Der neue Sonnenwinkel Box 2 – Familienroman. Michaela Dornberg
so sehr Inge sich auch für sie freute.
Der Sonnenwinkel war um zwei wunderbare Menschen ärmer, ja, das war er.
Der Professor und seine Frau begleiteten die Köhlers noch zur Tür und dort gab es einen herzlichen Abschied.
»Frau Auerbach, es war ein wundervolles Essen, und es war ein herrlicher Abend. Den Sonnenwinkel werde ich wohl nicht in so angenehmer Erinnerung behalten. Aber Sie, und Sie, Herr Professor, werde ich niemals vergessen.«
Ganz gerührt umarmte Inge die junge Frau, die jetzt so ausgeglichen, beinahe fröhlich wirkte.
»Mir geht es ebenso«, sagte Inge, »und ich wünsche Ihnen in Ihrem neuen Leben viel Glück.«
»Das können wir gebrauchen«, sagte Tim, der sich ebenfalls bedankte, »die letzten Monate waren nicht gerade schön.«
Damit hatte er recht. Anfangs hatte es wirklich nicht so ausgesehen, als bekämen sie noch einmal die Kurve. Aber es stimmte schon, wenn man wirklich liebte, dann konnte man Berge versetzen.
Noch einmal ein Verabschieden, noch einmal innige Umarmungen, dann gingen die Köhlers, innig umschlungen, davon.
Werner und Inge Auerbach sahen ihnen nach, bis sie im Dunkel verschwunden waren.
»Wirklich nette Leute«, sagte Werner. »Und ganz besonders für ihn ist gut, dass sie jetzt an einen Ort gehen, der ihnen beiden gefällt. Weißt du, mein Schatz«, er drückte sie liebevoll an sich, »heute ist mir erst einmal bewusst geworden, wie wundervoll du bist, und das nicht, weil du dich beim Kochen wieder einmal selbst übertroffen hast. Das Essen war sterneverdächtig. Nein, heute ist mir erst einmal so richtig bewusst geworden, was ich dir zugemutet habe. Ich habe mich beruflich verwirklicht, habe an allen Plätzen der Welt gearbeitet, und du bist mir ohne zu murren gefolgt. Und diese junge Frau wäre beinahe am Sonnenwinkel, der ja nun wirklich schön ist, zerbrochen …, ich danke dir, mein Herz, ich danke dir von ganzem Herzen. Es ist so schön, dass es dich gibt.« Dann fügte er noch ein »Ich liebe dich« hinzu, ehe er sie küsste.
Und da hatten sie alle beide, ganz so wie früher, Schmetterlinge im Bauch.
Inge hätte ihm gern gesagt, dass es ihr niemals etwas ausgemacht hatte, ihm zu folgen. Das hatte Zeit, viel schöner war es augenblicklich, sich dem Gefühl hinzugeben, das man Liebe nannte, und die konnte man auch empfinden, wenn man nicht mehr ganz taufrisch war, wenn man erwachsene Kinder und sogar schon Enkelkinder hatte.
Wahre Liebe fragte nicht nach dem Alter, nach der Hautfarbe, nicht nach arm oder reich. Wenn sie da war, dann war sie wunderschön und hüllte einen ein wie ein warmer Mantel.
Die Auerbachs, die liebten sich, und das war unbeschreiblich schön.
*
Roberto Andoni hatte ja erst viele Probleme mit der Denkmalbehörde gehabt, und er konnte den ›Seeblick‹ nicht eröffnen, weil ihm so viele Steine in den Weg gelegt worden waren. Der ›Seeblick‹ hatte über viele Monate leer gestanden, und eigentlich war es Nicki zu verdanken, dass Roberto nachgegeben hatte und von seinen ursprünglichen Plänen abgerückt war. Er wollte für sich und sie eine Existenz und ein Heim schaffen, weil es oben im Haus wunderbare Wohnräume gab.
Das Restaurant war fertig, seine anderen Wünsche hatten sich nicht erfüllt.
Heute war auf jeden Fall die Eröffnung, Roberta hatte keine Ahnung, ob Nicki kommen würde. Erst hatte sie sich nicht dazu geäußert, danach war sie nicht zu erreichen gewesen.
Roberta freute sich auf jeden Fall auf die Eröffnung, und sie hatte Robertos Einladung mit Freuden angenommen, bei deren Gestaltung er sich sehr viel Mühe gegeben hatte.
Roberto, dieser gut aussehende Römer, hatte Stil und Geschmack. Dass es ihn in den Sonnenwinkel getrieben hatte, waren rein private Gründe, die wilden Spekulationen, die Mafia könne dahinterstecken, um Geld zu waschen, hatten sich längst im Sande verlaufen. An so etwas zu denken, war ohnehin verrückt gewesen, die Mafia suchte sich ganz bestimmt keinen Ort irgendwo im Nirgendwo aus.
