Der neue Sonnenwinkel Box 2 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Box 2 – Familienroman - Michaela Dornberg


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das für ein Mann? Wo kam er her? Warum wollte er ausgerechnet in den Sonnenwinkel? Wenn eines gewiss war: Er passte nicht hierher.

      Normalerweise hätte sie ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen, doch es konnte sein, dass er hier jemanden kannte, mit ihm womöglich verwandt war, da wollte sie es nicht zu einer Eskalation kommen lassen und als unhöflich erscheinen. Er war bestimmt nicht einfach so in den Sonnenwinkel gekommen, und ebenso wenig war er einfach so hier vor der Haustür gelandet.

      »Mein Herr, glauben Sie mir. Dieses Haus wird nicht verkauft, und es gibt«, jetzt log sie einfach, und das würde der liebe Gott ihr hoffentlich verzeihen, »einige Interessenten für eine Mietung.«

      Er gab nicht auf, und da erinnerte er sie ein wenig an Rosmarie Rückert, die ebenfalls glaubte, für ihr Geld alles kaufen zu können.

      Dieser Mann wurde richtig unverschämt, weil sie Rickys Adresse nicht herausgeben wollte. Ehe er ging, drückte er ihr eine Visitenkarte in die Hand und sagte, die solle sie ihrer Tochter geben, und die möge ihn anrufen.

      »Ich denke, Ihre Tochter wird eher einen Instinkt für gute Geschäfte haben. Ein Angebot für eine Immobilie, das über dem Marktpreis liegt, erheblich darüber, das kann nur ein Narr ablehnen oder aber«, er maß Inge mit einem verächtlichen Blick, »eine unbedarfte Hausfrau.«

      Nach diesen Worten drehte er sich abrupt um, raste davon. Inge sah noch, wie er in einen auffallenden roten Sportwagen stieg und mit aufheulendem Motor davonfuhr. Das war ja nun wirklich eine Begegnung der besonderen Art gewesen.

      Ehe sie ins Haus zurückging, blickte sie auf die Visitenkarte, die er ihr in die Hand gedrückt hatte.

      Vittorio Mezzato …

      Und dann las sie eine Hoteladresse aus Hamburg, weiter weg ging ja wohl nicht.

      Ein Italiener!

      Roberto Andoni kam ihr in den Sinn, ebenfalls ein Italiener. Sie erinnerte sich an die anfänglichen Vermutungen, er sei von der Mafia. Die waren verstummt, doch wenn nun erneut ein Italiener auftauchte …

      Oh Gott!

      Inge war entsetzt über sich selbst. Wohin verirrten sich ihre Gedanken, den armen Roberto Andoni mit diesem Mann in Verbindung zu bringen, das war geradezu grotesk.

      Nach einem letzten Blick auf die Visitenkarte zerriss sie die ganz entschieden, ehe sie sie in die Mülltonne warf.

      Dieser grässliche Mann hatte ihre gute Laune verdorben, und auch den Spaß an Rickys Haus.

      Dieser Typ als erster Bewerber für die Immobilie, das war kein gutes Zeichen.

      Inge griff nach ihrer Tasche, zog ihre Jacke an, dann verließ sie das Haus.

      Sie war so sehr in ihre Gedanken versunken, dass sie beinahe mit ihrer eigenen Mutter zusammengestoßen wäre. »Hallo, mein Kind, willst du mich umrennen?«, erkundigte Teresa von Roth sich lachend. »Was ist los?«

      Inge erzählte es ihre Mutter, und da sie sehr offen miteinander umgingen, sprach sie auch über ihren kurzzeitigen Verdacht, dieser Mann könne von der Mafia sein und habe etwas mit dem neuen Wirt vom ›Seeblick‹ zu tun.

      Teresa von Roth blickte ihre Tochter an, ehe sie ganz herzhaft anfing zu lachen.

      »Inge, das glaubst du doch hoffentlich nicht wirklich? Roberto Andoni ist ein durch und durch integrer Mann, für den ich nicht nur eine Hand, sondern alle beide ins Feuer legen würde. Es kann ja sein, dass dieser Mensch, der dich so durcheinandergebracht hat, ein Mafiosi ist. Und warum soll er keine Immobilien kaufen wollen? Die Mafia hat viel Geld zu waschen, und sie hat einen Sinn für lukrative Geschäfte. Die Häuser im Sonnenwinkel sind in den letzten Jahren sehr im Preis gestiegen, und es ist kein Ende abzusehen.«

      »Mama, einen solchen Gedanken möchte ich überhaupt nicht zu Ende bringen, die Mafia im Sonnenwinkel.«

      »Die Mafia ist überall, die macht vor nichts halt. Aber vielleicht solltest du diesen Zwischenfall als ein Zeichen sehen. Ricky und Fabian wollen eigentlich verkaufen, du hast es ihnen in erster Linie ausgeredet.«

      »Ja, und dazu stehe ich. Immobilien verkauft man nicht einfach so. Man kann alles beliebig vermehren, Grund und Boden nicht.«

      Teresa von Roth winkte ab.

