Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

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und erwerben und daß sie auch in der Ehe beide thun müssen, was sie unverheirathet gethan: fortarbeiten für den Erwerb. Ein Gleiches auch in den höheren Ständen einzuführen ist unser Streben. Wir haben schon im ersten Abschnitt gezeigt, wie dasjenige Mädchen, das einen Beruf, einen Lebenszweck hat, das sich selbst erhalten und Andern nützen kann, sich nur aus Liebe verheirathen wird. Daß sie dann, wenn sie sich bewußt ist ihrem Mann einen Theil seiner Sorgen für die gemeinschaftliche Existenz abnehmen zu können oder, wo dies nicht nöthig sein sollte, doch eben die Fähigkeit dazu besitzt, sich gesicherter fühlt gegen alle Wechselfälle des Geschicks, als ohne dies Bewußtsein. Dies allen Mädchen und Frauen zu geben ist der Zweck unsers ganzen Strebens, nur dadurch können sie wahrhaft befreit werden – jeder Emancipationsversuch, der auf einer andern Basis ruht, ist – Schwindel.

      Es müssen darum, da, wie wir im vorigen Abschnitt zeigten, die gegenwärtigen Erwerbsquellen für das weibliche Geschlecht unzureichend sind, demselben neue geöffnet werden, aber was noch wichtiger, es müssen auch die Mädchen zu der Benutzung derselben vorbereitet werden.

      Ein Familienvater, der, sei es nun als Staatsbeamter oder in einem Fabrik- oder andern Geschäft, einen anständigen Gehalt, eine bestimmte Einnahme im Jahre hat, wird vor allen Dingen darauf bedacht sein, seinen Kindern eine gute Erziehung zu geben, er wird Alles, was ihm nach Befriedigung der nöthigen Lebensbedürfnisse übrig bleibt, auf ihre Bildung verwenden – denn die Verhältnisse sind heutzutage selten, welche den Familienvätern gestatten ein Kapital für ihre Kinder zurückzulegen und es hat auch gegenwärtig mehr als je der Satz seine Berechtigung: Fertigkeiten und Kenntnisse sind das beste Kapital. Aber darum muß auch dieses ein gewissenhafter Familienvater seinen Kindern zu gleichen Theilen zukommen lassen, er muß sie damit so gleich bedenken, wie er sie in seinem Testament bedenken würde. Das Erbe zwischen Söhnen und Töchtern ungleich zu vertheilen – wir lassen die mittelalterlichen Bestimmungen der Majorate und Fideicommisse als allmälig doch zu überwindende Einrichtungen beiseite – würde man als schreiende Ungerechtigkeit verurtheilen – dagegen aber, daß an die Ausbildung der Söhne Alles, an die der Mädchen fast nichts gewendet wird, erheben sich nur sehr wenige Stimmen. Auch diejenigen Eltern, die Hunderte jährlich an ihre Söhne wenden, thun dies meist auf Kosten der Töchter – an ihnen muß erspart werden, was jene verbrauchen. Für die Knaben wird und muß immer Rath geschafft werden, sie zum Weg durch's Leben vorzubereiten – für die Mädchen macht man sich keine Sorgen, die überläßt man ihrem Schicksal! Oder wenn es die Mittel erlauben, so thut man sie vielleicht auch ein Jahr nach der Confirmation in ein Institut, in dem sie oft nur lernen sich in hohlen Formen zu bewegen und neben reicheren Genossinnen Ansprüche zu machen, die weit über ihre Verhältnisse hinausgehen. Man läßt sie vielleicht, sei es in oder außer dem Institute, Sprachen, Musik und Zeichnen lehren, aber Alles nicht gründlich, sondern nur, um auch durch den untergeordnetsten Dilettantismus sich den Anstrich der Bildung zu geben, um damit sich das Leben zu verschönern, die Zeit zu vertreiben – im besten Falle. Als ob nicht die Zeit ein so kostbares Gut wäre, daß man nur darauf zu sinnen hätte, wie man sie auskaufte, ersparte, benutzte, nicht aber wie man sie vertriebe! Als ob das Leben nicht so ernst wäre, daß dem Schönen das Nützliche vorangehen müsse! Als ob nicht das ganze Menschenthum so eingerichtet wäre, daß vorerst jedes Individuum die Pflicht hat durch Arbeit und Anstrengung sich selbst das Recht zum Genuß zu erwerben! Als ob nicht gerade die Aufgabe der Frauen, selbst wenn man nur ihre körperliche im Auge hat, so viel Kraft, Willensstärke und Entsagung erforderte, daß eine nur vertändelte Jugend eine sehr wenig zweckmäßige Vorbereitung dazu ist.

