Der Schlüssel zu unserem Leben. Benita Jochim

Der Schlüssel zu unserem Leben - Benita Jochim


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Gebräu, welches sie Kaffee nannten, brav ausgetrunken hatte, machten wir uns auf den Weg zurück zu den Prüfern, die mittlerweile eine Entscheidung getroffen hatten.

      Alle Paare wurden einzeln hereingebeten, um ihnen zu verkünden, ob sie es geschafft hatten oder nicht. Kayla und Jeremy liefen vor uns und Kaylas lange, glatte rote Haare wippten im Takt ihrer Schritte. Jeremy hatte blondes Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte. Kaylas Körper war nahezu perfekt. Sie hatte eine breite Taille und ihre Beine sahen in jeder Jeans megagut aus. Ihre Oberweite hatte die perfekte Größe. Ihre Haut war leicht gebräunt, die Nase war klein und spitz und ihre Lippen waren voll und kirschrot. Die grünen Augen rundeten das Gesamtbild perfekt ab. Sie konnte massenweise Kalorien in sich hineinstopfen und wurde davon einfach nicht dick. Bei mir war das anders. Ich war zwar dünn, sogar dünner als Kayla, aber das Essen von Süßigkeiten hatte ich schon vor ein paar Jahren aufgegeben. Nichtsdestotrotz naschte ich unglaublich gerne und auf den Genuss des Schokokuchens in der Cafeteria konnte ich einfach nicht verzichten. Dafür schmeckte er einfach zu gut.

      Ezra zwinkerte mir aufmunternd zu, und als wir im Vorraum ankamen, erkannte ich die Anspannung in den Gesichtern. Mir erging es nicht anders. Ich trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und knetete dabei meine Hände. Ezra ließ abwechselnd seine Finger knacken. Das Geräusch machte mich immer wütender, bis ich mich umdrehte und ihm auf die Finger schlug.

      „Hör auf damit. Du weißt ganz genau, dass mich das aufregt.“

      Er schaute mich mit schiefgelegtem Kopf an, ließ es jedoch sein und fing stattdessen an, an seinem Oberteil herumzufummeln.

      Mir kam es vor wie eine Ewigkeit, bis wir endlich aufgerufen wurden. Als wir beide nebeneinander vor den Prüfern standen, von denen zwei Fremde waren, fing mein Herz zu rasen an und die Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten so wild, dass mir schlecht wurde.

      „Hallo, ihr beiden“, begrüßte mich eine der Fremdprüferinnen. „Ich bin Nathalie Stone. Wie ich sehe, seid ihr Geschwister.“

      Da saß wohl Sherlock Holmes persönlich unter den Prüfern. Wir beide sahen uns ähnlich und hatten sogar zufälligerweise den gleichen Nachnamen, aber dass wir Geschwister waren, auf die Idee war wirklich noch niemand gekommen. Ein Hoch auf Sherlock Holmes’ Deduktionsbegabung, durch die wir jetzt wussten, dass Ezra und ich Geschwister waren!

      Trotz der angespannten Situation konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen und Ezra zwickte mich in die Seite, weswegen ich prompt wieder eine ernste Miene aufsetzte.

      Während Nathalie Stone sprach, lächelte sie uns warm an und ich schaute kurz zu Ezra hinüber, um zu sehen, was er davon hielt. Er jedoch hatte sein Pokerface aufgesetzt und starrte die Prüferin nur kalt an.

      „Eure Technik ist sehr gut und ihr habt wirklich Talent. Jedoch stehen dort draußen noch einige andere Paare, die es genauso verdient hätten wie ihr, bei dem Theaterstück dabei zu sein. Wir haben uns lange beraten und sind zu dem Entschluss gekommen“, sie legte eine theatralische Pause ein, wodurch ich noch nervöser wurde und mir die Röte ins Gesicht schloss, „dass wir es versuchen werden und euch mitnehmen in die Welt des Theaters.“

      Ezra atmete hörbar auf und auf meine Lippen legte sich ein Dauergrinsen.

      „Jedoch möchte ich euch darauf hinweisen, dass ich 120 Prozent von euch verlange, und wenn ihr die nicht geben könnt, seid ihr nicht tragbar für das Theater. Also, strengt euch an und trainiert fleißig. Herzlichen Glückwunsch.“

      Ich hüpfte auf und ab und fiel meinem Bruder in die Arme. Er hob mich hoch und wirbelte mich durch den Raum. „Wir haben es geschafft. Wir haben es wirklich geschafft!“, rief er erleichtert und drückte mir einen feuchten Kuss auf die Wange.

      „Siehst du, du musst nur mehr an dich glauben“, flüsterte er mir beim Hinausgehen ins Ohr.

