Teeträume. Anna Martin

Teeträume - Anna Martin


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in der jeweiligen Stadt übernachten. Da wir vorhaben, ein bisschen länger als sonst hierzubleiben, haben wir dieses Mal ein Haus für uns, drüben in Mansfield.«

      »Das kenne ich«, sagte ich.

      »Ja. Ich hab dir ja schon erzählt, dass John hier aufs College gegangen ist, also wussten wir, dass wir eine Weile bleiben würden. Seine Großeltern leben auch hier, also hab ich mich auf eine Aushilfsstelle bei der Sinfonie beworben und sie bekommen.«

      »Das ist großartig.«

      »Danke.«

      »Also, Alexis und John sind mit dir zusammen in der Band?«

      »Ja. Und ein Typ namens Danny auch noch. Wir treten unter verschiedenen Namen auf. Ice on the Tracks für unseren eigenen Kram und manchmal Dark Side of the Spoon.«

      »Pink Floyd?«, sagte ich lachend.

      »Jep. Wir spielen nicht nur Floyd-Songs, aber dieser Song von ihnen war der erste, den wir als Gruppe zusammen einstudiert haben. John ist auf den Namen gekommen und irgendwie ist er hängen geblieben.«

      »Seid ihr gut?«

      Die Servierplatte mit Vorspeisen wurde zusammen mit der Suppe gereicht und wir brauchten einen Augenblick, um die Dinge auf dem Tisch neu anzuordnen, sodass für alles Platz war.

      »Wir haben übernächstes Wochenende einen Gig«, sagte Chris und sah mich unter seinen hübschen, blonden Wimpern hervor an. »Du solltest vorbeischauen.«

      »Das würde ich gern«, sagte ich.

      Unsere Unterhaltung plätscherte ungezwungen dahin, als wir über die Gegend und diverse Dinge sprachen, die es für einen Neuankömmling zu erkunden gab. Wir stellten sie den wunderschönen natürlichen Sehenswürdigkeiten gegenüber, die man auf diesem Fleckchen Erde sehen konnte, und den Städten entlang der Ostküste, die wir beide bereits besucht hatten. Ich genoss jede noch so kleine Einzelheit, die er über sich erzählte, und setzte die einzelnen Fakten zu einem dreidimensionaleren Bild dieses höchst interessanten Mannes zusammen.

      »Erzähl mir was über deine Familie«, bat ich, nachdem die Vorspeisen abgeräumt und durch unsere Hauptspeise ersetzt worden waren.

      »Ich bin das mittlere von fünf Kindern«, sagte er mit einem schiefen Grinsen. »Zwei ältere Brüder und zwei jüngere Schwestern.«

      »Wow.«

      »Ja. Und meine jüngste Schwester ist erst neun. Molly war eine Überraschung für meine Mom und meinen Dad, weil ich schon zwölf war, als sie geboren wurde. Dann bekamen sie zwei Jahre später Brianna.«

      »Sie wissen, dass du schwul bist?«

      Er hob eine Augenbraue und grinste mich an. Ich fing an zu erkennen, dass das eine oft benutzte Geste von ihm war. »Meine Mutter mag es, die Story zu erzählen, als ich ihr mit acht Jahren gesagt habe, dass ich einen Jungen heiraten werde, weil Mädchen ekelhaft sind. Wahrscheinlich war ich ein bisschen jung, um mich zu outen, und keiner von uns hat es je wieder erwähnt. Aber seit ich acht war, war es in meinem Zuhause irgendwie klar, dass ich nicht hetero bin.«

      »Das ist erstaunlich«, sagte ich leise.

      »Sind deine Leute nicht so cool?«

      »Nicht wirklich.«

      »Das ist beschissen«, sagte er einfühlsam. »Na los, ich hab die Fakten über meine Familie auf den Tisch gelegt. Spuck's aus.«

      »Nun«, sagte ich und nahm eine Gabel voll wirklich gutem gebratenen Reis. »Ich habe eine Schwester. Sie heißt Jillian, aber wir nennen sie Jilly. Sie ist zwei Jahre jünger als ich.«

      »Verheiratet?«

      »Nein, sie sagt, dass sie keine Zeit für einen Freund hat. Sie arbeitet in der Werbebranche. Meine Eltern sind mit uns hergezogen, als ich sechzehn war. Mein Vater arbeitete für ein internationales Transportunternehmen in Edinburgh, das auch hier Büros hat. Mein Mutter hat nie gearbeitet.«

      Ich fingerte an einer Serviette auf dem Tisch herum, während Chris seinen Kopf zur Seite neigte, sichtbar interessiert an meiner Geschichte.