Als Roberta vor dem ›Seeblick‹ ankam, stellte sie mit Erstaunen fest, dass da schon eine Menge los war. Es hatten sich viele Gäste eingefunden, und Roberta hatte eine Menge Leute zu begrüßen. Dass war der Nachteil, wenn man die Ärztin des Ortes war, da war man bekannt wie ein bunter Hund und konnte nicht unentdeckt den Abend genießen.
Roberta unterhielt sich mit einer Patientin, die nicht aufhören wollte, ihr die Leidensgeschichte ihrer Cousine zu erzählen, und sie war heilfroh, als sie Teresa und Magnus von Roth sah, die auf sie zugesteuert kamen und sie befreiten.
»Ich habe gesehen, wie die Frau auf Sie einredete, Frau Doktor«, sagte Teresa, »und da sagte ich zu Magnus, dass wir Sie da loseisen müssen.«
»Dafür bin ich Ihnen unendlich dankbar, Frau von Roth«, gab Roberta zu. »Es ist schön, dass Sie auch hier sind. Und Ihre Tochter und der Professor, die haben doch auch ganz bestimmt eine Einladung erhalten, oder?«
Inge Auerbach war die Tochter dieser reizenden Menschen, und Roberta wusste nicht, wen sie lieber hatte, die Eltern oder die Tochter.
»Die kommen später«, sagte Magnus von Roth, »Werner kommt erst heute Abend aus Mailand zurück, wo er einen Vortrag halten musste. Inge holt ihn vom Flughafen ab, und dann kommen sie direkt hierher. Das lassen sie sich nicht entgehen. Waren Sie schon im Restaurant? Es soll ja ganz toll geworden sein.«
Das war Roberta nicht, sie sagte auch nicht, dass sie ein wenig von Nicki wusste, die von Roborto zu einem Candlelight-Dinner eingeladen worden war als das Restaurant beinahe fertig war. »Dann gehen wir doch mal hinein«, sagte Teresa, »und sehen uns alles an.«
Magnus und Roberta waren einverstanden, und sie begaben sich zu dritt ins Restaurant, in dem bereits reges Leben herrschte und wo für die geladenen Gäste ein fantastisches Buffet aufgebaut worden war.
Roberto Andoni hatte sich nicht lumpen lassen. Es fehlte an nichts, es gab auch mehrere Hummer, und die dienten nicht der Dekoration, obwohl sie auf der üppigen Tafel natürlich beeindruckend aussahen.
Manche Leute interessierten sich ja in erster Linie für die leiblichen Genüsse, die geboten wurden.
Die von Roths und Roberta wollten sich erst einmal in aller Ruhe die Einrichtung des Restaurants ansehen, und sie waren begeistert.
Und das kam nicht von ungefähr. Es war nicht wiederzuerkennen, und der neue Wirt hatte wirklich an nichts gespart.
»Wie schön alles geworden ist«, rief Teresa von Roth ganz begeistert aus, und ihr Mann und Roberta konnten ihr da nur zustimmen. Sie kannten ja den ›Seeblick‹ noch von früher, als die Lingens ihn betrieben hatten. Da war alles sehr einfach, ziemlich alt, man konnte sagen, schlicht gewesen. Man hatte es so hingenommen, weil es immer so gewesen war und es für den Sonnenwinkel keine Alternative gab. Außerdem zählte für die Gäste, dass Monika Lingen eine ganz ausgezeichnete Köchin war, die so manche Gäste zum Staunen brachte, weil man solche Genüsse in diesem Ambiente nicht vermutete. Roberta war es ja auch so gegangen.
Es wäre vermutlich noch immer so, die Lingens wären noch immer im »Seeblick«, hätte Monika nicht den schlimmen Herzinfarkt bekommen, den Roberta, die zum Glück gerade zum Essen da war, sofort erkannt und entsprechend gehandelt hatte. Sonst hätte die Wirtin das nicht überlebt.
Dieser Zwischenfall hatte den Lingens bewusst gemacht, wie endlich das Leben doch ist. Und was niemand für möglich gehalten hätte: Kurz entschlossen hatten sie alles an Roberto Andoni verkauft, um das Leben zu führen, von dem sie geträumt hatten.
Ganz oben auf ihrer Wunschliste hatte der Jakobsweg gestanden, und den waren sie tatsächlich gegangen. Roberta hätte es nicht für möglich gehalten, weil sie trotz allem im Sonnenwinkel sehr verankert gewesen waren, und ihnen hatte das Leben ja auch gefallen, sie waren beliebt, erfolgreich. Aus solchen Fesseln kam man, trotz aller Wünsche und Träume, nur schlecht raus. Die Lingens hatten es geschafft, und Roberta war sehr beeindruckt gewesen und hatte sich gefreut.
»Und sehen Sie nur, was für wundervolle Bilder hier überall