür verantwortlich gemacht. Wenn die Dienstmädchen etwas verdorben oder vergessen haben, schieben sie es auf die »Mamsell« hinter ihrem Rücken oder sagen ihr in's Gesicht: sie hätte es ja wissen oder thun können, »die Madame« habe es ihr gewiß gesagt – und diese wirft ihr wieder vor: sie habe doch auf die Mädchen aufpassen können u.s.w., ohne sich darum zu kümmern, daß jene geradezu sagen: die Mamselle »habe ihnen nichts zu befehlen.«

      Nehmen wir nun auch an, daß ein geschicktes Mädchen schon in der eignen Familie sich die meisten Fertigkeiten aneignen kann, die als Mamsell von ihr gefordert werden, so muß sie doch wenigstens Französisch, Clavierspiel, vielleicht auch Schneidern und Putzmachen erst durch bezahlten Unterricht gelernt haben und überhaupt einen Grad der Bildung besitzen, der sich entweder nur durch Erziehung im Schooße einer gebildeten Familie oder sehr schwer in anderen wechselnden Verhältnissen erreichen läßt. Keineswegs also ist jedes Mädchen zu einer solchen Stellung befähigt und wenn es auch keiner allzugroßen Vorbereitung dazu bedarf, so ist doch immer für die einzelnen Zweige Lehr- und Stundengeld aufgewendet worden, das sich nun verinteressiren muß. Es sind die Töchter von Beamten, Pastoren, Advocaten, Künstlern, Privatgelehrten und kleinen Kaufleuten, die nach einem solchen Lebensunterhalt streben, entweder weil das Einkommen der Väter nicht ausreicht sie zu ernähren, oder weil sie denselben verloren haben.

      Und was ist nun bei Bildungsgrad, Leistungsfähigkeit und Behandlung wie geschildert, meist der Lohn für solche Mühsal? – Die Feder sträubt sich es zu sagen!

      Sechzig bis achtzig, höchstens hundert Thaler jährlich – dazu kommen im besten Falle noch Weihnachtsgeschenke, aber fast nie wird das Gesammteinkommen viel über hundert Thaler betragen. Dafür wird nicht nur die ganze Freiheit – es giebt keine Ferien und Feiertage, von den letzteren gestattet vielleicht einer um den andern einen Kirch- und freien Ausgang – und die ganze Arbeitskraft eines Mädchens verkauft, sondern es wird auch »anständige« Kleidung gefordert, deren Verbrauch bei den vielen wirthschaftlichen Leistungen und der Kindernähe kein geringer ist, indeß meist die Zeit fehlt, für sich selbst zu nähen und auszubessern.

      Und wenn irgendwo eine solche Stelle angekündigt wird, findet leicht eine Concurrenz von hundert Bewerberinnen statt!

      Daraus kann man schließen, wie viele Mädchen es giebt, die zu einem solchen Erwerb genöthigt sind, genöthigt sich für den schlechtesten Gehalt auch noch der schlechtesten Behandlung Preis zu geben!

      Fast giebt es kein Verhältniß, in dem die Arbeitskraft des Mannes in gleichem Grade ununterbrochen in Anspruch genommen würde, als es in der geschilderten


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