Die Korrupten. Jorge Zepeda Patterson

Die Korrupten - Jorge Zepeda Patterson


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Gesetzentwürfe zu erarbeiten, die der Regierung noch mehr Befugnisse erteilen und den Einfluss der Institutionen, Medien und der Zivilgesellschaft schwächen sollen. Wenn ihnen das gelingt, sind wir wieder da, wo wir vor dreißig Jahren waren, meinen Sie nicht, Don Ramiro?«

      »Das Land würde den Despotismus von früher nicht mehr dulden, Amelia. Obwohl Sie natürlich recht haben, wenn Sie sagen, dass Salazar das Potenzial zum Führer hat, und wie López Obrador hat auch er 2018 im Blick. Das wäre allerdings eine Katastrophe.«

      Amelia sagte sich im Stillen, dass wohl nur ein Politiker mit Blümchenkrawatte wie Carmona in der Lage war, einen Rivalen »Führer« zu nennen.

      »Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Die Frage ist, was wir als Opposition dagegen tun können. Denn wenn wir es nicht tun, wird niemand in diesem Land versuchen, eine neue Diktatur zu verhindern«, erwiderte sie, zufrieden, dass sie das Gespräch doch noch in die gewünschten Bahnen gelenkt hatte.

      Carmona stimmte ihr schweigend zu. Ein verdammt guter Pokerspieler, dachte sie. Der alte Hase wartet, bis ich ihm meine Karten zeige, bevor er preisgibt, was er auf der Hand hat.

      »Die Sache mit Pamela Dosantos ist interessant. Sie könnte der erste große Makel des glorreichen PRI-Comebacks sein«, sagte sie spöttisch.

      »Mag sein. Aber man wird erst herausfinden müssen, ob an den Leaks in Arizmendis Kolumne etwas dran ist.«

      »Ganz bestimmt«, antwortete Amelia schnell, doch mehr aus Loyalität ihrem Freund gegenüber als aus Überzeugung. Sie wusste, dass Tomás nicht bestechlich war, war sich jedoch nicht hundertprozentig sicher, was die Genauigkeit seiner Arbeitsmethoden betraf.

      »Sie kennen sich schon lange?«

      »Seit unserer Kindheit. Und dann haben wir zusammen studiert. Wir treffen uns immer noch ab und zu. Er würde so ein Detail nie erfinden.«

      »Nun, dann könnte Ihr Freund in den nächsten Tagen entweder sehr reich oder sehr arm werden. Als Erstes wird Salazar versuchen, ihn zu bestechen, damit er seine Vorwürfe zurücknimmt oder eine Fehlinformation vorschiebt. Als Nächstes wird er ihm das Leben zur Hölle machen oder Schlimmeres. Der Minister ist ebenso mächtig wie nachtragend.«

      »Tomás wird sich nicht beugen, aber er kann diese Schlacht nicht allein gewinnen«, bestätigte Amelia. »Wenn Salazar in irgendeiner Form mit dem Tod der Dosantos zu tun hat, müssen wir es ans Licht bringen.«

      »Und was schlagen Sie vor?«, fragte Carmona.

      »Um das Thema politisch brisant zu machen, müssen wir auf zwei Ebenen vorgehen: auf der medialen und der ermittlungstechnischen. Salazar wird versuchen, sowohl die Presse als auch die Kriminalpolizei zu lähmen, oder einfach einen Sündenbock präsentieren, um die Sache zu beenden.«

      »Also gut«, erwiderte der Senator, der sich nun offenbar doch für die Sache erwärmte. »Es gibt ein paar Zeitungen und Radiosender, die darüber berichten könnten. Aber dafür benötigen wir mehr belastbare Informationen über die Ermittlungen. Sie haben die Staatsanwaltschaft unter Kontrolle, richtig?«

      Er bezog sich auf den Umstand, dass Mexiko-Stadt nach wie vor von der PRD regiert wurde und die Ermittlungen durch die Hauptstadtbehörden erfolgten.

      »Mehr oder weniger. Bei dem Ausmaß an Korruption ist es schwer zu sagen, wer auf wessen Seite steht. Man wird sich umhören müssen, um zu sehen, welches Büro wir mit der Sache betrauen können, und selbst dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass die Regierung ihre Finger mit im Spiel haben wird. Obwohl das ja bis vor einem Jahr Ihre Leute waren. Bestimmt haben Sie beim Geheimdienst noch ein paar treue Seelen.«

      Endlich hatte sie die Unterhaltung auf das Thema gelenkt, das sie eigentlich interessierte. Nur sehr wenige wussten, dass Calderóns Regierung vereinzelt Verbindungsleute in den Geheimdiensten des Militärs und der Regierung platziert hatte – für den Fall, dass sie die Wahl verlieren würde, was dann ja auch geschehen war. In einer rätselhaften Anwandlung von Aufrichtigkeit hatte Jaime diese vertrauliche Information einmal ausgeplaudert, als das Projekt selbst noch in den Kinderschuhen steckte. Damals war ihr der Plan irrwitzig vorgekommen, aber sie hatte genügend Respekt vor den Fähigkeiten ihres alten Freundes, um das Ganze nicht für bloße Prahlerei zu halten: Jaime war viele Jahre lang für die inoffiziellen Beziehungen zwischen den Geheimdiensten Mexikos und der USA verantwortlich gewesen. Dabei hatte er ein persönliches Verhältnis zu seinen US-amerikanischen Amtskollegen aufgebaut und galt seither als einziger hoher Beamter, dem die Geheimdienste anderer Länder vertrauten, als unentbehrlich.

