Taken by Berlin. Nicolas Scheerbarth

Taken by Berlin - Nicolas Scheerbarth


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den Wagen mittendurch, hinter der Trennwand zwischen Fahrer- und Fahrgastraum.

      "Gas bereit?" - der Bannführer leise.

      "Jawohl, Bannführer, alles bereit. Wenn sich das Schwein muckst, kriegt er 'ne Ladung reingeknallt."

      "Dann geben Sie mir das Megaphon und lassen Sie jetzt den Wagen öffnen."

      "Los, macht die Dose auf!" - der Rottenführer.

      Sie zerren vorne und hinten. Der Schütze mit der Gaspatronen-Büchse zielt auf den sich öffnenden Spalt.

      "Silajev!" - der Bannführer durch das Megaphon. "Wir holen Sie jetzt raus. Unterlassen Sie jede Gegenwehr! Solange Sie tun, was wir Ihnen sagen, wird Ihnen nichts geschehen."

      In Eile ... der Laser ist bereits wieder abgebaut ... sie drücken die Wagenhälften mit Stangen auseinander, rechnen nicht mehr mit Gegenwehr ... nur wenige Männer auf dem Platz.

      Im hintersten Winkel der Fahrgastkabine ... ein Mann ... silbergraue, kurze Haare, zerwühlt, ein faltiges, hageres Gesicht ohne Farbe ... Joschi Silajev ...

      "Holt ihn endlich da raus. Aber Vorsicht! Vielleicht hat das Schwein noch irgendwo 'ne Pumpe versteckt."

      Klin lässt die Waffe sinken ... entspannt sich und beobachtet den da hinten, einen hilflosen Machthaber ... der Gegner, das Monster, das Schwein, in der Angst so irreal wie in der Fülle und Ferne seiner Macht ... einige lachen nervös, lächerlich erscheint der Anblick, ein Blick in die gewaltsam geöffnete Maschine der Macht, auf eines der kleinen Rädchen, selbstbeschmutzt vor Angst ... die feuchten Flecke sind auf der hellen Leinenhose leicht zu erkennen. Die ihn herausholen sollen, gehen einige Schritte auf das Wrack zu, andere klicken mit ihren Waffen, mehr befriedigte Drohgebärde als berechtigte Vorsicht ... er hat sich in einem letzten, erschrockenen Reflex nach hinten geschoben ... kippt bewusstlos ins Polster.

      Der Rottenführer flucht und treibt sie an. Die Zeit wird knapp. Sie zerren Silajev hervor, zu fünft, packen ihn an Armen und Beinen, schleifen und ...

      "Verdammt, passt auf seinen Kopf auf!"

      ... schleppen ihn die Fahrbahn hinauf zu dem Tankzug. Dort liegen jetzt zwei, drei Kästen oder Behälter auf der Straße, abgeschraubt von den Flanken des Tanks, Sturmpioniere mit Werkzeug daneben ... ein rostiges Gestell ist unter dem Rumpf hervorgeklappt. Heisere Rufe vom Rottenführer der SP ... sie legen Silajev in das Gestell, da ist eine Pritsche, Verkleidungsteile, schieben und zerren ... die Pioniere stürzen sich auf das Gestell und die Kästen ... mit metallischem Schaben, Quietschen und Hämmern wird alles hoch- und zusammengeklappt, befestigt, verschraubt und verkleidet. Eilig laufen sie herum, fast die letzten auf dem Platz. Klin hat sich ausgezogen, Waffengurt und Tarnanzug liegen neben ihm ... ein geröteter, sehniger, nackter Körper inmitten des Blutbades. Er schlüpft in einen grauen Overall, den ihm sein Rottenführer hinhält. Den Overall eines Tankzugfahrers.

      Völlig ruhig geht er zwischen den geschäftigen SP-Männern zur Fahrerkabine ... die Beifahrertür, fast ein Stockwerk über ihm, schwingt auf. Die Kabine ist düster und gut gekühlt ... voll kaltem Glimmen im Grün und Blau der Skalen und Anzeigen.

      "Du bist Klin?"

      Der Fahrer wirkt etwas zierlicher als Klin, klein und drahtig in seinem Recytex-Overall. Klin nimmt Haltung an.

      "Rotter Klin, Gruppenführer, zu Ihrer Begleitung!"

      "Lass das, Rotter! Komm schon, kletter' rauf, damit wir endlich los können. Und ich bin einfach nur Tom."

      Der Gruppenführer hat eine raue, verbrauchte Stimme, älter als sein Aussehen. Klin wirft einen letzten Blick über die Schulter ... die Kameraden strecken die Hand zum Deutschen Gruß, die Fahrzeugteile sind verschwunden, ihr Opfer verstaut. Klin nickt ihnen zu, zieht sich empor und schwingt sich auf den Beifahrersitz.

