SexLügen | Erotischer Roman | Band 2. Denise Harris

SexLügen | Erotischer Roman | Band 2 - Denise Harris


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Romance-Novel-Schriftstellerin, die auf gerade mal vier Romane zurückblicken konnte.

      Autorin ... Der Laptop in meinem Arbeitszimmer hatte sich schon vor Stunden auf Stand-Bye geschaltet – ein stummes Bild der Anklage. Ich hatte am Vormittag kaum etwas Nennenswertes geschrieben – kaum dreihundert Wörter. Ich schrieb nie etwas Nennenswertes. Wie hieß es so treffend? Aus Talent, Leidenschaft und Disziplin konnte man einen Roman schmieden. Die Leidenschaft war zwischenzeitlich erkaltet und die Disziplin hatte sich heimlich verabschiedet, um Sex-Partys zu feiern. Alle meine Lehrer für kreatives Schreiben hätten den Kopf geschüttelt, wenn sie mich jetzt gesehen hätten. Mir war lediglich ein rapide schwindendes Talent geblieben.

      Ich kämpfte gegen die Tränen an. Verdammt wollte ich sein, wenn ich es mir erlaubte zu weinen. Wo war mein früheres Leben? Warum war mein Mann nicht bei mir? Und wieso bestimmten vorgespielte Orgasmen meinen Alltag?

      Ich hatte einem Priester geholfen, eine Todsünde zu begehen. Ich hatte zugelassen, dass ein zugekokster Halbitaliener mich schlug. Und ich hatte einen erwachsenen Mann nicht nur genötigt, an einem himmelblauen Pissoirstein zu nuckeln, sondern auch gezwungen, in einem goldenen Urinstrahl zu baden. Selbst die Erinnerung verursachte mir immenses Grausen. Mein Magen rebellierte. Mein Lachsbrötchen drohte nach außen zu brechen.

      Splitternackt floh ich vor den Bildern in meinem Kopf in die Garage. Den kalten Fußboden unter meinen Zehenspitzen spürte ich kaum. Viel zu sehr hielten mich die tröstenden Empfindungen beim Anblick von Rons Harley gefangen. ­Einer 1998iger 1200C Sportster. Funkelndes Chrom, wohin ich auch sah. Der Lack glänzte nass wie am allerersten Tag.

      Ron war schon seit Monaten nicht mehr mit ihr gefahren. Ob ich ein Inserat schalten sollte? Das Geld konnten wir gut gebrauchen – mein Sohn und ich. Unser gemeinsamer Sohn und ich.

      Die Fingerkuppe meines Zeigefingers glitt über den silbergrauen Lack des Tanks und die Lenkstange. Ron liebte diese Maschine. Wochenlang hatte er an ihr herumgeschraubt. Und in den Pausen hatten wir es auf ihr getrieben. Mein nackter Po war über das Leder gerutscht. Meine Orgasmusschreie hatten die Garage erfüllt.

      Nein, dieses Motorrad würde hier auf meinen Mann warten, bis er wiederkam. Falls er jemals wiederkam.

      Schwerer Regen trommelte draußen auf die gepflasterte Auffahrt. Ich warf kurze Blicke aus dem Fenster. Die Wassertropfen stoben sprühnebelartig in die Luft zurück. Mich fröstelte. Ich wollte nur noch eine heiße Schokolade und dann ins Bett. Waschen musste ich mich nicht mehr. Ich hatte ausgiebig im Hotel geduscht. Keine Dusche der Welt konnte den Müll entsorgen, der sich auf meiner Seele angesammelt hatte – nur das Sperma der Männer aus meiner Möse.

      Statt der heißen Schokolade gönnte ich mir ein Glas ­chloriertes Leitungswasser – zapffrisch – und versteckte mich in der heilsamen Dunkelheit des Wohnzimmers. Setzte mich, noch immer nackt, auf die Lehne des Fernsehstuhls meines Mannes.

      Der Regen fiel auf die Wasseroberfläche des Pools, in dem ich schon ewig keine Bahnen mehr geschwommen war. Ich war froh, in der Dunkelheit das Wasser in meinem Glas nicht erkennen zu können. Wasser hat keine Farbe, dachte ich verzweifelt und schlang die Arme um meinen nackten Körper. Wenn ich mich kaum in der dämmrigen Schwärze wahrnehmen konnte, dann konnten es die Geister, die mich heimsuchten, vielleicht auch nicht.

      Draußen knarzte ein Geräusch. Ich zuckte zusammen und rieb meine Arme. Gänsehaut lief mir über den Rücken. Hastig schlich ich zum Waffenschrank meines Mannes und öffnete ihn. Seine Glock 17 fand ich mittlerweile in absoluter Dunkelheit. Ich lud sie durch. Das war wohl wieder eine jener Nächte, in der ich mit geladener Waffe unter dem Kopfkissen schlafen würde. Das kalte Metall der Pistole ließ mich ebenso erschaudern wie die Erinnerung an die französischen Worte meines Anrufers. Hallo Chérie ... Müde torkelte ich ins Schlafzimmer.

      »Wie lange noch, Danielle?«, fragte ich mich. In was war ich da nur hineingeraten?

