Räucherstoffe und Räucherrituale. Thomas Kinkele
wirkenden Stoffe integriert. Dieser langsame Übergang und der sich aufbauende Hintergrund einer Komposition, die dann ihren Duft über einen langen Zeitraum gleichmäßig abgibt, ist eine faszinierende Erfahrung.
Das Sieb macht damit das Räuchern auch als „Gesellschaftsspiel“ möglich, in dem jede(r) TeilnehmerIn seinen/ihren individuellen Eindruck der jeweiligen Duftkomponente auf ganz persönliche Weise ausdrückt. Dabei werden die unterschiedlichen Charaktere deutlich, die Anwesenden zeigen etwas von sich selbst und die Komposition wird dann den gemeinsamen Prozess als aromatische Wolke konstruktiv und wie ein Schutzschild begleiten.
Natürlich ist es wichtig, das Sieb reinigen zu können, um bei erneuter Benutzung wieder einen vollkommen neutralen Ausgangspunkt zu haben. Zunächst drückt man auf die Unterseite des erkalteten Siebes und alle groben Rückstände springen sofort ab. Harzreste werden direkt über der Flamme abgebrannt. Dann muss das Sieb abgebürstet werden. Für diesen Zweck ist es unbedingt nötig, eine gute Metallbürste zur Hand zu haben, wie sie etwa zum Aufrauen von Wildlederschuhen benutzt wird. Im Handel sind geeignete Bürsten speziell für diesen Zweck erhältlich.
Da ein brauchbares Sieb aus Edelstahl bestehen muss, ist es rostfrei und kann mit Seifenlauge immer wieder blitzblank und von allem Ruß gereinigt werden.
Das Räucherstövchen
Ein sinnvolles und dekoratives Objekt nach dem Prinzip der Aromalampe kann entstehen, wenn für die Benutzung des Räuchersiebes die optimalen Voraussetzungen gegeben sind.
Die Halterung für das Sieb muss so angebracht sein, dass seine Mulde ca. 3 – 4 cm über der Flammenspitze ruht.
Das Teelicht sollte geschützt in einem Behälter aus feuerfestem Material (Keramik, Metall, Glas) liegen, der genügend Luft für die Flamme gewährleistet. Etwas Sand unter dem Teelicht ermöglicht eine schnelle Reinigung, falls Wachs ausläuft; ebenso lässt sich damit der Abstand zum Sieb variieren.
Ein durchlöcherter Deckel kann bei einem solchen Stövchen noch einen zusätzlichen Vorteil bringen, wenn der Hitzestau unter dem Deckel das Material gleichmäßig und geschützt zum Verglimmen bringt.
Grundsätzlich muss an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen werden, dass eine offene Flamme immer mit größter Achtsamkeit behandelt werden sollte. Zu oft hat die Erfahrung gezeigt, wie unberechenbar Feuer sein kann.
Da insbesondere viele Harze und Resinoide sehr leicht entzündbar sind, ist eine vorsichtige Herangehensweise aus Sicherheitsgründen unerlässlich. Prüfen Sie immer mit sehr kleinen Mengen die Reaktion des verwendeten Materials, platzieren Sie das Stövchen auf einen feuerfesten Untergrund und lassen Sie es nie unbeaufsichtigt brennen!
Das handelsübliche Paraffin-Teelicht ist für derartige Stövchen vorgesehen. Ausschließlich in Glasgefäßen abbrennen und immer die Aluhülse entfernen! Der Docht muss mittig im flüssigen Wachs stehen. Das sollte immer wieder überprüft werden. Es sollten auch keine Bienenwachs- oder Stearinkerzen eingesetzt werden, da diese mit erheblich höherer Temperatur brennen.
Die Feder
Es ist angezeigt, den aufsteigenden aromatischen Rauch zu verwedeln, um seine besondere Qualität besser erschnüffeln zu können. Das weiß instinktiv jeder und fächelt sich den Rauch mit der Hand zu. Für diesen Zweck ist die Feder optimal geeignet. Sie streichelt die Luft, das Element der Kommunikation, und verwirbelt den Duft auf eine ganz subtile Weise, wodurch sich dieser Duft intensiver wahrnehmen lässt. Er scheint sich durch diese Wirbel deutlicher übermitteln zu lassen. Das ist auch für den ungeschulten Beobachter der eigenen Sinnesresonanz auf Anhieb spürbar.
