SexLust | Erotischer Roman | Band 1. Denise Harris
Küchenfenster zu. Unser elfjähriger Sohn störte sich nicht am nackten Oberkörper seines Vaters und stapfte durch den fünf Zentimeter hohen Neuschnee zur Haustür. Ich konnte hören, wie er sich dort gewissenhaft die Winterschuhe abklopfte.
»Und wer?«, rutschte es von selbst über meine Lippen. Ich schloss die Augen, in Erwartung der Antwort, die unweigerlich folgen würde. Bitte, nicht ihn. Bitte nicht den besten Freund meines Mannes. Sag bitte nicht Steven.
»Steven …«
Für eine Sekunde bekam ich keine Luft.
Steven
Ich hasste Steven vom ersten Tag an. Ich mochte weder sein Aussehen noch seine Art zu reden noch seine verdammte Singlekarre. Ich liebte meinen Mann.
Steven und ich begegneten uns das erste Mal vor etwa acht Jahren im Hauptgang zu den Tribünen des VIP-Bereichs. Da Ronald die Renovierung des Stadions mitfinanziert hatte, stand uns eine eigene Loge zu. Aber weiter als bis in die Regionalliga hatten es mein Mann und seine »Piraten« nicht geschafft. In Anlehnung an die Mannschaft aus Portland, Maine, hatten sie ihr Team so genannt. Ihre größten Angstgegner waren die »Portland Predators«, gegen die sie nie ein Spiel gewannen.
Ich frage mich, gibt es eigentlich noch etwas Unwichtigeres als Eishockey?
Aber natürlich versäumte ich kaum ein Spiel – vor allem dann nicht, wenn mein Mann sein Bestes gab. Und mir entging auch dieser andere Mann nicht, der in der Abwehr gut und im Angriff noch besser war. Steven führt heute noch zwei mannschaftsinterne Rekorde an. Die meisten erzielten Punkte in einem einzigen Spiel. Und die meisten erzielten Punkte pro teilgenommenem Spiel. Hier hatte er meinen Mann im Schnitt um 0,1 Punkte geschlagen. Den einzigen Rekord, den er nicht brechen konnte, war, die meisten Punkte pro Spieldrittel. Diesen Rekord hält unumstritten mein Ronald mit drei Treffern. Aber wer interessiert sich schon für Zahlen?
»Hey, Miss«, sagte er zu mir. Er war groß. Dunkel. Ein Bild von einem Mann. Seine Urgroßmutter war eine echte Lower Chinook gewesen – den Rest seiner Gene verdankte er dem amerikanischen Pioniergeist europäischer Einwanderer.
»Hier, halten Sie mal.«
Er drückte mir ein Suspensorium in die Hand.
»Sehr hübsch. Und was soll ich jetzt damit?« Wenn das eine Anspielung sein sollte, mit ihm ins Bett zu gehen, dann fand ich das nicht komisch.
»Schauen, ob es auch noch eines in meiner Größe gibt.«
»In Ihrer Größe?« Was für ein Angeber! »Steht irgendwo auf meiner Stirn Spielerbetreuerin?«
Offenbar verwechselte er mich mit einem Fan, der alles darum gegeben hätte, mit einem Spieler ins Bett zu gehen. Er beugte sich vor und betrachtete gründlich meine Stirn. Sein männlich anregender Geruch schlug mir entgegen. »Ich kann nichts erkennen«, meinte er. »Aber Sie könnten meine persönliche Betreuerin werden. Ich brauche sehr viel Betreuung.«
Ich lachte eisig. »Sie werden in dieser Mannschaft nichts zu lachen haben«, drohte ich ihm. »Das schwöre ich Ihnen!« Er wäre nicht der erste Spieler gewesen, den mein Mann aus der Mannschaft geworfen hätte. Aber nie hatte Ron es auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin getan. Nun, ich war auch noch nie von einem Spieler sexuell belästigt worden. Bis jetzt. Die Stunden dieses Mannes bei den »Portland Pirates« waren gezählt!
»Oh«, lächelte er und meine Knie wurden weich. »Dabei steht mir ein Lachen so gut, hat man mir gesagt. Wie wär’s? Ich entschuldige mich und Sie gehen dafür mit mir essen. Ich kenne da ein nettes griechisches Restaurant.«
Mein Magen schlug einen Purzelbaum.
»Dazu gehört mehr, als nur ein guter Eishockeyspieler zu sein.« Ich schluckte und unterdrückte vergeblich das verräterische Schwingen in meiner Stimme.
Mein Mann Ronald kam um die Ecke gebogen, entdeckte uns und lachte schallend. Entgeistert sahen der ungehobelte Klotz und ich uns an.
