Die Vergütung von Betriebsräten. Martina Schlamp
und seiner Mitglieder von dritter Seite außerhalb des Betriebes, insbesondere durch die Gewerkschaften. Diese könnten einen Teil ihres eingenommenen Geldes den Betriebsräten in den jeweiligen Betrieben zur Verfügung stellen. Schließlich geht es bei dem Betriebsrat ebenso wie bei der Gewerkschaft um die Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen, bei ersterem auf Betriebsebene und bei letzterer für die jeweiligen Mitglieder. Die Interessenlage ist zumindest ähnlich und für die Gewerkschaften könnte es sogar Vorteile haben, wenn bestimmte Interessen bereits auf Betriebsebene durchgesetzt werden würden.
Allerdings widerspräche eine solche Unterstützung von außen, wenn sie Vergütungscharakter besitzt, dem Unentgeltlichkeitsprinzip. Denn das kann sich nicht ausschließlich auf Leistungen seitens des Arbeitgebers beschränken. Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 37 Abs. 1 BetrVG oder der Gesetzesbegründung nicht entnehmen, dass das Verbot Zuwendungen an Betriebsratsmitglieder von jedermann betrifft, zugleich wurde es aber auch nicht auf einzelne Personen(-gruppen) beschränkt. Zieht man den Sinn und Zweck der Vorschrift heran, nämlich die Gewährleistung innerer Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder sowie die Unbestechlichkeit zugunsten einer freien, unabhängigen Meinungsbildung, so muss das Unentgeltlichkeitsprinzip als ein generelles Verbot von Zuwendungen verstanden werden.190 Denn eine Beeinflussung von Betriebsratsmitgliedern mit finanziellen Mitteln muss nicht zwingend durch den Arbeitgeber erfolgen. Auch andere Betriebsangehörige oder außenstehende Personen bzw. Verbände könnten durch entsprechende Zahlungen durchaus Einfluss auf die Mandatsträger nehmen.
Die Regelung wäre außerdem leicht zu umgehen,191 würde man Zuwendungen von Dritten als zulässig erachten, beispielsweise durch eine Einflussnahme des Arbeitgebers über Tochtergesellschaften des Unternehmens. Im Falle von Zahlungen durch Gewerkschaften würden die Grenzen zwischen beiden Institutionen zu sehr verwischen. Dass die Gewerkschaften dadurch auch mehr Einfluss im Betrieb erlangen könnten, dürfte zum einen nicht im Sinne des Arbeitgebers sein und wäre zum anderen wohl auch im Hinblick auf das Arbeitskampfverbot der Betriebsratsmitglieder gemäß § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG kritisch zu sehen.
Leistungen mit Vergütungscharakter sind daher nicht nur von Arbeitgeberseite, sondern ebenso von Dritten von dem Unentgeltlichkeitsgrundsatz des § 37 Abs. 1 BetrVG erfasst und daher unzulässig.
II. Ergänzung durch Nachteilsverbot und Ersatz notwendiger Auslagen
Der Grundsatz in § 37 Abs. 1 BetrVG sieht vor, dass die Betriebsratsmitglieder aus ihrem Amt keinen geldwerten Vorteil ziehen sollen, der nicht ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist.192 Die Kehrseite dazu stellt der Ausschluss sämtlicher Benachteiligungen dar. Die Mandatsträger sollen durch die Amtsübernahme ebenso wenig finanzielle Einbußen erleiden. Dem Unentgeltlichkeitsprinzip steht daher das Verbot jeglicher wirtschaftlicher Nachteile gegenüber. Dazu gehört auch, dass die notwendigen Auslagen, welche die Betriebsratstätigkeit mit sich bringt, ersetzt werden.193 In Rechtsprechung und Literatur werden das Verbot von geldwerten Vorteilen wie auch das von finanziellen Nachteilen meist gemeinsam genannt und zusammen betrachtet.194 Zwar ist ein Verbot von Nachteilen nicht ausdrücklich in der Vorschrift des § 37 Abs. 1 BetrVG angelegt, die beiden Grundsätze sollen sich aber jedenfalls ergänzen195. Obwohl er eigentlich nur jegliche materielle Besserstellung zu vermeiden versucht, wird in der Literatur anscheinend aus dem Unentgeltlichkeitsgrundsatz selbst häufig schon ein Verbot von Nachteilen abgeleitet und dabei nicht immer präzise differenziert. Als Folge der Unentgeltlichkeit, die finanzielle Vorteile zu verhindern versucht, sollen auf der anderen Seite die Mitglieder des Betriebsrates ebenso keine wirtschaftlichen Nachteile erfahren. Nicht zuletzt trägt auch das zur Stärkung des Vertrauens der Belegschaft in die Tätigkeit des sie vertretenden Betriebsrates bei, wenn dieser auch nicht durch den Entzug geldwerter Vorteile beeinflusst wurde.196 Zwar wird in § 78 S. 2 BetrVG das Verbot sowohl der Begünstigung als auch der Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern allgemein festgesetzt, im Hinblick auf die Vergütung bestehen allerdings speziellere Vorschriften.197 Konkret wird dem allgemeinen Benachteiligungsverbot in wirtschaftlicher Hinsicht und insbesondere im Hinblick auf die Vergütung durch die § 37 Abs. 2 bis 6198 und § 40 BetrVG Rechnung getragen. Die Vorschriften stellen sicher, dass die Betriebsratstätigkeit auf Dauer nicht mit (finanziellen) Opfern verbunden ist und den Mandatsträgern keine Vermögensnachteile entstehen.199 Allein auf das Unentgeltlichkeitsprinzip lässt sich das nicht stützen.