      Amelia war zu der Überzeugung gelangt, dass das Projekt in der einen oder anderen Form erfolgreich gewesen sein musste und die PANisten über vertrauliche Informationen zu ihren wichtigsten Rivalen verfügten, allen voran zu Salazar. Vielleicht gab es sogar Aufzeichnungen oder Bildmaterial, das den Innenminister mit der ermordeten Künstlerin in Verbindung brachte.

      »Ich wünschte, dem wäre so. Leider sind die Leute, die sich mit solchen Dingen beschäftigen, politische Söldner, da gibt es keine Loyalitäten«, erklärte Carmona klagend.

      Amelia fand es schwer zu beurteilen, ob er die Wahrheit sagte. Es war durchaus möglich, dass nur ein kleiner Kreis von Vertrauten in die Sache eingeweiht war, doch sie schloss auch nicht aus, dass der Politiker dieses Ass im Ärmel für sich und seine Partei behalten wollte.

      »Dann arbeiten wir eben mit dem, was wir haben, Senator. Sie haben Zugang zu bestimmten Printmedien und Radiosendungen, ich zu anderen. Ich schlage vor, dass wir uns wieder besprechen, wenn wir neue Informationen haben, die wir in Umlauf bringen können. Die Hauptsache ist, dass das Thema nicht von der Bildfläche verschwindet.«

      »Das ist nur eine Frage von Tagen. Salazar wird dafür sorgen, dass in weniger als einer Woche ein riesiger Skandal, wenn nicht gar eine nationale Tragödie, den Fall Dosantos in die zweite Reihe drängt. Darauf können Sie Gift nehmen.«

      Amelia verließ das Lokal einigermaßen enttäuscht – sie hatte sich mehr von dem Treffen versprochen. Etwas hatte sie aber doch erreicht: Carmona war entschlossen, im Fall Salazar aktiv zu werden und die Sache innerhalb seiner Partei zu thematisieren, auch wenn er es auf seine ganz eigene Weise tun würde.

      Sie saß schon im Wagen, als sie sich zu der Entscheidung durchrang, vor der sie sich gefürchtet hatte: Sie musste sich mit Jaime treffen.

       5

       Montag, 25. November, 11.30 Uhr

       Jaime und Tomás

      Nachdem Mario gegangen war, suchte Tomás sein Handy, um nachzusehen, ob er neue Nachrichten hatte. Machte sich seine Tochter Jimena Sorgen um ihn? Hatte ihn jemand von der Zeitung angerufen? Doch der Akku war leer, und das Telefon hatte sich ausgeschaltet. Er schloss es ans Ladekabel an und stieg unter die Dusche. Während das Wasser auf ihn niederprasselte, fiel ihm eine Bemerkung wieder ein, die Jaime vor längerer Zeit einmal in Bezug auf Pamela Dosantos gemacht hatte, und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: »Von der musst du dich fernhalten, die bringt dich nur in Schwierigkeiten.« Und tatsächlich saß er jetzt ihretwegen in der Patsche, obwohl er persönlich nie etwas mit ihr zu tun gehabt hatte.

      Er erinnerte sich nur dunkel an seine erste und einzige Begegnung mit der Schauspielerin vor drei Jahren. Er war alleine auf der Hochzeitsfeier der Tochter seines Verlegers gewesen und hatte dort überraschend Jaime getroffen. Sie hatten sich beide aufrichtig über das Wiedersehen gefreut.

      Jaime war es leid gewesen, den Saal nach wichtigen Persönlichkeiten abzusuchen, von denen entgegen seinen Erwartungen nur sehr wenige da waren. Die Braut hatte von ihrem Vater verlangt, dass die Hochzeit kein Tummelplatz für Politiker würde, kein Aufmarsch von Celebrities, die dem Medienmogul ihre Aufwartung machten. Tatsächlich war es den Brautleuten gelungen, mit knapp zweihundertfünfzig geladenen Gästen ein halbwegs privates Fest zu feiern, jedenfalls hatte Jaime diese Zahl irgendwo gehört. Er entdeckte Tomás mit einem Gläschen Tequila in der Hand gedankenversunken in einer Ecke des Saals.

      Tomás hatte den Freund gar nicht


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