      Es dauerte einige Sekunden, bis ich bemerkte, dass ich mich bei meinem Escort-Namen angesprochen hatte. Natürlich hieß ich nicht Danielle. So hatte ich nie geheißen. Und ich war auch keine heißblütige, fünfundzwanzigjährige, französische Austauschstudentin. Von Geburt an war ich US-Amerikanerin, wenn auch mit französischen Wurzeln. Hallo Chérie.

      An das alles wollte ich nicht mehr denken. Ich setzte mich auf die violette Bettwäsche meines Kingsize Betts, ließ die geladene Pistole auf meinen Schoß sinken und tastete nach meinem Mobiltelefon. Das Display blendete mich. Ich öffnete den Mitteilungsordner. »Mitteilung verfassen«. Mein Daumen flog über die Tasten.

      »Ronnie, du fehlst mir so. Bitte ...« Ich zögerte. »Bitte ...« Bitte komm und schlaf mit mir! Halte mich!

      Nein, ich war nicht die fünfundzwanzigjährige Studentin, für die ich mich ausgab. Mein Mann Ronald wusste nichts von all dem hier. Durfte nichts davon wissen. Und ich hieß auch nicht Danielle. Ich war einunddreißig, verheiratet und Mutter eines siebenjährigen Sohnes. Mein Name lautete ­Denise. Denise Réjane Harris.

      Unsagbare Müdigkeit lähmte mich. Hallo Chérie. Nicht mehr nachdenken. Nur noch vergessen. Die SMS blinkte mir erwartungsvoll entgegen. Ronnie, du fehlst mir so ...

      Mir stiegen Tränen in die Augen – wie Regentropfen an den Fenstern – ich schluchzte und drückte auf »Löschen«.

      ***

      Wann hatte es angefangen, dass Lügen mein Leben bestimmten? Als Ron und mir das Geld ausging? Als ich als Escort-Girl zu arbeiten begann und meinen Körper verkaufte? Nein. Ich denke, es war viel früher.

      Himmel, ich hatte Ron bereits in den ersten Jahren unserer Ehe so oft betrogen, mit Männern wie seinem besten Freund Steven oder meinem Verleger. Mit Männern, deren Namen ich nicht mehr wusste.

      Ich hatte auch als Kind oft gelogen. Wenn mir Mom etwas nicht kaufen wollte und ich zu meinem Vater ging, der mich fragte, ob Mom damit einverstanden sei. Natürlich wäre sie das, hatte ich mit dem Brustton einer überzeugten Fünfjährigen geantwortet.

      Der ersten SexLüge bediente ich mich, als ich meiner Cousine von meinem »ersten Mal« mit einem Mann erzählte. Ich behauptete, dass ein Junge aus meinem Judokurs mich entjungfert hätte. Aber das war gelogen gewesen. Meiner Mom hatte ich in der Hinsicht nichts vormachen können. Sie erwischte mich eiskalt, bevor ich zu einer Lüge ansetzen konnte. Den Jungen aus dem Judokurs gab es dessen ungeachtet wirklich, aber er hatte nicht mich entjungfert – sondern ich ihn.

      Mein erster Mann im Bett war ein Franzose gewesen. Wenn ich heute an den Altersunterschied denke – er war zum damaligen Zeitpunkt fast dreimal so alt wie ich – dann frage ich mich, ob ich tatsächlich so reif war, wie ich vorgeben hatte zu sein. Der Altersunterschied an sich machte mir weder damals noch heute Kopfzerbrechen, allerdings konnte ich nicht mehr nachvollziehen, warum ich mit ihm hatte schlafen wollen. Vielleicht weil er der einzige Mann in meinem Leben sein sollte, der absolut tabu war. Die Versuchung erwies sich als zu groß, um ihr zu widerstehen.

      Auch dass ich für Sex Geld nahm, hatte nicht erst mit meinem Escort-Job bei Bruce angefangen – so gern ich mir das einredete. Mein erster Mann im Bett sollte auch gleichzeitig derjenige sein, der mich für sexuelle Zärtlichkeiten bezahlte. Ich schlief mit ihm, immer der Gefahr ausgesetzt, erwischt zu werden. Es war dieselbe Erregung, die mich später zu jedem meiner Kunden begleitete. Und diese Angst machte alles erst aufregend.

      Mit den Unwahrheiten über mein »erstes Mal« hatte ich nicht nur meine Cousine belogen, sondern auch Jason, meinen ersten festen Freund während der Highschoolzeit. Ich sagte ihm, ich wäre noch Jungfrau.

      Jason – ein guter Junge, der Star-Quarterback unserer Footballmannschaft – hatte mit dem Sex warten wollen bis nach der Hochzeit. Ich jedoch nicht.

      Bis ins letzte Detail erfüllte ich das Klischee der sexy Cheerleader-Schlampe. Lügen, Lügen, Lügen, sobald ich den Mund aufmachte. Himmel, das war eine halbe Ewigkeit her. Mein halbes Leben ... Durfte es dann noch eine Rolle spielen? Nein, aber ich wurde nicht gefragt.

      Hallo Chérie ...

      ***

      Um drei Uhr morgens hatte der Regen endlich nachgelassen. Ich saß


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