Der Schlüssel zu unserem Leben. Benita Jochim

Der Schlüssel zu unserem Leben - Benita Jochim


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anglotzte.

      Nach einer Weile des Wartens betrat ein Mann den Saal, der, wie wir später erfuhren, der Regisseur des Theaterstücks war. Ihm folgte eine große Frau.

      „Guten Morgen, meine Damen und Herren“, begrüßte er uns und unterbrach damit den Redefluss der Tanzschüler. „Mein Name ist Reff Ledger und die blonde, gut aussehende Frau neben mir ist Ms Elly Watson.“

      Als Reff Elly als hübsch bezeichnete, lief diese rot an und Jeremy, der neben mir stand, musste schmunzeln.

      „Wir werden in genau einem Jahr hier auftreten mit einem Theaterstück, das aus den erfolgreichsten Tanzstücken der Welt bestehen wird. Egal, ob Jazz, Ballett oder Hip-Hop. Alles wird dabei sein. Keine Sorge, wir werden es langsam angehen lassen. Elly wird euch nun ein wenig im Theater herumführen, später werden wir uns wieder hier treffen, um die Regeln zu besprechen und die Rollen zu verteilen. Ihr werdet den ganzen Tag Zeit haben, um euch in eure Rollen einzufinden, und morgen werden wir beginnen. Alles klar so weit oder hat noch jemand eine Frage?“

      Als sich niemand meldete, nickte er Elly zu und verschwand selbst hinter der Bühne.

      „Also, meine Lieben. Ich werde euch ein wenig herumführen. Ich bitte euch, in einer Gruppe zusammenzubleiben und möglichst wenig anzufassen.“

      Damit meinte sie eigentlich, dass wir rein gar nichts anfassen sollten. Wir setzten uns in Bewegung und folgten Elly im Gänsemarsch zwischen den Stuhlreihen hindurch und hinaus aus dem Saal.

      Als wir im Foyer stehen blieben, begann Elly zu erzählen: „Das Barbican Center wurde 1982 in Betrieb genommen und ist das größte Kultur- und Konferenzzentrum in London. Das Theater hat ein Sitzplatzkontingent von 1166 Plätzen. Außerdem gehören ein Konzerthaus mit 1949 Sitzplätzen, das Pit Theatre mit 200 Sitzplätzen und die Barbican Art Gallery zum Zentrum. Des Weiteren befinden sich hier drei Kinos und sieben Konferenzsäle.“

      Während sie sprach, hörte man ständig „Oh“ und „Aha“ von den Tänzern, wodurch sie keineswegs ihr wahrhaftes Interesse an dieser Führung bekundeten. Vielmehr täuschten sie die Aufmerksamkeit nur vor und spielten stattdessen lieber an ihren Handys herum. Dass ihr Geschwätz eigentlich niemanden interessierte, schien Elly nicht mitzubekommen, denn sie redete munter weiter, weswegen einige Mädchen sich ein Kichern nicht verkneifen konnten. Aber auch das schien die Frau nicht zu hören.

      „Durch die deutschen Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg wurde das Zentrum weitestgehend zerstört. In den Fünfzigerjahren wurde ein Architektenwettbewerb veranstaltet, um so die Neugestaltung des Gebäudes in Auftrag zu geben. Das einflussreiche Architektenbüro Chamberlin, Powell and Bon gewann den Wettbewerb. Zwischen 1971 und 1982 wurde das Barbican Centre für 156 Millionen Pfund Sterling errichtet. Am 3. März 1982 wurde es von Königin Elisabeth II. eröffnet. Auch berühmte Schauspieler sind hier schon aufgetreten. Wie zum Beispiel Benedict Cumberbatch, der gerade in der Rolle des Hamlet zu bewundern ist.“

      Ich hörte einige Tänzerinnen hysterisch aufkreischen und verdrehte nur die Augen.

      „Werden wir ihn auch kennenlernen?“, fragte eines der Mädchen.

      „Nein, höchstwahrscheinlich nicht“, antwortete Elly schlicht. Sie erzählte noch einiges mehr über das Barbican Centre, jedoch driftete ich ab und hörte ihr nicht mehr zu.

