Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

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oder die Dienerin – keine Ruhestunden kennen darf. Diese Einrichtung beruht aber meist nur in einer mangelhaften Zeiteintheilung, durch welche die Nothwendigkeit, zuweilen müßig zu warten und die üble Gewohnheit warten zu lassen, entsteht. Wenn man die mitten im häuslichen Walten und Schalten so verwartete und vertrödelte Zeit nur allein zusammenrechnet, die verlornen Minuten, deren Flucht man kaum bemerkt, und nun vollends die Stunden, die durch zwecklose und selten unterhaltende Besuche, sowohl im Abstatten als Empfangen derselben verloren gehen, so kommt eine ansehnliche Tageszeit heraus, von der eine nützliche Anwendung gemacht werden könnte. Die Zeit ist ein Capital, das man am allersorgfältigsten hüten sollte. Es gilt darum doppelt für das weibliche Geschlecht, dieselbe nicht allein zusammenzunehmen, sondern sie auch für sich selbst höher zu verwerthen, d.h. etwas zu lernen und zu treiben, das für die Zukunft diese höhere Verwerthung sichert. Die Sitte, die meiste Frauenarbeit und alle weiblichen Leistungen so schlecht, wie es geschieht, zu bezahlen, entsteht einmal aus der übergroßen Concurrenz in den wenigen ihr bisher zugänglichen Fächern, andererseits aus dem Pochen auf die Mäßigkeit und Anspruchslosigkeit des weiblichen Geschlechts, das mit Wenigem zufrieden ist, weil – es dies sein muß.

      In den gebildeten Ständen finden die Töchter nur in der Kunst, in der Literatur und im Lehrfach für sich eine Quelle des Erwerbes. Aber wehe den Unglücklichen, die sich nur um des Erwerbes willen, ohne Begeisterung und ohne Talent dahin wagen. Sie werden es im besten Falle kaum zu mittelmäßigen Leistungen bringen – und wenn man namentlich über so viele beim Theater untergehende, in der Literatur nur das Oberflächlichste leistende Frauen klagt, so liegt der Schlüssel dazu darin: alle diese hätten sich nie auf der Bühne oder in der Literatur versucht, wenn ihnen ein andrer Beruf zugänglich gewesen wäre.

      III. Die Familie und ihre Pflichten

       Inhaltsverzeichnis

       Die Ehe, menschliche und weibliche Bestimmung. Die Stellung der Töchter in ihr neben den Söhnen.

      Wenn zwei Menschen sich vereinigen, um zusammen durch's Leben zu gehen und eine Familie zu bilden, so sollten sie sich auch den ganzen Ernst dieses Schrittes vergegenwärtigen und zwar nicht erst im letzten Moment am Tag vor der Hochzeit oder in der Kirche bei der Trauung, sondern lange vorher. Wenn die Liebe das Ehebündniß schließt, so ist das Gefühl des Glückes, einander nun ganz gehören zu dürfen, an einem längst ersehntem Ziele zu stehen, doch zu groß und aufregend, um sich da des gethanen Schrittes in seiner ganzen Größe bewußt zu werden – und auch wo dies Bewußtsein kommt, kann es ja nur noch gute Vorsätze und heilige Gelübde mit sich bringen, aber nichts mehr vorbereiten und ändern. Und dreimal wehe da, wo die Liebe auf der einen oder andern Seite nicht das Band geschlungen – wo es nicht wie Schauer der Seligkeit, sondern wie Schauer des Elends durch den Körper rieselt, wenn das bindende Ja ertönt – und wehe auch denen, die in dieser Stunde sich erst klar werden über das, was sie gethan – für Alle aber, ob Glückliche oder Unglückliche, ist es doch zu spät, all' die neu übernommenen Pflichten erst einer Prüfung zu unterwerfen, ob man auch fähig sei sie zu üben – diese Vorbereitung sollte vorhergegangen sein und zwar nicht allein bei dem Mädchen, sondern auch bei dem Manne.

      Wir sind ein- für allemal dagegen, daß bei der Schließung einer Ehe die äußeren Verhältnisse den Ausschlag geben. Wir haben schon im Voraus jede Ehe für unsittlich erklärt trotz Trauschein und Priestersegen, wenn ihr das höhere Motiv der Liebe fehlt. Aber wir meinen damit auch nicht die Liebe, welche nur in den Sinnen wurzelt und nur geschlossen wird, um das Verlangen der Leidenschaft zu befriedigen; auch sie kann nicht bestehen vor dem Richterstuhl wahrer Sittlichkeit, welche verlangt, daß zwei Wesen nur dann auch körperlich Eins werden, wenn sie es vorher geistig, wenn sie es mit Herz und Seele geworden; und in sofern finden wir in der kirchlichen Weihe der Ehe ein symbolisches schönes Moment, welches die geistige Heiligung des Bundes andeuten soll, der eben auf höheren Principien zu ruhen hat als allein auf dem eines bürgerlichen Vertrags.

