Time of Lust | Band 3 | Devote Begierde | Roman. Megan Parker
an Bord ließ er sich, wie so oft, von Cheyenne begleiten.
Ich selbst konnte mich kaum entscheiden, wo es mich zuerst hingezogen hätte, so viel Sehenswertes weckte meine Neugier. Trotzdem wollte ich mich, wie auch Alice und Natalie, stets in der Nähe von Santiago aufhalten – nur um zu sehen, was ihn in seiner Abgebrühtheit noch beeindrucken konnte.
Im Freien gab es mehrere Cocktail-Bars, einen großen Pool, zwei Whirlpools, Sonnenliegen und einen Sandplatz für Beachvolleyball. Einige Mädchen waren im Wasser oder aalten sich in der Sonne, andere unterhielten sich an der Bar. Ich fühlte mich richtig privilegiert, dass ich ein Kleid tragen durfte, im Gegensatz zu den angemieteten Mädchen, die in ihren weißen Bikinis herumhüpfen und ihre Körper zeigen mussten. Die geladenen Gäste begrüßten Santiago überschwänglich, gratulierten ihm zu dieser vielversprechenden Veranstaltung und gaben während ein paar Minuten Smalltalk hauptsächlich ihrer Freude Ausdruck, an diesem Event teilnehmen zu können. Nur die schlecht Informierten erwähnten dabei seinen Geburtstag. Edward erklärte uns, dass die Restaurants und Suiten in den obersten Etagen angesiedelt wären, wir jedoch gingen nach unten und dort sah die Welt völlig anders aus ...
Ich hatte fast das Gefühl, in eine Höhle abzutauchen, als wir die Holztreppe hinunterstiegen, zwei massive Türen hinter uns ließen und nach der letzten der Geräuschpegel abrupt in die Höhe schnellte. Rauch, Lärm und süßlicher Zigarrenduft strömten uns entgegen, während wir uns in fast vollständiger Dunkelheit verloren. Das Auge musste sich zwischen all den umherirrenden Lichtpunkten und den Lichtkegeln der Scheinwerfer erst an die Umgebung gewöhnen. Irgendwann entdeckte ich die kleine Bühne und fünf dunkelhäutige Tänzerinnen, die ihre Körper zu kubanischer Musik leidenschaftlich bewegten. Es gab auch bereits einige Gäste, die sich vom Temperament dieser Mädchen mitreißen ließen. Der gesamte Club war eine einzige Tanzfläche, die wir gemeinsam überwinden mussten, um in den nächsten Raum zu gelangen. Erleichtert atmete ich auf, als wir es geschafft hatten. Obwohl auch hier ein angesagtes Nachtlokal eindrucksvoll nachgebildet worden war, war die Musik nun erträglich und man konnte etwas mehr als nur die Hand vor Augen erkennen.
Wieder tanzten Mädchen auf einer Bühne, diesmal jedoch weit aufreizender gekleidet, und im Gegensatz zu vorhin ... an Stangen. Gegenüber der Bühne erstreckte sich eine goldene Bar über die gesamte Länge, an einer Seite gab es eine leicht erhöhte, bequeme Liegefläche aus rotem Samt ... und an der anderen Seite drei gemütliche Logen, ebenfalls etwas erhöht. Als ich mich schließlich zweimal im Kreis gedreht hatte ... und mir so einiges bekannt vorkam, durchfuhr plötzlich ein eisiger Schauer meinen Körper ... Wir befanden uns in einer verkleinerten Nachbildung des Empires! Sofort hatte ich wieder dieses zierliche hübsche Mädchen im Kopf, das Santiago dort auf der Bühne angebunden vor den Augen aller entjungfert hatte. Während er nun einige Gäste begrüßte, suchten meine Augen nach einschlägigen Geräten auf oder neben der Bühne. Es gab jedoch nur Pole-Stangen. Ich überlegte, ob er Lilienné wirklich von dieser Party fernhalten wollte, oder ob sie vielleicht als Mitternachtsattraktion geplant war. Und wieder lief mir Gänsehaut über den Rücken.
Bevor man uns weiterführte, trank Santiago ein Glas Champagner an der Bar. Er bemerkte meine unsicheren Blicke und streckte einladend eine Hand nach mir aus. »Was bedrückt dich, mein Kleines?«
Nur zögerlich brachte ich es über meine Lippen. »Soll das ... das Empire sein?«
Er setzte sich auf einen Barhocker, nahm mich zwischen seine Beine und nickte stumm. Dabei verfolgte er aufmerksam die Reaktion in meinen Augen. Er wusste genau, dass ich damals ein gewaltiges Problem mit dieser Schau-Entjungferung gehabt hatte und vermutlich dachten wir gerade beide daran.
»Wirst du Lilienné heute noch hierher bringen lassen?«, wollte ich wissen.
