Räucherstoffe und Räucherrituale. Thomas Kinkele
werden und eine formbare Masse erzeugen, die nach dem Trocknen eine gewisse Festigkeit erhält.
Wir sehen also, dass viele kreative Ideen hier auf den experimentierfreudigen Räucherfreund warten.
* Mellie Uyldert, „Verborgene Kräfte der Pflanzen“, Irisiana München 1984
Räucherrituale
Ein Ritual ist eine zielgerichtete Handlung, um einer bestimmten Absicht Nachdruck zu verleihen. Die Symbolik von Gegenständen, Worten, Bildern und Zeichen unterstützt die Handlung und erinnert an die Absicht. So kann es zu einer tiefen Verbindung der Innen- und Außenwelt kommen. Im Zusammenhang mit aromatischem Rauch bekommt eine solche Handlung eine ganz besondere Kraft.
Fragen wir uns doch einmal, welchen Sinn ein solches Ritual erfüllen kann. Diese Frage lässt sich nämlich ganz einfach beantworten:
Den Menschen in den inneren Kreis des Lebens zurückzuführen.
Außerhalb dieses Kreises zu bleiben bedeutet Entfremdung, Abspaltung, Isolation von der lebendigen Gemeinschaft. Einsamkeit, Misstrauen, Ablehnung und Angst sind die Konsequenzen. Das sind keine heilsamen Faktoren in der Auswirkung auf unser Lebensgefühl. In diesem Sinne ist alles, was in die innere Verbundenheit mit dem Leben führt, heilsam. Dies entspricht auch dem schamanischen Weltbild und findet in unseren Breiten unter dem Begriff der Ganzheitlichkeit immer mehr Beachtung.
Heilung im schamanischen Sinne bedeutet Integration, Wiedereingliederung in die Gemeinschaft des Lebens. Kein Aspekt kann außerhalb seines Zusammenspiels mit dem großen Ganzen wirklich erkannt und sinnvoll genutzt werden. Der Sinn eines solchen Rituals ist also immer daran zu messen, inwieweit es dem Lebensprozess dient und der Entwicklung des Lebens förderlich ist.
Anders gesagt sind Räucherrituale also ein Werkzeug, mit dem wir uns auf ganzheitliche Art und Weise einem Zustand nähern, den wir als wünschenswert betrachten.
Da Symbolik in einer rituellen Handlungsweise eine bedeutsame Rolle spielt, ist es angezeigt, die Sprache der Zeichen und Symbole etwas genauer anzuschauen.
Immer, wenn die Bedeutungsinhalte unserer Alltagssprache zu enge Grenzen setzen, sodass Unaussprechliches entsteht, brauchen wir Zeichen und Bilder, um diesem Phänomen Ausdruck zu verleihen. Diese Zeichen oder Bilder stehen dann für Bedeutungsinhalte, ohne sie in Worte fassen zu müssen.
Es ist wichtig, ein Ritual immer als eine Handlung zu sehen, die uns in den gegenwärtigen Moment bringt. Nicht, was gestern oder was morgen geschieht, ist wichtig, sondern nur der Augenblick, das Hier und Jetzt. Wenn wir uns das vergegenwärtigen, dann haben wir auch alle Freiheit, unsere Rituale selbst zu gestalten. Wir brauchen nicht auf altüberlieferte Formen zurückgreifen, in denen wir die Wahrheit eher vermuten als in uns selbst. Das tun wir letztlich nur, weil wir der Ansicht sind, die Vergangenheit wäre von der Gegenwart getrennt. Im Raum der Gegenwart liegt die authentische Form und wir dürfen unsere eigenen Rituale aus uns selbst heraus schöpfen.
Auf diesem Hintergrund möchte ich Ihnen eine Reihe von Ritualen vorschlagen, die Ihnen zur Anregung dienen mögen, Ihre eigenen Ausdrucksformen kreativ zu entwickeln. Ein Symbol ist auf einem Blatt des Pipal- oder Bodhi-Baumes (Ficus religiosa) abgebildet. Dieser mächtige Baum ist von großer religiöser Bedeutung und einer der wichtigsten heiligen Bäume in der indischen Mythologie.
