Butler Parker 175 – Kriminalroman. Günter Dönges
warnte der Lässige und lächelte dünn, »ich warte eigentlich nur darauf, Ihnen ein Ding verpassen zu können.«
»Ihr Wunsch ist meiner Wenigkeit selbstverständlich Befehl, zumal die momentanen Umstände keine andere Wahl zulassen«, antwortete Josuah Parker.
*
»Ihr macht überhaupt nichts«, fuhr Bruce Walker den Briefmarkenhändler und dessen Boten an, »geht raus auf die Straße und bringt meinen Wagen. Er steht in der Seitenstraße.«
Die beiden Männer, die sichtbar Lust verspürt hatten, sich auf Lady Simpson und Butler Parker zu stürzen, gehorchten aufs Wort. Sie blickten die ältere Dame und ihren Butler zwar wütend-gehässig an, wandten sich dann aber um und verließen das Ladenlokal.
»Keine Dummheiten«, warnte Bruce Walker noch mal, »mir macht’s überhaupt nichts aus, euch anzunieten.«
»Mylady weiß längst, daß Sie keineswegs bluffen«, antwortete der Butler, »die Organisation, der Sie angehören, verfügt augenscheinlich über einen gut funktionierenden Informationsapparat.«
»Wie kommen Sie denn darauf?« fragte Bruce Walker und tat damit genau das, was Parker beabsichtigte. Walker ließ sich auf ein Gespräch ein.
»Myladys Rückkehr hierher zu den Surrey Docks wurde erstaunlich schnell registriert.«
»Wir sind eben überall«, lobte sich Walker und seine Organisation.
»Nach Lage der Dinge dürfte es sich um einen Ledersack handeln, der mit Banknoten gefüllt ist, nicht wahr?«
»Sie kapieren schnell«, gab Walker zurück und blickte dann kurz auf die ältere Dame, die sichtlich kurz atmete.
»Sie gehören jener Organisation an, die diese Banknoten vermißt?« lautete Parkers nächste Frage.
»Diese Banknoten werden wir jetzt gemeinsam holen«, gab Bruce Walker zurück, »und damit dürfte der Fall für Sie dann gelaufen sein.«
»Mein bescheidener Wagen steht zur Verfügung«, erbot sich Parker, »Mylady werden gegen eine Rückgabe des erwähnten Ledersacks nichts einzuwenden haben.«
»Natürlich nicht«, schnaufte die ältere Dame und faßte ungeniert nach der Herzgegend, »aber ich brauche etwas Wasser, ich muß meine Tablette nehmen.«
»Die können Sie sich zu Hause verpassen, Lady«, meinte der Gangster, der nach Parkers Einschätzung ein eiskalter Killer sein mußte.
»Dann schnell«, bat Lady Agatha und verdrehte die Augen.
»Mylady leidet an Herzschwäche«, warnte der Butler eindringlich.
»Und ich an Zeitmangel«, erwiderte Bruce Walker wegwerfend, »los, Lady, nun machen Sie schon! Bis nach Shepherd’s Market werden Sie hoffentlich noch durchhalten ...«
»Schnell, schnell«, keuchte die ältere Dame und rutschte förmlich in sich zusammen. Sie verlor etwas von ihrem Gleichgewicht und lehnte ihre Fülle gegen die Wand. Bruce Walker aber ließ sich keineswegs beeindrucken. Er blieb auf Distanz und nagelte Lady Agatha und Butler Parker mit den Augen fest.
Der Briefmarkenhändler und sein Bote kamen zurück in das kleine Ladenlokal und machten einen etwas unglücklichen Eindruck.
»Ist mein Wagen da?« fragte der Killer.
»Das Ding ist verschwunden, Bruce«, entgegnete Dave Mills nervös, »hast du die Wagentür offen gelassen?«
»Eine recht unsichere Gegend«, stellte Parker fest.
»Verdammt.« Bruce Walker überlegte und nickte dann. »Kümmert euch um meinen Schlitten. Wir nehmen den von Parker. Los, raus auf die Straße! Und macht keinen Arger, sonst lege ich euch um!«
»Mylady wird kaum in der Verfassung sein, den Ereignissen in den sprichwörtlichen Arm fallen zu können«, gab Josuah Parker zurück und setzte sich in Bewegung, »ist es gestattet, Mylady den hilfreichen Arm zu leihen?«
»Ihr bleibt auseinander«, befahl der Killer mißtrauisch, »ihr sollt ’ne Menge fauler Tricks auf Lager haben.«
»Werden Mylady den Weg bis zum Wagen schaffen?« erkundigte sich der Butler besorgt.
