Butler Parker 175 – Kriminalroman. Günter Dönges

Butler Parker 175 – Kriminalroman - Günter Dönges


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Straßen-Gang«, erklärte der Mann. »Große Klappen und nichts dahinter.«

      Parker hatte den Hinterausgang gewählt und ließ den Handlanger des noch unbekannten Dave Mills nicht aus den Augen. Lady Agatha musterte aus der Entfernung die jungen Männer und zeigte große Lust, sich mit ihnen anzulegen.

      »Vielleicht sollten und könnten Mylady zu einem späteren Zeitpunkt pädagogische Maßnahmen hinsichtlich der jungen Männer ergreifen«, schlug Josuah Parker vor.

      »Ich fühle mich belästigt«, antwortete sie aggressiv, »man lauert mir doch auf, oder etwa nicht?«

      »Mylady werden sicher vorerst großzügig darüber hinwegsehen«, vermutete der Butler, »Mylady dürften im Augenblick nur an Briefmarken interessiert sein.«

      Das hochbeinige Monstrum des Butlers stand in der Nähe der jungen Schläger. Näherte man sich dem Wagen, mußten die erwartungsfrohen Mitglieder einer Straßen-Gang auf ihre Opfer aufmerksam gemacht werden. Dem galt es vorzubeugen.

      Josuah Parker erledigte dieses kleine Problem auf seine Art. Er langte in eine seiner vielen Westentaschen, zog eine perforierte Plastikkapsel hervor und drückte sie mit Daumen und Zeigefinger ein, Ein feines Knacken und Brechen von Glas war zu vernehmen. Die Glasampulle in der Kapsel war auseinandergeborsten und gab eine wasserklare Flüssigkeit frei, die sich spontan und aggressiv mit dem Sauerstoff der Luft verband.

      Der Butler beeilte sich nun, die Kapsel wegzuwerfen, Er holte kurz aus und beförderte die kleine chemische Bombe hinüber zu den Mitgliedern der Straßen-Gang. Sie landete ungesehen zwischen den Beinen der jungen Männer, die sich auf die Tür zum Pub konzentrierten.

      Daher übersahen sie auch den feinen, weißlichen Schwaden, der vom Boden hochstieg und sich schnell ausbreitete. Erst als ihre Augen sich mit Tränen füllten und sie von einem kollektiven Husten erfaßt wurden, merkten die jungen Männer, daß da einiges nicht stimmte. Sie spritzten auseinander, waren verwirrt, husteten sich die Seele aus dem Leib und wischten sich die hinderlichen Tränen aus den Augenwinkeln.

      Es dauerte nicht lange, bis sie sich auf den Gehweg-Platten niederließen und jegliches Interesse an ihrer Umwelt verloren. Sie husteten im Chor, weinten und legten eine ungewöhnliche Apathie an den Tag.

      Parker wartete, bis die Schwaden sich verflüchtigt hatten. Dann schritt er gemessen hinüber zum hochbeinigen Monstrum, nahm am Steuer Platz und setzte seinen Wagen bis in Myladys Höhe zurück. Der Mann, der die Detektivin im Pub mit einem Messer hatte bedrohen wollen, ließ sich von der älteren Dame widerstandslos in den Fond des Monstrums drücken. Parker gewann den Eindruck, daß Mylady ihm eine Kostprobe ihres Pompadours verabreicht hatte.

      In diesem perlenbestickten Handbeutel befand sich ihr sogenannter Glücksbringer, nämlich ein echtes Pferdehufeisen, das nur oberflächlich von dünnem Schaumstoff umgeben war. Wer von diesem Glücksbringer gekostet hatte, stand für einige Zeit nicht mehr sehr sicher auf den Beinen.

      »Dieses Subjekt versuchte doch tatsächlich, mich zur Seite zu stoßen«, sagte die Lady entrüstet, als sie sich im Wagen befand, »leider gab es schon nach der ersten Ermahnung auf.«

      »Ein gewisser Lernprozeß dürfte demnach bereits eingesetzt haben, Mylady«, erwiderte Josuah Parker höflich, »die Fahrt hierher zu den Surrey .Docks kann man nur als ausgesprochen glücklich bezeichnen.«

      »Sie sollten immer auf mich hören, Mr. Parker«, erwiderte die ältere Dame prompt und nickte nachdrücklich, »ich weiß genau, wie man einen Kriminalfall anpacken muß. Nun, im Lauf der Zeit werden auch Sie das noch lernen.«

      *

      Das Ladenlokal des Briefmarkenhändlers befand sich im Souterrain eines schäbigen Wohnhauses und ermunterte nicht gerade zum Eintreten. Neben der Eingangstür gab es ein kleines Schaufenster, in dem mit Briefmarken vollgestopfte Plastikbeutel hingen. Die Marken waren vergilbt, reine Massen wäre und wohl seit vielen Monaten nicht bewegt worden.