      Sofort umarmte mich Kayla, gefolgt von Jeremy. „Herzlichen Glückwunsch“, sagte meine beste Freundin.

      Wie sich herausstellte, hatten es auch Kayla und Jeremy geschafft. Wir jubelten und entschieden, den weiteren Freudentaumel auf den nächsten Abend zu verschieben, an dem wir uns ohnehin treffen wollten. Danach zog ich mich schnell um und gab mein Kostüm zurück.

      „Hast du Hunger?“, fragte mich Ezra, als wir aus dem Gebäude traten.

      „Und wie!“, war meine knappe Antwort. Ich freute mich schon auf das Essen von Mum. Bei ihr schmeckte es einfach am besten.

      Ezra rief uns ein Taxi, und als wir einstiegen, schloss ich für einen kurzen Moment die Augen. Nun konnte es nur noch bergauf gehen. Wir hatten es geschafft! Ich lächelte und war in diesem Moment wunschlos glücklich. Als das Taxi vor Ezras Haus hielt, zahlte er und hielt mir die Tür auf. Ganz Gentleman. Das hatte er von Dad.

      Nachdem wir den Flur betreten hatten, Ezra mir den Mantel abgenommen und ihn an den Haken gehängt hatte, konnte ich schon die vertraute Stimme von Mum hören, die sich an der Treppe platziert hatte, um uns beiden zu gratulieren.

      „Hallo, ihr zwei Mäuse“, grüßte sie uns von oben.

      „Hallo Mum“, erwiderten wir gleichzeitig.

      Sie schloss zuerst Ezra und dann mich in ihre Arme. „Ich bin ja so stolz auf euch!“, plapperte sie sogleich los. „Wie ist es denn gelaufen? Habt ihr falsch getanzt? Waren die Prüfer streng?“

      Nun kam Dad mit schweren Schritten aus dem Wohnzimmer. „Herrgott, Katharina, lass sie doch erst mal richtig ankommen. Löcher sie doch nicht gleich mit deinen Fragen.“

      „Ach, Mason, ich bin doch nur so froh und glücklich, dass wir die beiden haben.“

      Dad verdrehte die Augen und Ezra lachte leise.

      Es roch wunderbar. Mum hatte unser Lieblingsessen gemacht. Lasagne mit einer großen Schüssel After-Eight-Pudding. Ich leckte mir über die Lippen und konnte den Bauch meines Bruders grummeln hören. Dad hievte die dampfende Lasagne auf den Tisch und ich stellte noch Teller, Besteck und Gläser dazu. Ezra holte aus dem Keller eine Flasche Rotwein, und als wir alle am Tisch saßen, stießen wir auf diesen gelungenen Tag an und machten uns über das köstliche Essen von Mum her.

      Als wir fertig waren, räumte Dad den Tisch ab und wir mussten Mum, die bereits neben dem alten Sofa Stellung bezogen hatte, zum hundertsten Mal erzählen, was die Prüfer gesagt hatten, und sie fragte zum fünfzigsten Mal, ob wir uns auch nicht verletzt hätten. Natürlich sprach mich Dad auf mein derzeitiges Körpergewicht an und ich verdrehte genervt die Augen. Ezra hatte sich neben mich auf das Sofa fallen lassen, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und fing an zu lachen.

      „Dad, ich bin weder untergewichtig noch magersüchtig.“

      „Das habe ich auch nicht gesagt. Ich finde nur, dass du mehr essen solltest.“

      „Magst du meine Figur etwa nicht?“, fragte ich gereizt.

      „Nein, ich wollte doch nur ...“

      „Ach, Mason, lass Heaven in Ruhe. Solange sie sich wohlfühlt, ist doch alles in Ordnung“, mischte sich Mum ein.

      Er ließ sich geschlagen gegen die Sofalehne sinken und sagte zu diesem Thema den ganzen Abend lang nichts mehr. Wir redeten noch eine ganze Weile über dies und das, bis ich beschloss, nach Hause zu fahren. Ich verabschiedete mich von Mum, die mir einen dicken Kuss auf die Stirn gab, und umarmte Dad zum Abschied.

      Ezra begleitete mich noch bis zur Tür. „Gute Nacht, Prinzessin, und schlaf gut.“

      „Du auch“, wünschte ich ihm und umarmte ihn kurz.

      Als die Tür ins Schloss fiel, machte ich mich auf zur U-Bahn-Station. Währenddessen ließ ich den Tag Revue passieren. Und wieder schoss mir in den Kopf: „Wir haben es geschafft.“

      Als ich zu Hause ankam, duschte ich zuerst, zog mich um und ließ mich dann müde ins Bett fallen.

      *

      Kapitel


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