III. Maßstab für die Anwendung und Auslegung des Grundsatzes
Wo die Grenzen des Prinzips der Unentgeltlichkeit liegen und inwieweit Zahlungen an Betriebsräte im Einklang mit der Regelung des § 37 Abs. 1 BetrVG zulässig sind, hängt unter anderem wesentlich davon ab, wie streng der Grundsatz der Unentgeltlichkeit anzuwenden und auszulegen ist.
1. Meinungsstand
a) Überwiegend strikte Anwendung des Grundsatzes
In Literatur und Rechtsprechung wird fast übereinstimmend eine strikte Anwendung und strenge Auslegung des Grundsatzes der Unentgeltlichkeit der Amtsführung verlangt.200 Zurückgeführt wird dies auf die große Bedeutung des Schutzzwecks der Regelung, der in erster Linie darin besteht, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Betriebsratsmitglieder für eine freie und unbeeinflusste Amtsführung zu gewährleisten.201 Die Funktionsfähigkeit des Betriebsrates als Repräsentant der Belegschaft und eine sachgerechte Durchführung und Erfüllung der Betriebsratsaufgaben sollen dadurch sichergestellt werden.202 Auch wenn der Funktionswandel der Betriebsratsarbeit in der Literatur zwar häufig anerkannt wird,203 wird dennoch überwiegend an der strikten Anwendung des Unentgeltlichkeitsprinzips – jedenfalls de lege lata – festgehalten.204 Vor allem die Berücksichtigung verschiedener Kriterien wie u.a. Mehrbelastung, erhöhte Anforderungen an die Betriebsräte, besondere Leistungen oder Erfolge, Mehrbelastung, eine herausgehobene Stellung innerhalb des Gremiums sowie auch ein Vergleich mit anderen Betriebsratsmitgliedern wird meist kategorisch abgelehnt.205 Für die Auslegung des Begriffes der Unentgeltlichkeit sollen daher nach allgemeiner Auffassung strenge Maßstäbe angelegt werden.206
Auch das BAG spricht sich gleichfalls für eine strikte Anwendung des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes sowie für einen strengen Maßstab bei dessen Auslegung aus und führt dabei ebenfalls die Zielsetzung der Vorschrift an, eine Beeinflussung der Betriebsratsmitglieder damit von vornherein zu verhindern.207
Nicht selten wird diese strenge Auslegung des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes mit dem geschichtlichen Hintergrund und der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Regelung begründet. Das Ehrenamts- und Unentgeltlichkeitsprinzip war schon in dem Betriebsrätegesetz von 1920 fest verankert und hat somit eine lange Tradition in dem deutschen Betriebsverfassungsrecht.208 Der dem heutigen § 37 Abs. 1 BetrVG entsprechende § 35 BRG sah ebenso vor, dass „die Mitglieder der Betriebsräte und ihre Stellvertreter ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt verwalten“. Auch das Reichsarbeitsgericht war seinerzeit der Ansicht, dass das Entgeltverbot für Betriebsratsmitglieder einer „strenge[n] Handhabung“ bedarf und bezog sich dabei ebenfalls auf den Regelungszweck der „Wahrung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Stellung der Betriebsratsmitglieder“.209
Folgt man der überwiegend vertretenen Ansicht einer strengen Auslegung des Grundsatzes der Unentgeltlichkeit, wäre keinerlei Spielraum für eine Auslegung der Regelung eröffnet. Damit wären sehr enge Grenzen für Entgeltzahlungen an Betriebsratsmitglieder vorgegeben, unabhängig davon, ob bzw. welche Gründe vorliegen, die gegebenenfalls eine andere Beurteilung rechtfertigen würden.
b) Teils gelockerter Maßstab
Selten finden sich Stimmen in der Literatur, die eine strikte Anwendung des Grundsatzes ablehnen und stattdessen eine großzügigere Auslegung fordern. Eine Ansicht im Schrifttum verlangt, „jede Kleinlichkeit bei der Bemessung des Entgelts zu vermeiden“210. Häufiger gibt es Auffassungen, die das Ehrenamts- und Unentgeltlichkeitsprinzip jedenfalls für nicht mehr zeitgemäß, sondern für überholt und zumindest de lege ferenda