Die Vergütung von Betriebsräten. Martina Schlamp
Betriebsräte grundlegend geändert“ haben.252 Die Arbeit ist nach Ansicht des Gesetzgebers „vielfältiger und umfassender“, nicht zuletzt wegen neu hinzugekommener Themenbereiche geworden, die Betriebsräte erarbeiten im Gegensatz zu früher vermehrt eigene Alternativen und Vorschläge zur Lösung konkreter Probleme und das anhand „Moderne[r] Arbeitsmethoden des Managements“.253 Auch von einer rückläufigen Entwicklung der Betriebsräte ist in dem Entwurf die Rede, die der Gesetzgeber unter anderem auf die veränderten Strukturen zurückführt und der er auch mit der neuen Möglichkeit der Teilfreistellung nach § 38 Abs. 1 S. 3 und 4 BetrVG entgegenwirken wollte, indem er den Anreiz für die Übernahme des Betriebsratsamtes vergrößerte.254 Darüber hinaus sollten die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in bestimmten Bereichen gestärkt werden, was unter anderem durch die Übertragung zusätzlicher Aufgaben auf den Betriebsrat, beispielsweise mit §§ 80 Nr. 7, 89, 92a BetrVG umgesetzt wurde. Diese Beispiele zeigen, dass der Gesetzgeber wegen der komplexer gewordenen Aufgaben des Betriebsrates und der gesteigerten Anforderungen ein Regelungsbedürfnis gesehen und anerkannt hat.255 Die außerdem mit der Reform teilweise ausgebauten, komplexen und hierarchischen Betriebsratsstrukturen, mit der Möglichkeit von Ausschussarbeit, und vor allem auch durch die Bildung unterschiedlicher Betriebsräte auf verschiedenen Ebenen, wie Gesamt-, Konzern- oder Europäischer Betriebsrat, treiben eine Professionalisierung der Betriebsratsarbeit ebenso weiter voran als ihr entgegenzuwirken.256
Im Ergebnis hat der Gesetzgeber schon sehr früh eine Tendenz zu einer „Verberuflichung“ von Betriebsräten gezeigt. Er scheint damit die Absicht zu haben, professionelle Betriebsräte zu ermöglichen, zumindest steht er diesen nicht entgegen oder versucht sie zu verhindern. Gleichzeitig will er aber nach wie vor an dem Ehrenamts- und Unentgeltlichkeitsprinzip festhalten, das mit der Reform keine Anpassung erfahren hat. Die Vorschriften verhalten sich daher ambivalent.257 Es ist nicht konsequent, das Gesetz wegen der – eindeutig auch von dem Gesetzgeber anerkannten – Entwicklung der Betriebsratsarbeit und den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen nur im Hinblick auf Freistellungen und Aufgabenbereich anzupassen und damit für eine Professionalisierung der Betriebsräte zu öffnen, die Rechtsstellung und insbesondere die Vergütung der Mandatsträger aber außer Acht zu lassen. Hier ergibt sich ein Wertungswiderspruch.
In der Gesetzesbegründung zu dem Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 1972 hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich dafür ausgesprochen, nicht nur „den gewandelten Verhältnissen durch moderne Regelungen Rechnung zu tragen“, sondern darüber hinaus „das Gesetz auch künftigen Entwicklungen offen zu halten“.258 Auch mit der Reform im Jahr 2001 wollte er mit den Änderungen ebenso einen Spielraum für künftige Entwicklungen ermöglichen.259 Diese Aussagen zeigen, dass sein objektivierter Wille auch auf entsprechende Anpassungen in der Zukunft zielt, die sich ebenfalls auf die Vergütung erstrecken könnten oder zwangsläufig mit weiterer Professionalisierung der Betriebsräte auch irgendwann müssten. Dagegen spricht allerdings, dass er bei der Reform der Vorschriften im Jahr 2001 den Unentgeltlichkeitsgrundsatz in § 37 Abs. 1 BetrVG durchaus hätte anpassen können, anscheinend aber bewusst darauf verzichtet hat. Obwohl wegen der Ambivalenz der Vorschriften hier ein eindeutiger gesetzgeberischer Wille mehr in Richtung einer Professionalisierung und damit in Konsequenz auch einer entsprechend angemessenen Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder anzunehmen wäre, lässt sich dieses Ergebnis aber dennoch nicht eindeutig und zweifelsfrei – vor allem nicht hinsichtlich der Vergütung – feststellen. Schließlich könnte sich der Gesetzgeber auch bewusst über eine Berücksichtigung dieser neuen Entwicklungen, jedenfalls im Hinblick auf die Entgeltbemessung der Mandatsträger, hinweggesetzt haben.