»Ich ... Ich werde mich zusammenreißen«, gab sie kurzatmig zurück, »ich muß es einfach schaffen.«
»Das möchte ich Ihnen auch geraten haben«, sagte der Killer spöttisch, »oder wollen Sie mit ’ner Bleiplombe Zurückbleiben?«
Bis zum hochbeinigen Monstrum war es nicht weit.
Agatha Simpson schleppte ihre Fülle zum Wagen, öffnete die hintere Tür und ließ sich auf den Rückpolstern nieder.
»Sie setzen sich ans Steuer, Parker«, kommandierte Bruce Walker und beging damit bereits einen Kardinalfehler.
»Wie Sie zu meinen belieben.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und nahm am Steuer Platz. Bruce Walker überwachte das Einsteigen mit Argusaugen. Ihm war deutlich anzusehen, daß er eigentlich nur darauf wartete, um einen Schuß anzubringen.
Als Parker Platz genommen hatte, folgte Bruce Walker in den Wagen und setzte sich auf den Beifahrersitz. Er rümpfte die Nase und schaute sich kurz im hochbeinigen Gefährt um.
»Woher stammt denn diese Schrottkiste?« fragte er spöttisch.
»Ein betagter Wagen, der zudem ein wenig laut ist«, erwiderte Josuah Parker und ließ den mächtigen Rennmotor anspringen, »aber er tut noch durchaus seine Dienste, Mr. Walker, wie man hoffentlich demonstrieren kann.«
Parker ließ den Motor aufheulen, und Walker überhörte völlig die noch gebändigte Kraft des Brausens unter der eckigen Motorhaube. Parker blickte kurz auf die Automatik in der Hand des Killers, gab noch mehr Gas und ließ dann plötzlich die Kupplung kommen.
*
Bruce Walker verlor jeden Halt.
Eine unsichtbare, aber gewaltige Faust schien ihn in die Rücklehne geschlagen zu haben. Der Killer war überhaupt nicht in der Lage, seine Waffe auf den Butler zu richten. Hilflos hing der Mann im Sitz und schnappte nach Luft Eine Sekunde später brüllte er nachhaltig auf. Aus dem Polstersitz war eine spitze Nadel gefahren und hatte sich in seine linke Gesäßhälfte gebohrt. Der Vorgang war durch Parker ausgelöst worden, der dazu einen kaum auszumachenden Knopf neben dem Kupplungspedal niedergetreten hatte.
»Das Anzugsvermögen ist noch durchaus bemerkenswert, Mr. Walker, wie Sie vielleicht inzwischen festgestellt haben«, meinte Parker, der die Waffe längst an sich gebracht hatte, »Sie haben sich hoffentlich nicht verletzt.«
Bruce Walker hing noch immer schräg auf seinem Sitz und verspürte einen brennenden Schmerz in der linken Gesäßhälfte. Gleichzeitig aber breitete sich in seinem Unterleib eine Art Lähmung aus. Er war nicht mehr in der Lage, die Beine zu bewegen.
»Was ... Was war das?« fragte er und spielte eindeutig auf den Stich an, der ihn getroffen hatte.
»Sie sitzen nicht bequem?« wollte Parker wissen.
»Meine Beine«, keuchte Walker, »meine Beine ... Und jetzt auch meine Arme .,. Was ist das?«
»Möglicherweise könnte sich Ihr Ischiasnerv eingeklemmt haben«, bot Josuah Parker als Erklärung an. Ihm war natürlich klar, um was es sich handelte. Die Nadelspitze, die aus dem Polster gefahren war, wirkte wie eine Injektionsspritze. Sie war chemisch präpariert und löste eine Art Lähmung aus, die aber nicht weiter gefährlich war.
»Sie... haben mich... reingelegt«, stöhnte Walker. Er war bereits nicht mehr in der Lage, flüssig zu sprechen.
»Sie sollten sich keine unnötigen Sorgen machen, Mr. Walker«, empfahl Parker dem Killer, »Mylady allerdings wird Ihnen sicher Manieren beibringen.«
Auch sie hing noch in der Ecke des Fonds und rückte ihren eigenwilligen Hut zurecht, der tief in die Stirn gerutscht war. Sie stemmte sich dann energisch in die Höhe und griff nach dem Mikrofon der Bordsprechanlage,