Man verwendet seine Blätter in ritueller Verehrung als Opfergabe, um eine glückliche Verbindung zweier Menschen zu erbitten. Er steht für das männliche Prinzip. Den Frauen soll er Fruchtbarkeit verleihen. Auch Lakshmi, die Göttin des Glücks und Wohlstands, hält sich insbesondere Sonntags in ihm auf, wie der Volksglaube überliefert. Pipal unterstützt nach der hinduistischen Religion alle andächtig vorgebrachten Wünsche, und dies insbesondere in Verbindung mit einem Rauchopfer.
Im Buddhismus wird berichtet, dass Gautama sieben Tage nach Osten blickend mit dem innigen Wunsch nach perfektem Wissen und allumfassender Weisheit in erleuchteter Verzückung unter diesem Baum saß und meditierte. Es offenbarte sich in seinem Geiste ein neues Verständnis der Gebundenheit aller individuellen Existenz: die schicksalhafte Kraft des in Unwissenheit geborenen Seins, das seinen Schatten auf alle sich manifestierenden Seelen in ihrem unstillbaren Durst nach Leben wirft. Er erkannte dabei den ewigen Kreislauf von Entstehung, Leiden und Zerfall, von Tod und Neugeburt. So nannte man diesen Baum auch den Baum der Erleuchtung – den Bodhi-Baum. Er hat tiefe und starke Wurzeln. Sein Stamm verkörpert die Verbindung zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt, Äste und Wurzeln stehen für das Streben nach Vollkommenheit.
Keine Lüge soll unter diesem Baum standhalten können. Man nennt ihn auch den Baum der Rechtsprechung und an verschiedenen Orten Indiens wird unter ihm Gericht gehalten.
Die Nepalesen sehen den Pipal-Baum als Brücke zwischen Himmel und Erde, auf dem die Seelen der Tugendhaften ausruhen und sich erholen können. In Indien werden die Blätter mit religiösen Motiven bemalt, um als kraftvolles Bild-Zeichen die Andacht zu verstärken.
Sie finden jedem der nachfolgenden Rituale ein symbolhaftes Motiv zugeordnet, dessen traditioneller Inhalt aus verschiedenen Kulturkreisen unserer Welt in Resonanz zum jeweiligen Thema steht.
Lassen Sie also das Symbol auf Ihre Phantasie wirken und beobachten Sie, welche Assoziationen in Ihnen entstehen und welche Gefühle angeregt werden.
Die Stoffe, die für das jeweilige Ritual vorgeschlagen werden, sind zweckentsprechend und auf der Grundlage des Ennearom-Systems ausgewählt. Sie lassen sich gut nacheinander verräuchern; es ist aber auch interessant, selbst eine Räuchermischung herzustellen oder sogar eine persönliche Rezeptur zu entwickeln.
In dem Kapitel „Konturen der Räucherstoffe“ finden Sie Beschreibungen der Pflanzen und deren Stoffe. Sie sollten diese genau anschauen und auf sich wirken lassen, wenn eines der Rituale Sie besonders anspricht. Denken Sie nach über Ihre Absicht, die für Sie hinter dem Ritual stehen könnte. Das kann bisweilen einen wahren Kreativitätsschub auslösen. Denken Sie daran: Jeder schöpferische Impuls unterstützt die Absicht und wird die Kraft des Rituals verstärken!
Reinigung und Klärung
Die Lichtquelle hinter dem Schatten
Dieser Themenkreis umfasst alles, was mit Transformation gestörter Raumenergie umschrieben werden kann. Der Raum, den wir physisch einnehmen, sei es unser Zuhause oder ein Ort, den wir vorübergehend in diesem Sinne nutzen wollen, erfüllt eine wesentliche Funktion. Es sollte ein Ort des Rückzugs, des Schutzes, der Intimität, des Schlafens, der Liebe und der Freude sein. Es ist ein Ort, der uns nähren soll. Im besten Falle ist es ein Platz an der Sonne.
Um diesen Zustand zu erreichen, lohnt es sich, die vielen Möglichkeiten des Räucherns auszuloten. Was wir grundsätzlich mit der Transformation der störenden Einflüsse anstreben, ist, die Lichtquelle hinter dem Schatten zu aktivieren. Nichts passiert im luftleeren Raum. Das Problem, das sich uns stellt, hat eine besondere Bewandtnis für uns, hat etwas mit uns selbst zu tun.
Aggression, Krankheit und Tod
Ein Raum, in dem jemand