      »Eine absolute Sicherheit ist es auch nicht, erinnere dich bitte daran, was Papa und mir passiert ist. Wir wurden von unserem sicher geglaubten Grund und Boden vertrieben. Man soll an nichts festhalten. Und unsere Meinung, die du kennst, ist, dass es schön ist, ein Haus zu haben, keine Frage. Aber dann eines, um darin zu wohnen, nicht um Häuser wie Briefmarken zu sammeln. Das lässt einen erstarren, eng werden, und letztlich hat das letzte Hemd, wie man so treffend sagt, keine Taschen. Ricky und Fabian haben das wunderschöne Haus, in dem sie wohnen, und sie wollen auch nicht mehr, das haben sie mir selbst gesagt. Lass sie, was das Haus im Sonnenwinkel betrifft, ihre eigene Entscheidung treffen. Sie können das Geld gut gebrauchen, sie haben Kinder, die kosten. Und wenn sie das Kapital sinnvoll anlegen, können sie die Ausbildung ihrer Sprösslinge sichern.«

      Inge stimmte mit ihren Eltern in vielem überein, was das Geld anbelangte, hatten sie unterschiedliche Meinungen, und das hatte gewiss auch mit der Vergangenheit ihrer Eltern zu tun, dem Verlust, den sie erlitten hatten.

      »Mama, alle Welt stürzt sich auf Immobilien, weil das Geld nichts mehr wert ist. Man bekommt ja überhaupt keine Zinsen mehr, im Gegenteil, es wird ja bereits darüber diskutiert, dass Anleger für ihr Geld Verwaltungskosten an die Banken bezahlen sollen.«

      Wieder winkte Teresa ab.

      »Mein Kind, du verstehst nichts von Geldanlagen, ich verstehe nichts davon. Warum also sollen wir nachplappern, was wir in der Zeitung lesen oder im Fernsehen hören? Eines kann ich dir noch sagen. Ricky hat sehr von einem kleinen Haus, direkt am Meer, in der Bretagne, wo sie waren, geschwärmt. Das wäre auch eine Option, und Ferien in einem Haus zu machen, ist auf jeden Fall komfortabler als mit der ganzen Familie in einem Wohnmobil. Die Kinder werden größer, und eines steht fest, die Bretagne ist ihr Lieblingsferienziel, was ich übrigens verstehen kann.«

      Inge war ganz durcheinander.

      »Das hat sie gesagt?«, erkundigte sie sich.

      »Ja, das hat sie«, bestätigte Teresa von Roth.

      Inge hatte zu all ihren Kindern ein offenes und herzliches Verhältnis. Man konnte über alles mit ihr reden, und da gab es doch immer wieder etwas, womit sie zu ihren Großeltern gingen.

      Als Ricky sich entschlossen hatte, zu studieren, hatten es auch zuerst die Großeltern erfahren. Und die hatten es begeistert aufgenommen, ebenso wie die Pläne von Hannes. Als Jörg sich überlegt hatte, eventuell ins Ausland zu gehen: Mit wem hatte er darüber gesprochen? Mit seinen Großeltern.

      Weil Teresa und Magnus offener und toleranter waren? Aber sie wollte doch nur das Allerbeste für ihre Kinder!

      Inge liebte ihre Eltern über alles, war überglücklich, sie in ihrer Nähe zu haben, doch manchmal war sie eifersüchtig. Das gab sie ja zu.

      »Soll Ricky jetzt an diesen …, diesen Mafiosi verkaufen, nur weil der viel Geld bietet?«, erkundigte sie sich.

      Teresa von Roth blickte ihre Tochter an, dann strich sie ihr über das Haar, wie sie es schon gemacht hatte, als Inge ein kleines Mädchen gewesen war.

      »Sei nicht töricht, mein Kind«, sagte sie, »aber du solltest den Zwischenfall der Polizei melden. Es sind nämlich auch Betrüger unterwegs, die in Wirklichkeit überhaupt nicht kaufen wollen, sondern sich Wissen über Immobilien aneignen möchten, um diese dann in betrügerischer Absicht an Interessenten zum Schein zu verkaufen und von ihnen, ehe es zum Notar gehen soll, eine saftige Anzahlung verlangen.«

      Inge sah ihre Mutter zweifelnd an.

      »Hab ich gelesen«, sagte Teresa, »scheint eine neue Masche zu sein, um an Geld zu kommen. So, aber jetzt muss ich weiter. Ich habe einen Termin bei Frau Doktor Steinfeld. Da möchte ich nicht zu spät kommen. Wenn du magst, können wir heute Nachmittag Kaffee zusammen trinken. Dein


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