      »Meine Mutter … äh, sie ist eine komplizierte Frau. Sie akzeptieren mich nicht wirklich.«

      Er zuckte mit den Schultern. »Also vergiss sie«, sagte er. »Meine Band ist meine Familie. Auch wenn meine Leute damit zurechtkommen, wer ich bin, würde das vermutlich anders aussehen, wenn ich ihr einziger Sohn wäre. Aber da meine beiden älteren Brüder verheiratet sind und Kinder haben, können sie es sich leisten, einen Sohn zu haben, der aus der Reihe tanzt.«

      Als sich unser Essen dem Ende zuneigte, wandte sich unser Gespräch der Musik zu und wir überraschten uns selbst und vor allem gegenseitig, da wir einen ähnlichen Geschmack hatten. Es bereitete mir großes Vergnügen, ihn damit zu beeindrucken, dass ich einige seiner Lieblingsbands bereits live gesehen hatte, und wurde im Gegenzug mit seinem umfangreichen und breit gefächerten Musikwissen belohnt, obwohl ich das eigentlich hätte erwarten müssen.

      Als Chris kurz auf der Toilette war, beglich ich ohne sein Wissen die Rechnung, sodass er nicht versuchen konnte, sie zwischen uns aufzuteilen. Ich hatte keine Schwierigkeiten mit Gleichberechtigung. In der Tat konnte ich mir eine Beziehung ohne sie nicht vorstellen. Ich war lediglich der Meinung, dass ich derjenige sein sollte, der zahlte, da ich auch derjenige gewesen war, der ihn zum Abendessen eingeladen hatte.

      Als er zurückkehrte, war der Tisch bereits abgeräumt und ich hielt ihm seine Jacke entgegen, die ich für ihn von der Garderobe geholt hatte.

      »Danke«, sagte er mit leiser Stimme, als er hineinschlüpfte.

      Ich verließ zuerst das Restaurant und wandte mich ihm in der kühlen Nachtluft zu, während ich nach Worten suchte, um das hier nur ein klein wenig in die Länge zu ziehen.

      Aber Chris sprach als Erster. »Ich hatte heute Abend wirklich viel Spaß.«

      Irgendwie musste ich ihn aufhalten, also platzte ich mit dem Ersten heraus, das mir in den Sinn kam.

      »Würdest du gerne mit zu mir kommen?«, fragte ich verzweifelt nervös. »Um dir mein Apartment anzuschauen?«

      Er lächelte warm und gelassen. »Natürlich. Ich fahr dir mit dem Bike hinterher.«

      Ich nickte und knabberte an meiner Unterlippe. »Gut.«

      »Hey. Rob.« Ich begegnete seinem Blick und beobachtete, wie er eine Hand ausstreckte und meine Unterlippe zwischen meinen Zähnen hervorzog. »Wenn du dich damit nicht wohlfühlst, ist das okay, versprochen. Ich kann ein anderes Mal mitkommen.«

      »Nein, nein«, sagte ich. »Ich möchte, dass du mitkommst.«

      Ich versuchte, langsam zu fahren, um ihm die Möglichkeit zu geben, mir zu folgen, aber nicht so langsam, dass er mich für einen kompletten Idioten hielt. Es war schwer, die Balance dazwischen zu finden und zu halten. Er parkte unter dem Strahl einer Straßenlampe und ich bewunderte seine Umsicht.

      Impulsiv griff ich nach seiner Hand, als wir schweigend auf mein Wohnhaus zugingen. Chris sagte nichts, sondern drückte lediglich seine warme, trockene Handfläche gegen meine und verschränkte unsere Finger miteinander.

      Ich wohnte im zweiten Stock und hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, die Treppe zu nehmen, weil der Fahrstuhl so oft nach ungewaschenen Körpern und saurer Milch roch, auch wenn ich die Gründe dafür noch nie hatte herausfinden können. Chris überließ mir die Führung und ich hatte den Eindruck, er würde meinen Hintern mustern. Nicht, dass mich das gestört hätte. Nicht im Geringsten.

      »Hier«, sagte ich und hielt ihm die Tür auf, sodass er das Apartment betreten konnte. Ich beeilte mich, die Lampen im Hauptraum einzuschalten, in den man von der Eingangstür aus trat, da ich ihr weiches Licht gegenüber dem harten Industrielicht der Oberleuchten bevorzugte.

      »Schöne Wohnung«, sagte Chris und zog seine Jacke aus. Ich hatte das Gefühl, dass er das tatsächlich ernst meinte und nicht nur versuchte, höflich zu sein.

      Flea


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