      "Dann wollen wir mal." – Tom, kratzig und fröhlich.

      Schalter werden betätigt, Lämpchen wechseln ihre Farbe, Skalenzeiger erzittern ... mit einem gezogenen Maschinenstöhnen ruckt der riesige Zug an, zermalmt knirschend Betonbrocken am Rand der Fahrbahn.

      "Halt dich fest," knarrt Tom, "es wird jetzt erst mal ein bisschen unruhig. Ich muss draufdrücken, denn wir sind spät dran, und sie wollen endlich sprengen."

      Aus einem winzigen Bügelchen im Ohr empfängt Tom flüsternde Nachrichten. Wuchtig zieht die Maschine an, spürbar die Kraft der Turbine ... sie fahren. Klin ist der Begleiter. Jung, stolz, ein Elitekämpfer, ein wenig jugendlich unruhig in seiner wichtigen Rolle. Und Tom, der Gruppenführer, der Fahrer.

      Es wird nicht viel gesprochen. Klin lehnt mit dem Kopf an dem abgenutzten, rissigen Polster der Kopfstütze ... die Augen halb geschlossen ... Skalen glimmen, die Maschine singt gleichmäßig, aus dem Bügelchen ein Wispern dann und wann ...

      "Wie läuft's?" will er wissen.

      "Gut," kratzt die einsilbige Antwort.

      Toms Gesicht ist im Zwielicht der Anzeigen von wechselndem Ausdruck, kantig und zart, jung und alt, brutal und weich ... mit einem verwirrenden Funkeln in den Augen, manchmal fast ein zielloses Lächeln ... auf den blaugrauen Spessart hinter den verdunkelten Panzerfenstern gerichtet.

      "Sind sie gut weggekommen?"

      "Bis jetzt. Ja."

      "Keine Verfolgung?"

      "Nein."

      "Und die Renault?"

      "Genau nach Plan."

      "Wie?"

      "Nach Plan. Du kennst den Ablauf nicht?"

      "Nee."

      "Und da haben sie dich hier reingesetzt?"

      "Ebich! Ich weiß, was ich wissen muss. Hier, mein' ich, bis München. Sonst nix."

      "Dann frag auch nicht so viel." Und, mit einem etwas freundlicheren Kratzen: "Es ist alles auf die Minute ausgerechnet. Die Renault wird gerade betankt. Und dabei hat es eine kleine Störung gegeben. Nix Auffälliges, nur eben so lang, wie wir brauchen, ohne dass sie auf den Gedanken kommen, aus Reinmain eine Ersatzmaschine zu schicken."

      Draußen ... karstig wüste Hügel, fleckig mit kümmerlichen Pflanzen, die fast nicht brennbar sind, dämmrig hinter dem dunklen Glas, Helligkeit und Hitze nur zu ahnen an den tiefen, harten Schatten. Einige kleine Solars kommen entgegen. Der Zug überholt ein paar Müslix auf alten Geländefahrrädern, die ihm voller Missbilligung hinterher starren. Vor einer Brücke hat der Reparaturdienst ein Zollhäuschen aufgebaut. Tom zahlt die Maut durch eine kleine Geldschleuse neben seinem linken Knie. Von dem Überfall wissen die Wachleute noch nichts.

      Auf der Erhebung am anderen Ende der Brücke wächst verkrüppelter Wald, dichtes, hüfthohes Wildkraut am Fahrbahnrand ... hinter einer Kurve ein kleiner Transporter zwischen den Büschen, daneben eine große, muskulöse Gestalt mit tiefschwarzen, kurzen Haaren wie eine Kappe ... wackelt ein wenig mit dem Oberkörper ... Pinkelpause. Der Zug fährt langsamer ... hält an.

      "Was ist los?" fragt Klin.

      Die Zugmaschine steht genau neben dem Heck des kleinen Transporters. Klin schaut hinaus, zu Tom ... der große Schwarzhaarige, ein wahrer Hüne, kommt ruhigen Schritts auf die Beifahrerseite zu.

      "Herr Gruppenführer, haben wir denn Zeit für Pausen? Kennen wir diesen Mann?"

      Tom drückt einen Schalter.

      "Endstation, Kleiner!" – fröhlich kratzig.

      Hitze schlägt herein, als die Beifahrertür aufzischt.

      "A..aber ... Gruppenführer, was ... " – Klin blickt irritiert hin und her.

      "Mach's gut!" – kratzend mit fröhlichem Ingrimm.

      Klins Gurt ist plötzlich offen. Tom stößt zu, der Typ vor der Tür nimmt ihn wie eine Feder in Empfang, beiläufig ... sinnlos der Griff zur Waffe unter dem Overall ... schleudert Klin ins Freie, zu Boden ... schlägt benommen auf. Sein Gegner ... seine Gegnerin, eine riesige Frau ... ragt grinsend über ihm auf, hat einen


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