Für einen Moment blieb er ausdruckslos. Dann wirkte er betroffen. »Das denkst du von mir?«
Ich schluckte. »Nein ... ich ... ich weiß auch nicht.«
Er nickte nachdenklich und streichelte über mein Gesicht. Ich wusste nicht, was ich von ihm denken sollte, aber ich hätte ihm alles zugetraut. Währenddessen kam er mir näher und seine Lippen legten sich auf meine. Er begann, mich ganz langsam und zärtlich zu küssen – und ich musste es in meinem Gefühlschaos erwidern, doch in seinen Armen fühlte ich meine Sorgen und Zweifel dahinschmelzen. Ich besann mich darauf, ihn nicht schon im Voraus zu verurteilen. Als er sich von mir löste, suchte ich die Nähe zu seinem Ohr und flüsterte: »Es tut mir leid. Ich liebe dich.«
»Santiago, bitte entschuldige«, störte Amistad unsere Vertrautheit. Er wandte sich ihm zu. »Darf ich dir Mr Harry Mayor vorstellen ... ›The Genuine Master of Fancy Pain‹. Er ist Experte für verbotene Spiele und hat sich bereiterklärt, für uns eine kleine Privatveranstaltung zu organisieren.«
Mr Mayor und seine Show waren ein Geschenk von Christian, Santiagos bestem Freund, der mir noch als »Schlangenbeschwörer« in Erinnerung war und der leider wegen einem Spitalaufenthalt selbst an den Feierlichkeiten nicht teilnehmen konnte.
»Mr Mayor wird uns persönlich durch die nächsten Räume führen«, ergänzte Amistad.
Santiago schüttelte dem Mann im Frack höflich die Hand, während dieser auf höchst eindrucksvolle, um nicht zu sagen, amüsante Weise, mit einer komplizierten Präsentation seines Geschäftsfeldes begann. Er war gut einen Kopf kleiner als Amistad, dafür sprach er aber mindestens doppelt so schnell und doppelt so viel in exakt derselben Zeit. Mit hektischen Bewegungen, wilder Gestik und einem unruhigen Stand verpackte er seinen Redeschwall auf so interessante Art, dass selbst Santiago ziemlich perplex in seiner eigenen Haltung erstarrte und eine ganze Weile die Geduld aufbrachte, all den übertrieben detaillierten Ausführungen zu folgen. Äußerlich war Mr Mayor von eher hagerer Gestalt, sein Gesicht kantig, sein längeres schwarzes Haar und den extravaganten Oberlippenbart trug er im Stil eines Zirkusdirektors. Durch seine spektakuläre Art zu reden gewann er jedoch zweifelsohne an Größe und bald hatte man den Eindruck, dass er mit Leichtigkeit die Aufmerksamkeit des ganzen Clubs für sich beanspruchte.
Irgendwann musste Santiago allerdings dieses Schauspiel mit einem schlichten »Ja. Gut.« beenden, denn er wollte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, womit ihm Mr Mayor nun zur Genüge den Mund wässrig gemacht hatte. Also folgten wir dem Zeremonienmeister in sein gelobtes Land.
Es befand sich einen Stock tiefer, unter dem Meeresspiegel, wo kleine runde Schiffslukenfenster die Räume in ein besonderes Ambiente tauchten. Durch ein Entre gelangten wir in den großen Saal, in dem man auf sehr imposante Weise Naturlandschaften nachgebildet hatte – wie bei einer Mustergartenschau. Es gab Kunstrasen, einen nierenförmigen Teich und diverse auf den ersten Blick harmlos erscheinende Attraktionen, die durch Schotterwege und kleine Holzbrücken miteinander verbunden waren. Eine überdimensionale Sandkiste, knietief mit Schlamm befüllt, eine brombeerfarbene Badewanne, randvoll mit glibberiger Masse bedeckt, ein gläsernes Terrarium, in dem man vor lauter Schlangen kaum noch die Rückwand erkennen konnte, und vieles mehr. Im hinteren Bereich wurde eine großzügige Fläche freigelassen. Dort lagen Ketten und Ringe bereit, um gut zehn Personen zu fesseln. Zwei kleine Käfige hingen an Seilen von der Decke und weckten meine Neugier.
Aber Mr Mayor wollte uns vorweg das Jacuzzi noch genauer erklären, es war bereits eingelassen ... und wie bei einer Gegenstromanlage schlug der flüssige Inhalt heftige Wellen. Skeptisch traten wir alle näher. Das Wasser zeigte eine eigenartige Rosafärbung. »Mr Santiago ... wenn ich Ihnen das kurz erklären darf ...«, präsentierte er stolz seine neueste Attraktion. »Was Sie hier vor sich sehen, ist kein normales Jacuzzi, kein Sprudelbecken, kein Whirlpool und keine Massagewanne, es gibt keinen Strom, keine Technik, kein ...«
»Mr Mayor ... kommen wir zum Punkt!«, ermahnte ihn Santiago.
»Natürlich.« Er grinste. »Was Sie hier vor sich sehen ... sind vier lebendige Exemplare der Japanischen Riesenqualle! Sie bewegen das Wasser, ohne Technik, ohne alles, in einer blanken Wanne, von der Decke beleuchtet. Das ist Weltklasse!«
»Der rosa Schleim lebt also?«
»Selbstverständlich, den Tieren geht es ausgezeichnet! Jedes Einzelne von ihnen misst gut einen Meter im Durchmesser und verfügt über Millionen frisch polierter Nesselzellen.«