Mischen und Komponieren
Grundsätzlich ist es möglich, alle aromatischen Stoffe miteinander zu verbinden und spezielle Kompositionen und Rezepturen zu entwickeln. Wie beim Kochen sind der Kreativität dabei keine Grenzen gesetzt. In der Sachbuchliteratur zu diesem Thema finden wir häufig spezielle Zusammenstellungen, die bestimmte Wirkungen erzielen und zu besonderen Anlässen geeignet sein sollen. Diese Vorschläge stammen zumeist aus traditionellen und spirituellen Hintergründen. Astrologie, Okkultismus und ethnisch-magische Konventionen sind der Nährboden, der viele dieser Rezepturen hervorgebracht hat. Für den Leser wird dabei möglicherweise nahe gelegt, eine bestehende Erfahrung zu übernehmen. Dagegen ist nichts zu sagen und im Kapitel über die einzelnen Räucherstoffe erhalten Sie Hinweise über deren traditionelle Hintergründe. Mein besonderes Anliegen ist jedoch, die Eigenkompetenz des Individuums zu stärken und zur ureigenen schöpferischen Kraft zu führen. Im besten Falle bilden die persönlichen Erfahrungen des Einzelnen den Leitfaden. Die Intuition spielt dabei eine wichtige Rolle, denn es ist die Stimme des Herzens, die es wahrzunehmen gilt. Das, was für den Einzelnen in einem gegebenen Moment wirklich stimmt, soll mit der Nase herausgefunden werden. Natürlich kann ein Kochbuch einen guten Zweck erfüllen, nämlich Anregung bieten. So gesehen kann eine Rezeptur, wie die der fragmentarisch überlieferten Herstellung des altägyptischen Kyphi, durchaus die Lust auf eigene Experimente hervorrufen.
Der Mörser
Viele der am Markt erhältlichen Räuchersubstanzen sind noch in einer niedrigeren Verarbeitungsstufe belassen. Das heißt, sie können noch feiner geschnitten, zerstoßen oder gemahlen werden, bis sie einen pulverisierten oder pastenartigen Zustand erreichen. Grundsätzlich ist das von Vorteil, weil die aromatischen Bestandteile sich so länger erhalten. Für den kreativen Räucherfreund ist deshalb ein Mörser unerlässlich, um den letzten Verarbeitungsschritt vollziehen zu können.
Es ist eine schöne Arbeit, weil die Aromen sich beim Mörsern wunderbar entfalten und die eigene Inspiration fördern, während man arbeitet. Auf diese Weise befindet man sich bereits bei der Vorbereitung des Räucherwerkes in einem inneren Dialog mit der Pflanze, die ja ihren Teil zum Gelingen des Endproduktes beitragen soll.
Kyphi
So heißt das berühmte Räucherwerk aus dem Alten Ägypten und war ein Hauptexportartikel dieser Zeit. Die Zusammensetzung ist fragmentarisch aus Schriftrollen und Steintafeln in den Pyramiden überliefert.
Folgende Stoffe sollen unter anderem darin enthalten gewesen sein:
Myrrhe, Kardamom, Galgant, Mastix, Zimt, Benzoe, Rosenblüten, Lemongrass, Kalmuswurzel, Wacholder, Weihrauch und Sandelholz.
Interessant ist, dass kulinarische Genüsse bei der Herstellung von besonderen „Spezereien“ verwendet werden können und auch in verräucherter Form die Sinne beflügeln. So können bei der Kyphi-Zubereitung Sultaninen über Nacht in Rotwein eingelegt werden. Die einzelnen Stoffe sollen im Mörser zerstampft und mit den zerdrückten Sultaninen und einer Messerspitze Waldhonig gut durchgeknetet werden. Dann wird die Masse zwischen den Handflächen zerrieben und auf einem Tuch mehrere Tage an einem dunklen, kühlen und luftigen Ort zum Trocknen ausgelegt. Wenn das daraus entstandene Gemisch verräuchert wird, verbreitet es einen süß-aromatischen Duft, der außerordentlich entspannend wirkt. Ihm wird nachgesagt, dass er, am Abend geräuchert, die Sorgen des Tages vergessen lässt.
Trockenpflaumen werden in der japanischen Welt der Spezereien verarbeitet und auch viele andere Trockenfrüchte bieten sich in diesem Zusammenhang als aromatische Komponenten an. Klassische Bindemittel – wie bereits im Zusammenhang mit der Herstellung von Räucherstäbchen erwähnt – sind Traganth