»Spitze, ihr habt euch schon bekannt gemacht.« Er wandte sich an diesen schmierigen Windhund. »Steven, das ist meine Frau Denise«, stellte er mich vor. »Denise, das ist mein ältester Freund.«
Steven sah von Ron zu mir und wieder zu Ron zurück. Dann blieb sein Blick auf mir haften – länger als notwendig. Und weit länger als es schicklich war. Damit hatte er nicht gerechnet. Man sah mir die Schadenfreude hoffentlich an. Nur die Formulierung »ältester Freund« störte mich etwas.
»Sehr erfreut. Ich hoffe, Sie akzeptieren meine Entschuldigung«, stellte er sich reserviert vor und reichte mir die Hand. »Frau?«, fragte er zu Ron zurück. »Wann ist das denn passiert?«
»Ja, Stevie, in den letzten Jahren hat sich einiges getan. Warte nur, bis ich dir meinen Sohn vorstelle. Er wird im Februar vier.«
Steven hob erstaunt die Augenbrauen.
»Und wie lange kennt ihr euch?«, fragte ich höflich. Nicht, dass es mich interessiert hätte.
Steven grinste. Und es war diese Art, wie er grinste, die ich nie vergessen sollte. »Schon ewig, oder, was Ronnie? Wir sind zwei von einem ganzen Platoon, das vom Cover des New York Time Magazines gelacht hat.«
»Ja«, bestätigte mein Mann. »Das war bei der Befreiung von Kuwait City.« Er legte beschützend den Arm um mich. »Weißt du Schatz, wir waren beide beim ›Desert Storm‹ dabei.«
***
Ich weiß nicht, was mich mehr erschütterte. Die Tatsache, dass Ronald nie auch nur ein Wort darüber verloren hatte, oder dass ich erst Steven kennenlernen musste, damit ich davon erfuhr. Ron hatte mit mir nie über seine Militärvergangenheit gesprochen. Genauso wenig wie mein Vater über Vietnam. Wir standen zu der Zeit noch alle unter dem Schock vom 11. September.
Es ließ sich fortan leider nicht vermeiden, mit Steven näher Bekanntschaft zu machen. Bei jedem Spiel war er es, der im entscheidenden Moment die Punkte holte – auch wenn wir dann im letzten Drittel meistens verloren. Ich weiß nicht, ob er sich daran erinnerte. Bei einer Siegesfeier hatte er mich ohne Vorwarnung geküsst. Ich nehme an, er musste zu dem Zeitpunkt schon stockbetrunken gewesen sein.
Ich glaube, das war am selben Tag, als er einen meiner Romane mitbrachte und zusammen mit einem Kugelschreiber vor mir hinlegte.
»Du musst mir noch dein Buch signieren!«
»Hast du es denn gelesen?«, fragte ich überrascht und betrachtete das Taschenbuch. Es sah wie frisch aus dem Regal aus.
»Nein, mir gefiel nur das Cover so gut.«
Eine vollbusige Blondine schmiegte sich an die nackten Hüften eines erotischen Mannes, für den fünfundneunzig Prozent aller Frauen gestorben wären, hätten sie nur einmal seine Muskeln berühren dürfen. Die Frau sah mir nicht einmal unähnlich. Ich musste unbedingt mit meinem Verleger darüber sprechen.
»Für den besten Freund meines Mannes«, kritzelte ich. »Danke, dass du auf meinen Mann im ›Desert Storm‹ aufgepasst hast und ihm ein so guter Freund bist. Du bedeutest meinem Mann sehr viel. Denise«
Ich las mir alles noch einmal gründlich durch und war sehr zufrieden damit. Er betrachtete den Eintrag, grinste kurz und meinte: »Dass dein Mann Ronnie heißt, hättest du noch schreiben können. Und dass dein Mann ein guter Eishockeyspieler ist ... Und dass dein Mann eine sehr beeindruckende Frau geheiratet hat.«
»Was?« Platt reichte ich ihm den Kugelschreiber zurück. Und keine zwei Stunden später hatte der Idiot nichts Besseres zu tun, als mich zu küssen.
Ursprünglich stammte Steven aus Eugene, arbeitete aber für das Portland Police Bureau. Er gehörte auch dieser Spezialeinheit an, die gegen Geiselnahmen eingesetzt wird. Viele ehemalige Marines entschieden sich für den Polizeidienst. Er machte da keine Ausnahme.
Irgendwann hatte er sich entschlossen, nach Portland umzuziehen. Man könnte sagen, dass er und mein Mann sich erst durch den Eishockeysport wieder begegnet waren. Das war das erste Mal, dass ich das Hobby meines Mannes aus tiefstem Herzen hasste.
Ich