      Allerdings denkt man an diese eine Aufgabe – an die der Verheirathung und Mutterschaft. Manche zärtliche Mutter, welche die ganze Schwere dieses Berufs kennen gelernt, vielleicht in ihrer Ehe trübe Erfahrungen gemacht, vielleicht unter der Last eines großen Haushaltes oder auch eines kleinen, den sie ganz allein besorgen muß, oder unter der Pflege und Erziehung vieler, vielleicht kränklicher Kinder ein mühe- und sorgenvolles Dasein verbracht, sagt sich: das wird deine Tochter auch erfahren, wenn sie sich verheirathet – sie wird vielleicht auch keine freie Stunde, keinen sorgenlosen Augenblick mehr haben: möge sie doch darum die goldene Mädchenzeit recht genießen – mit dem Schritt in die Ehe übernimmt sie Pflichten und Sorgen und Arbeit genug! – dann muß sie ja doch so Vielem, vielleicht Allem entsagen, was jetzt das Leben ihr Freundliches bietet – möge sie darum jetzt nur hinflattern wie der schöne Schmetterling, der von Blume zu Blume fliegt und dabei seiner eignen holden Erscheinung sich zu freuen scheint, wenn er mit ausgebreiteten Faltern durch den Sonnenschein gaukelt – die Zeit kommt ja doch frühe genug, wo – umgekehrt von dem Vorbild der Natur – eine Raupe mühevoll am Boden kriecht, die ihre Aufgabe am Besten erfüllt, wenn sie ganz sich einspinnt! Ein solches Raupenleben ist ja ein Abbild von dem Leben mancher verheiratheten Frau – ja vielleicht ein gepriesenes Muster. Und von solchen Vorstellungen erfüllt billigt die Mutterliebe das nur auf Zeitvertreib und Vergnügen berechnete Treiben ihrer Tochter! Ja, es giebt Mütter, die für ihre Töchter vergnügungssüchtiger sind als diese selbst! Die Mutter kann oft die Zeit nicht erwarten, die ihr verstattet, ihre Tochter überhaupt in die Gesellschaft einzuführen, den Ballsaal mit ihr zu betreten. So manches Mädchen betritt diese Kreise nur gezwungen, Kindlichkeit und Schüchternheit halten sie ab – aber die Mutter will ihnen nun einmal mit Gewalt dies »Vergnügen« machen, will ihre Töchter in Balltoilette gefallen und bewundert sehen. Oder ist es auch den Mädchen selbst ein wirkliches Vergnügen zu Fest und Ball zu eilen und ist es auch, mit Maas genossen, ein solches, das man der glücklichen Jugend wohl gönnen kann, so währt doch die wirklich unschuldige und harmlose, von keinen widerwärtigen Absichten begleitete Freude daran in der Regel nur kurze Zeit. Putzsucht, Eitelkeit, Koketterie, Neid und alle häßlichen Eigenschaften des weiblichen Geschlechts finden hier ihre Nahrung und was das Schlimmste ist: eine Nahrung, der Tage, ja Wochen geopfert werden. Es sind nicht die 6 – 8 Stunden, die eine Ballnacht währt, welche durch ein solches Vergnügen verloren gehen – Tage vor- und nachher denken, thun und reden die Mädchen nichts Anderes als was auf ihre Balltoilette Bezug hat, die ganze Leere ihrer Existenz zeigt sich eben darin und Körper und Geist leiden unter gleicher Erschöpfung. Und das nennen thörichte Mütter: die Jugend genießen! Es heißt vielmehr: sie vergeuden! Wir wiederholen, daß wir gar nichts gegen Tanz und Ball haben, wenn darin Maas gehalten, wenn es wirklich wie eine Erholung, ein Ausnahmezustand betrachtet wird. Wenn aber Winter auf Winter hindurch das ganze Sinnen und Trachten der Mutter nur darauf gerichtet ist, wie ihre Töchter in solcher Weise floriren wie diese selbst beinahe an nichts Anderes denken – dürfen, wenn die Mädchen selbst den Tanz und die oberflächliche Unterhalung geselligen Treibens als den Hauptzweck ihrer Jugend betrachten und die Ehe als den folgenden Hauptzweck ihres Lebens: – dann können wir die Thorheit eines solchen Treibens nicht genug verdammen. Und noch verächtlicher wird dieselbe, wenn sich dazu auch noch die Berechnung gesellt, die der Mütter sowohl wie die der Töchter. Wenn jene diese nicht um des momentanen Vergnügens willen auf den Ball führen, sondern in der Absicht, dort nicht nur Tänzer, sondern auch Bewerber für sie zu finden und wenn die Töchter diese Absicht kennen und selbst ihr Möglichstes thun um sie zu erreichen – dann empört sich doch alles wahrhaft weibliche Gefühl gegen solches unweibliche, ja freche Treiben, wenngleich dasselbe nur zu oft nicht allein von den Müttern, sondern auch von den Vätern für gut befunden wird. Aber wir wollen uns nicht darüber ereifern! Durch Moralpredigen ändert man dergleichen Dinge nicht – ja nicht einmal durch die Geisel der Satyre, denn sonst müßte es schon Jean Paul geändert haben, dessen, den Nagel auf den Kopf treffende Abhandlung »Ueber den grünen Markt mit Töchtern« heute immer noch ihre Giltigkeit hat. Die Verhältnisse müssen anders werden, welche solche widerwärtige und unwürdige Zustände hervorrufen – nur dadurch werden diese selbst endigen oder wenigstens ohne Beschönigung und Entschuldigung als das bezeichnet werden, was sie sind.

      Und frage man nur, ob dies scheinbar glückliche, theils im Nichtsthun, theils in resultatloser Geschäftigkeit oder in der Jagd nach Vergnügungen und dem durch sie hervorgerufenen Taumel verbrachte Leben, diese bevorzugten Mädchen wirklich befriedigt, ob es wirklich beneidenswerth ist? Sie bringen ihre Tage meist in zwecklosem Thun unbefriedigt hin, sorglos freilich – aber das ist ein Glück, das diejenigen nicht zu schätzen wissen, die noch keine Sorgen gekannt – dagegen drückt sie immerhin ein Gefühl nicht nur der Abhängigkeit von den Ihrigen, sondern der peinlichsten Unselbstständigkeit gerade in den Kleinigkeiten des alltäglichen Lebens,


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