Wenn die Träume laufen lernen 2: LANZAROTE. Gabriele Ketterl

Wenn die Träume laufen lernen 2: LANZAROTE - Gabriele Ketterl


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seinen Kuss nicht zu erwidern, wäre ich nie gekommen. Dazu küsste Carlos einfach viel zu gut.

      Er löste seine Lippen mit spürbarem Zögern von meinen.

      »Darf ich dich überhaupt noch küssen?«

      »Wenn dem nicht so wäre, hättest du das gerade sicher bemerkt. Ich gestehe, dass ich deine Nähe sehr genieße. Du tust mir gut. Es ist irgendwie so, als würdest du mich konstant erden.«

      »Danke, Cara. Aber auch wenn ich gerne den ganzen Tag mit dir hier liegen würde, wir müssen raus.«

      Lachend knuffte ich ihn in die Rippen. »Na, dann mach, dass du verschwindest. Mal sehen, wer schneller fertig ist.«

      Er war in geradezu atemberaubendem Tempo aus dem Bett und an der Balkontür.

      »Verdammt, Carlos! Wir haben eine …« Zu dem Wort »Tür« kam ich gar nicht mehr, so schnell war er über die Brüstung geklettert. Nun ja, das musste er wissen. Unter Höhenangst litt er ganz sicher nicht.

      Zehn Minuten später – absolut rekordverdächtig – stand ich geduscht und mit frisch gebürsteten Haaren in meiner Wohnung. Ich schlüpfte in Jeans und ein pinkfarbenes T-Shirt mit halblangen Ärmeln, zog meine weißen Turnschuhe an und beließ es in Sachen Schminke bei rosa Lippenstift. Eilig lief ich hinaus und rannte in Fernando.

      »Mann, Cara, kündige doch so was vorher an, damit ich entsprechend reagieren kann.« Grinsend hielt er mich fest.

      »Guten Morgen, du Casanova. Gut geschlafen in der ersten Nacht?«

      Er nickte. »Nach zwei Wodka-Orange hat das durchaus gut geklappt. Ich bin froh, dass ich pünktlich wach war. Lucio hat ein interessantes Mischungsverhältnis bei seinen Drinks.«

      »Oh ja, das hat er. Und jetzt ab ins Restaurant.«

      Pünktlich traten wir in den Teambereich. Direkt hinter uns kamen Lise und Oliver herein, alle anderen waren schon da. Nun gut, alle von unserer Truppe. Der Rest war ja für zehn Uhr einbestellt. Allerdings war zu unser aller Überraschung die Frau mit den schwarzen Haaren auch schon anwesend. Sie musterte uns fragend, ehe sie sichtlich nervös zu uns kam.

      »Guten Morgen, ich wollte mich nur kurz vorstellen. Ich heiße Rachel und bin seit drei Wochen hier. Tut mir leid, wenn ich euch störe, aber ich wollte mit euch reden, ehe die anderen da sind.«

      Carlos machte eine einladende Geste. »Kein Problem, bitte setz dich doch zu uns.«

      Wir stellten die Stühle um einen der Tische und sahen erwartungsvoll zu ihr hinüber. Sie rang um Worte. »Also, mir geht es darum, dass ich sehr gerne bleiben würde. Ich habe mich wirklich gut auf die Stelle hier vorbereitet und sehr gefreut, als Robert mich angeheuert hat. Dass es sich dann so entwickelt, das habe ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Ich habe nie etwas gesagt, denn Allan – das ist der mit den roten Haaren, der hier der Wortführer ist – hat sich deutlich ausgedrückt. Jeder, der ausschert, fliegt sofort. Also habe ich den Mund gehalten und mich angepasst.« Sie knetete ihre Hände. »Was hätte ich denn tun sollen? Ich hab auch jetzt noch Angst davor, dass ich mit den anderen gehen muss. Aber ich möchte wirklich gerne bleiben.«

      »Jetzt erst mal ganz ruhig bleiben, Rachel.« Carlos lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte sie aufmerksam. »Von müssen kann keine Rede sein. Ich habe lediglich das Gefühl, dass das sogenannte Team hier heute den Paukenschlag plant, indem alle zusammen hinwerfen und mit Croyden morgen verschwinden.«

      Rachel nickte nachdrücklich. »Das stimmt. Sie denken, ohne sie seid ihr aufgeschmissen, und werden heute kündigen. Robert hat angekündigt, dass er in Marbella einen Club übernehmen kann und sie alle mitnimmt.«

      Auf Carlos‹ Zügen machte sich Erleichterung breit. »Gott sei Dank! Das erspart mir das ganze dumme Zeug mit den Kündigungen.«

      »Das heißt, ihr habt gehofft, dass wir gehen?«

      Rachel war eindeutig überrascht.