      Bis Kayla mir von hinten auf die Schulter tippte. „Wir haben ausgemacht, dass wir uns heute Abend bei deinem Bruder treffen und von da aus in ein Pub gehen, um auf unseren Erfolg anzustoßen.“

      Ich nickte. „Das klingt gut.“

      Sie lächelte. „Zieh dir was Schönes an oder sollen wir vielleicht noch vorher zusammen shoppen gehen?“

      „Das hört sich wirklich gut an, Kayla, aber ich will mich auf meine Rolle vorbereiten und sie mit Ezra durchtanzen.“

      „Du bist so eine Perfektionistin, Heaven. Das hat doch Zeit. Woher willst du überhaupt wissen, dass du mit Ezra zusammen tanzt?“

      „Ich weiß es nicht, aber ich denke es mir. Wir tanzen schon von Anfang an zusammen. Wir sind ein Superteam.“

      „Da wäre ich mir nicht so sicher.“

      „Was willst du denn jetzt damit sagen?“

      „Versteh mich bitte nicht falsch, Heaven, aber denkst du nicht, dass wir durchgemischt werden?“

      „Das kann Reff nicht machen! Ich tanze schon immer mit meinem Bruder zusammen.“

      „Tja, das Leben ist kein Wunschkonzert“, meinte sie nur schnippisch und ging wieder zu Jeremy. Was sollte die Nummer denn?

      „Hab ich dir irgendetwas getan, Kayla?“, fragte ich sie wenig später, als ich neben ihr herlief.

      „Nein, ich bin nur sauer. Jeremy und ich werden wahrscheinlich nicht miteinander tanzen dürfen.“

      „Warum denn nicht?“

      „Erstens, weil ich schon länger auf der Schule bin als er, und zweitens, weil ich etwas besser tanze.“

      „Aber ... das heißt, dass meine Chancen auch eher schlecht stehen. Ezra ist schon eineinhalb Jahre länger hier als ich und beim Tanzen ... denke ich, dass wir gleich gut sind.“

      „Ich hoffe es für dich, Schätzchen.“

      „Dann müssen wir eben mit Reff reden.“

      Nun mischte sich Ezra ein, der unseren Dialog mit angehört hatte. „Macht euch nicht im Voraus verrückt. Ihr wisst doch gar nicht, was kommt.“

      Kayla schaute skeptisch zu meinem Bruder.

      Plötzlich stoppte unsere Gruppe und zu meiner Verwirrung stellte ich fest, dass wir mit unserer Führung am Ende waren. Einige der Jungs klatschten übertrieben laut, andere wiederum schauten Elly mit hochgezogenen Augenbrauen an.

      Elly lächelte, bedankte sich geschmeichelt bei den Jungs und nahm wohl nicht zur Kenntnis, dass die Führung sterbenslangweilig gewesen war. Sie hielt eine kurze Abschlussrede, in der sie offenbarte, dass sie das heute zum ersten Mal gemacht hätte, dass alle so wissbegierig gewesen wären und immer schön aufgepasst hätten, blablabla. War diese Frau wirklich so hohl oder tat sie nur so? Es hätte sogar ein Blinder gesehen, dass sie einfach kein Talent für Führungen besaß. Jedoch war sie selbst offenbar anderer Meinung. Die blonde Haarfarbe passte zu dem, was sie in ihrer Birne hatte. Sofort stellte ich mir die Frage, welchen Abschluss sie wohl gemacht hatte und mit welcher Note. Sie hätte sich wohl eher einen Job aussuchen sollen, in dem man möglichst wenig redete.

      Später stellte sich zudem heraus, dass sie ein richtiger Schussel war, denn auf dem Weg ins Erdgeschoss stolperte sie und riss dabei eine Vase um, die glänzend auf einem Sockel gestanden hatte. Autsch, das hatte wehgetan! So viel zum Thema nichts anfassen.

      Na ja, die Jungs lachten sich natürlich halb schlapp und eine Inderin, die mir bis gerade eben noch nicht aufgefallen war, half Elly beim Aufstehen. Peinlich berührt schaute jene sich den Scherbenhaufen an. Die Vase war bestimmt teuer gewesen. In so einem Fall konnte man nur hoffen, dass die Versicherung zahlen würde. Ich musste mir ein Lachen verkneifen und schaute zu meinen Freuden hinüber, denen es ähnlich erging wie mir. Außer meinem Bruder. Er lachte lauthals. Sein Gelächter war dunkel und hatte einen angenehmen Klang. Ich rammte ihm meinen Ellenbogen in die Seite und gab ihm zu verstehen, dass er aufhören sollte. Nur mit Mühe bekam er sich wieder unter Kontrolle.

      Als wir wieder in den Saal kamen, saß Reff schon mit den Listen vorne auf der Bühne. „So, meine Lieben“, sprach er. „Versammelt euch doch bitte mal alle in einem Halbkreis um mich herum.“

      Nachdem wir uns in einer eher eiförmigen Konstellation um ihn herum platziert hatten, verkündete er die Aufteilung.

      „Am Anfang möchte ich sagen, dass wir keine Tanzpaare auseinanderreißen werden. Das hier machen wir zum Spaß, und um euch einen kleinen Schritt auf der Karriereleiter voranzubringen, ist es sinnvoller, ihr tanzt mit euren


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