      Freilich tritt die Liebe auf in so verschiedenen Gestalten und Graden, daß die Frage: was ist Liebe? und wer liebt wahrhaft? hier eigentlich erst aufzuwerfen und zu beantworten wäre, ehe wir es wagen sollten zu warnen, zu beklagen oder zu verurtheilen – aber man weiß, daß in der Liebe so zu sagen jedes Herz nicht allein seinen eignen Gott, sondern auch seine eigne Religion hat und daß von je alle Versuche, das Wesen der Liebe zu definiren, vergeblich waren! Ob die eigne Liebe echt oder unecht sei, das freilich kann Niemand, der sich im Bann einer Leidenschaft befindet, unterscheiden – aber das wenigstens wird sich beurtheilen lassen, ob man überhaupt liebt oder nicht, und nur darauf wollten wir hier Rücksicht nehmen.

      Wenn ein Mädchen erst zu einer Ehe überredet werden muß, wenn es den Bewerber gleichgültig kommen und gehen sieht, wenn es aus irgend einem andern Grunde als dem der innigsten Zuneigung das Versprechen der Ehe giebt, so handelt es thöricht oder gewissenlos; dann wäre es Pflicht, statt es in einem solchen Vorhaben noch zu bestärken, ihm dasselbe auszureden und vor allen Dingen aber statt die Einzelne die Allgemeinheit in's Auge zu fassen und dafür zu sorgen, daß die Anschauungen und Zustände umgestaltet werden, welche es veranlassen, daß oft die besten und edelsten Mädchen gerade noch meinen, es sei kein Unrecht, sondern wohl gar noch eine Heldenthat, sich selbst zu bezwingen und die Hand ohne das Herz zu verschenken – etwa um durch den künftigen Gemahl alten Eltern eine Stütze zu geben oder ihre Sorgen zu mindern oder für sich selbst einen passenden Wirkungskreis zu finden oder eine geachtete Stellung in der Welt – oder um die Lehre von der weiblichen Bestimmung zu erfüllen.

      Wenn man hier die Anschauungen dahin geändert hat, daß die allgemein menschliche Bestimmung: Gutes zu thun, sich selbst zu vervollkommnen und ein nützliches Glied im großen Menschheitsverbande zu sein, über die specifisch weibliche geht: nur Gattin und Mutter zu werden um jeden Preis – und wenn man solche Zustände herbeigeführt hat: daß ein erwachsenes Mädchen sich selbst erhalten kann und ihren Eltern keine Last zu sein braucht, daß sie vielmehr mit der Zeit selbst ihnen eine Stütze sein kann durch ihre eigne Arbeit und Erwerbsfähigkeit und wenn sie eben dadurch es zu einer geachteten selbstständigen Stellung in der Welt bringen kann: – dann werden wohl immer noch aus Selbsttäuschung und Leidenschaft solche Ehen geschlossen werden, die nach beendetem Rausch sich zu einem traurigen Verhältniß gestalten –: es werden auch noch genug Ehen aus niedrer Speculation geschlossen werden, denn Frauen werden ihr eben so oft unterliegen, wie wir ja auch die Männer ihr unterliegen sehen – aber man wird dann ein Recht haben das Handeln der Frauen eben so verächtlich zu finden, wie das der Männer, die um reiche oder vornehme Mädchen werben, um durch sie ihre Carriere zu machen – man wird für die Selbstopferung eines Mädchens keine Beschönigung mehr suchen in edlen Eigenschaften und Beweggründen und man wird in der That keine mehr finden, um einen Meineid am Altar noch ferner zu entschuldigen.

      Aber wenn wir uns gegen jede Schließung einer Ehe ohne Liebe erklären, jedes andre Motiv zur Ehe verwerfen, als die gegenseitige Sehnsucht zweier Seelen, die sich durch Achtung und Zärtlichkeit an einander gekettet fühlen, diesen Bund für's Leben zu schließen, weil sie sich eine getrennte Existenz nicht mehr zu denken vermögen: so müssen wir doch wiederholen, wovon wir im Anfang ausgingen: daß wenn sich zwei Menschen verbinden wollen eine Familie zu gründen, sie sich dieser hohen Aufgabe bewußt sein müssen.

      Auf der Heiligkeit und Sittlichkeit der Familie beruht das ganze Heil und die ganze Sittlichkeit der Nation und sie zu wahren, über sie zu wachen, sollte darum die allgemeine Aufgabe sein, die aber am nächsten an diejenigen herantritt, welche den Bund der Ehe schließen.

      Wenn wir die Liebe als diejenige Macht bezeichnen, ohne welche wir ein Ehebündniß von vornherein als ein unsittliches und unseliges erklären, so ist es ja eben die Erfahrung, welche den Satz hinstellt, daß die Liebe allein auch noch keine Garantie giebt für das Gedeihen einer Familie, sondern daß die Verhältnisse, oder wie wir lieber sagen möchten, der Wille, welcher die Verhältnisse beherrscht, dabei auch mit in Frage kommen muß. Diese Erfahrung ist es aber wieder, welche den »Verhältnissen« leicht eine zu große Macht einräumt, welche es verschuldet, daß Ehen aus Berechnung statt aus Liebe geschlossen werden – und das ist es ja, wogegen wir kämpfen.

      In


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