      Fernando lächelte sie nachsichtig an. »Das haben wir. Das hat auch Jaime, unser Chef, so eingeplant. Und glaube mir, wenn ich in unser aller Namen sage: Wenn wir etwas nicht sind, dann ist das aufgeschmissen.«

      »Da spricht Fernando exakt aus, was wir alle denken.« Carlos lächelte Rachel aufmunternd an. »Aber erzähl doch einmal, was du überhaupt hier machst.«

      »Ich bin für Aerobic und Yoga eingestellt worden. Wenn das jemand von euch macht, dann muss ich wohl gehen.«

      Carlos strahlte über das ganze Gesicht. »Nein, musst du nicht. Im Gegenteil. Cara und Silvie, die das bei uns im Team bisher gemacht haben, sollen sich mehr in die Kommunikation mit den Gästen einbringen und dafür sorgen, dass dort alles perfekt läuft. Wenn du zusätzlich im Team bist, dann ist das prima. So könnt ihr abwechseln, untereinander tauschen und jeder ist zufrieden. Cara, Silvie, eure Meinung?« Er wandte sich uns mit fragendem Blick zu.

      Ich zuckte die Schultern. »Von mir aus liebend gerne, wenn du, Rachel, nicht die gleichen Allüren hast, wie die Herrschaften sie bisher an den Tag gelegt haben.«

      Silvie nickte. »Ich denke genauso. Von mir aus sehr gerne.«

      Rachel gelang zum ersten Mal ein richtiges Lächeln. »Ehrlich? Das wäre wirklich schön, denn ich habe mich so auf Costa Azul gefreut und war schon ziemlich traurig, dass alles vorbei sein sollte, ehe es begonnen hat.«

      Carlos war sichtlich erfreut. »Sehr schön! Das fängt doch gut an. Wenn der Rest nun noch problemlos entschwindet, dann ist der erste große Schritt getan.«

      »Ha, Leute, der erste Schritt ist bereits getan. Habt ihr gesehen, was der Koch alles aufgefahren hat? Eier in vier Varianten, Kartoffelbrot aus La Gomera, frisches Obst, Tortilla, Churros, Bacon, Thunfischsalat und was weiß ich alles.« Andy war schon einmal von der neuen Essensauswahl begeistert.

      Guter Dinge nach diesem ersten Gespräch holten wir uns unser Frühstück und es war köstlich. Tino winkte uns von der Küche aus fröhlich zu und Carlos reckte beide Daumen in die Höhe.

      Um Punkt zehn Uhr wurde es eng im Teambereich des Hauptrestaurants. Wie nicht anders zu erwarten, glänzte Robert Croyden mit Abwesenheit. Seine blonde Assistentin erklärte schnippisch, dass er seine Abreise für morgen vorbereiten würde und daher leider nicht teilnehmen könne.

      Carlos meinte daraufhin, dass der Ex-Chef dieses Clubs an nichts mehr teilnehmen müsse, was die Dame relativ rasch zum Schweigen brachte.

      Das Animationsteam, das aus acht Leuten bestand, stand oder saß mit höchst unbeteiligten Blicken herum und schien nur darauf zu warten, seine Bombe platzen lassen zu können. Drei der Angestellten von der Rezeption standen hilflos an die Wand gelehnt und schienen nicht zu wissen, was sie erwartete. Lucio war tatsächlich aufgetaucht. Sein Kollege, ein junger Spanier mit dem interessanten Namen Valente, musterte uns neugierig mit großen Augen. Da schien Lucio wohl schon geplaudert zu haben.

      Mit sichtlichem Misstrauen bedachten uns vier Frauen und zwei Männer, die Sergio als die Reinigungscrew vorstellte. Carlos begrüßte die verblüfften Leute mit Handschlag und brachte so zum Ausdruck, dass wir uns keineswegs für etwas Besseres hielten.

      Nach einem Blick auf die Uhr bat Carlos um Ruhe, bedankte sich bei allen fürs Kommen und begann mit seiner Ansprache.

      »Wir wurden hierhergeschickt, da seit geraumer Zeit der Standard, für den der Name Costa Azul steht, nicht mehr gewährleistet ist. Zwar waren wir nicht sicher, was uns erwarten würde, aber schon gestern Abend konnten wir uns ein Bild von allem machen, was im Argen liegt. Dazu gehört unter anderem der Zustand der Anlage, der den Ansprüchen des Clubs einfach nicht mehr gerecht wird. Da ich schon Gelegenheit hatte, mit Sergio über die Gründe zu sprechen, gilt Folgendes: Ab sofort übernimmt das Team der Animation – wie das schon immer Usus war – eigenständig die Reinigung seiner Räume. Dazu gehören die Umkleiden für die Shows und der Kinderbereich innen. Der Außenbereich ist dagegen ebenso zu reinigen wie das restliche Gelände. Sondervereinbarungen gibt es nicht. In Notfallsituationen wie Krankheit oder familiäre Probleme könnt ihr jederzeit an uns herantreten. Wir helfen in allen Bereichen,


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