      Parker öffnete die Tür und schaute sich im Raum um. Es gab eine winzige Verkaufstheke, einige Regale und zwei kleine Vitrinen. Es roch nach stockigem Papier, nach abgestandenem Rauch und schalem Bier. Rechts von der Theke befand sich eine schmale, halb geöffnete Tür.

      »Sie sollten sich bemerkbar machen«, schlug Parker dem Mann vor, der sich inzwischen ein wenig erholt hatte.

      »Ich ...?« fragte der Mann gedehnt.

      »Nun, worauf soll ich warten?« schaltete die Detektivin sich ein. Darauf hüstelte der Begleiter nervös und rief dann halblaut nach Dave Mills.

      »Komm schon«, hörte man aus der Tiefe der hinteren Räume eine scharfe Stimme. Schritte näherten sich, dann erschien ein mittelgroßer, korpulenter Mann mit schwarzen, schnellen Wieselaugen. Der Mann trug einen weißen Verkaufskittel, der sich aber eindeutig nach der Waschtrommel sehnte.

      »Mr. Dave Mills, wie zu vermuten ist?« erkundigte sich Parker und lüftete höflich die schwarze Melone.

      »Dave Mills«, bestätigte der Briefmarkenhändler und blickte auf den Dreißigjährigen. Dann musterte er Agatha Simpson und den Butler.

      »Sie baten darum, Mylady sprechen zu dürfen«, schickte Josuah Parker voraus, »der Überbringer dieser Ihrer Bitte vergriff sich allerdings im Ton, um es mal so auszudrücken.«

      »Dieses Subjekt bedrohte mich mit einem Messer«, schaltete Lady Agatha sich grollend ein, »und so etwas lasse ich mir grundsätzlich nicht bieten. Aber ich bin kaum nachtragend. Sie dürfen mir sagen, was Sie bedrückt, junger Mahn.«

      Der so Angesprochene war gut und gern fünfundvierzig Jahre alt und völlig irritiert. Daß aus seiner eigenartigen Einladung genau das Gegenteil geworden war, mußte er erst noch verdauen.

      »Nun kommen Sie gefälligst zur Sache«, raunzte Agatha Simpson und schlug mit ihrem Pompadour auf die Platte der kleinen Verkaufstheke, die sich durchbog.

      »Das mit dem Messer stimmt überhaupt nicht«, verteidigte sich der Mann aus dem Pub, »so hatte ich das mit dem Messer überhaupt nicht gemeint, Dave, bestimmt nicht.«

      »Sie sollten in der Tat zur Sache kommen, Mr. Mills«, mahnte Josuah Parker höflich.

      »Dieses Rindvieh sollte überhaupt nichts«, brüllte der Briefmarkenhändler gereizt, »hauen Sie ab, bevor ich an die Decke gehe! Ist das klar!« .

      »Sie drohen einer Lady Simpson?« fragte die ältere Dame erfreut.

      »Ich will nur, daß Sie verschwinden. Ich kenne Sie überhaupt nicht, und dieser Idiot da lügt sich was in seine Tasche.«

      Danach sagte Dave Mills nichts mehr.

      Lady Agatha hatte ihm eine ihrer berüchtigten Ohrfeigen verabreicht, worauf der Briefmarkenhändler in einer der beiden kleinen Vitrinen Platz nahm. Glas klirrte und ging zu Bruch. Die vier Holzbeine der Vitrine zeigten sich der Belastung nicht gewachsen und knickten seitlich weg.

      »Sie sollten Myladys Zorn nicht unnötig wecken«, meinte der Butler zu Dave Mills, der seitlich aus den Trümmern der Vitrine rutschte und mühsam aufstand.

      »Okay, Lady«, rief der Briefmarkenhändler und streckte beide Hände abwehrend vor, »ruinieren Sie nicht gleich meinen Laden. Ich sollte Sie, äh, ich sollte Sie mit Bruce Walker zusammenbringen.«

      »Es geht doch, junger Mann«, antwortete Lady Agatha leutseilig, »und wer ist dieser Mann?«

      »Das weiß ich auch nicht so genau, aber... Moment, Lady, ich red’ ja schon. Jetzt fällt es mir wieder ein. Walker ist so ’ne Art Kassierer. Wissen Sie, ich gehör’ nämlich ’ner Händlerkette an.«

      »Und wo, wenn man fragen darf, hält erwähnter Mr. Walker sich augenblicklich auf?« fragte Josuah Parker geduldig und höflich wie stets.

      »Hier«, sagte in diesem Augenblick eine verbindlich klingende Stimme. In der Tür, hinter der der Korridor lag, erschien ein schlanker, großer Mann mit breiten Schultern und katzenhaft lässigen Bewegungen. Er besaß ein gebräuntes Gesicht mit grauen Augen und zeigte zudem noch eine Automatik mit


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