Wegen weiterhin mehrerer unterschiedlicher Deutungsmöglichkeiten sowie der hier gebotenen Zurückhaltung aufgrund der grundlegenden Bedeutung der Vorschrift, führt daher auch die Auslegung nach dem gesetzgeberischen Willen noch zu keinem eindeutigen Ergebnis.
d) Teleologische Auslegung
Nach Auslegung anhand der bisher dargestellten Kriterien bleiben weiterhin verschiedene Deutungsmöglichkeiten offen. Es lässt sich noch nicht eindeutig beurteilen, ob der Unentgeltlichkeitsgrundsatz uneingeschränkt auch für die Gruppe „verberuflichter“ Betriebsräte, die sich erst nach Erlass des Gesetzes entwickelt hat, Geltung erlangen muss. Zu untersuchen ist daher, welche der Auslegungsalternativen der gesetzgeberischen Regelungsabsicht oder der Normvorstellung am besten entspricht.260 Es ist eine teleologische Auslegung nach dem Gesetzeszweck der Vorschrift, der ratio legis,261 vorzunehmen, nicht zuletzt auch, weil diesem in Literatur und Rechtsprechung eine große Bedeutung beigemessen wird. Dabei sind nicht nur die konkret mit der Regelung verfolgten Zwecke, sondern auch Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen mit einzubeziehen.262 Übertragen auf die hier betrachtete Fallgruppe ist nach diesem Auslegungskriterium also zu untersuchen, ob der Zweck des Unentgeltlichkeitsgebots bei Anwendung des Grundsatzes auf „professionalisierte“ Betriebsräte noch verwirklicht wird und der Grundsatz daher auch weiter auf sie anzuwenden ist oder ob eine Subsumtion dieser Fälle unter das Entgeltverbot der ratio legis vielleicht sogar entgegensteht.263
aa) Zweck des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes
(1) Gewährleistung der Unabhängigkeit
In erster Linie besteht der Schutzzweck des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes zunächst darin, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Betriebsratsmitglieder für eine freie Amtsausübung zu sichern.264 Finanzielle Unabhängigkeit und Unbeeinflussbarkeit der Betriebsräte sind für die Aufgaben der Repräsentation und Interessenvertretung der Belegschaft unerlässlich. Würden hiervon Ausnahmen oder eine gelockerte Bewertung zugelassen, bestünde generell die Gefahr von Begünstigungen. Dadurch würden Möglichkeiten der Einflussnahme – vor allem für den Arbeitgeber – geschaffen.
Auf der anderen Seite ist es jedoch grundsätzlich abzulehnen, Arbeitgeber sowie Betriebsratsmitglieder von vornherein unter den Generalverdacht der Begünstigung bzw. Beeinflussbarkeit durch finanzielle Mittel zu stellen. Davon abgesehen muss mit einer großzügigen Auslegung des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes nicht zwingend bereits der Verlust der Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder einhergehen. Teilweise wird sogar bezweifelt, dass das Ehrenamts- bzw. Unentgeltlichkeitsprinzip überhaupt dazu im Stande ist, (allein) die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mandatsträger zu gewährleisten265 wie es der Gesetzgeber mit der Regelung ursprünglich bezweckt hatte.
Zu hohe Anforderungen, eine größere Belastung und der teilweise enorme zeitliche Mehraufwand der Betriebsratsarbeit können ohne adäquaten Ausgleich ebenso Einfluss auf die Tätigkeit der Betriebsräte und ihr Handeln haben, wenn Mandatsträger nachteilige Konsequenzen wegen des Amtes, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht befürchten müssen.266 Diese Gefahr zeigt sich vor allem bei Betriebsräten, die über lange Zeit im Amt sind oder auch bei den Betriebsrats- sowie Gesamtbetriebsratsvorsitzenden. Sie führen meist deutlich anspruchsvollere und umfangreichere Arbeiten aus, die mit denen anderer Betriebsratsmitglieder oder ihrer ursprünglichen Tätigkeit nicht mehr vergleichbar sind. Der mit dem Amt verbundene Mehraufwand sowie die zum Teil gestiegene Verantwortung müsste dann eigentlich entsprechend kompensiert und ausgeglichen werden. Wird die anspruchsvollere Tätigkeit, nur weil sie in der Eigenschaft als Betriebsrat ausgeführt wird, nicht angemessen entlohnt, könnte ein solcher finanzielle Nachteil ebenso ihre Amtstätigkeit negativ beeinflussen. Die derzeit geltenden Vorschriften zur Vergütung von Betriebsräten, insbesondere § 37 Abs. 2 bis 6 BetrVG, sehen einen Ausgleich für amtsbedingte Mehrarbeit und -belastung sowie erhöhte Anforderungen oder sonstige besondere (amtsbedingte) Leistungsgesichtspunkte allerdings nicht vor. Gerade bei den „verberuflichten“ Betriebsräten, bei denen solche besonderen Belastungen und Anforderungen mit dem Amt zwangsläufig einhergehen, müssten diese aber entsprechend berücksichtigt und honoriert werden. Anderenfalls wäre – je nach Ausprägung der Professionalisierung – das Erreichen des Schutzzwecks der Norm gefährdet.
(2) Sicherung des Fortbestandes des Amtes
Überdies ist