Die Vergütung von Betriebsräten. Martina Schlamp
die Belegschaft oder einzelne Arbeitnehmer verbunden sein, denkt man beispielsweise an die Mitbestimmung in Bereichen sozialer oder personeller Angelegenheiten, unter anderem bei Kündigungen oder die Mitwirkung an Sozialplänen. Umso wichtiger ist es daher, dass der Betriebsrat und seine einzelnen Mitglieder für die Arbeitnehmer erkennbar unabhängig von sachfremden Einflüssen gehandelt haben.99 Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass der Arbeitgeber auf die Entscheidung des Betriebsrates durch Gewährung von Vorteilen Einfluss nehmen konnte.100
Unabhängig davon sollen die Schutzvorschriften auch zur Förderung der Bereitschaft, sich zum Betriebsrat wählen zu lassen, beitragen.101 Wäre die Unabhängigkeit der Mandatsträger nicht gesichert, würden manche Arbeitnehmer die Übernahme des Betriebsratsamtes aus Angst vor möglichen negativen Konsequenzen nicht in Betracht ziehen.102 Es soll verhindert werden, dass sich Arbeitnehmer nur deswegen nicht zur Wahl des Betriebsrates stellen, weil sie persönliche Nachteile – vor allem auch in wirtschaftlicher Hinsicht – befürchten müssen. Nur so kann der Fortbestand des Betriebsrates für die Zukunft gesichert werden, zumal in großen Betrieben immer häufiger die Rede von einem Rückgang der Bereitschaft für eine Kandidatur ist. Das Amt des Betriebsrates muss daher für potentiellen Nachwuchs attraktiv gehalten werden. Die Intention des Gesetzes ist es dabei auch, vor allem qualifizierte Arbeitnehmer für eine Kandidatur zu gewinnen.103 Auf der anderen Seite muss aber gleichzeitig ausgeschlossen werden, dass Arbeitnehmer nur in Erwartung (finanzieller) Vorteile für das Amt kandidieren.104
84 Natzel, NZA 2000, 77. 85 GK-BetrVG/Weber, § 38 Rn. 8. 86 Vgl. dazu auch die Ausführungen auf S. 127 ff. 87 Vgl. BAG AP BetrVG 1972 § 78 Nr. 1; GK-BetrVG/Weber, § 37 Rn. 10; GK-BetrVG/Kreutz, § 78 Rn. 1; Fitting, § 37 Rn. 1, § 78 Rn. 14; ErfK/Koch, § 37 Rn. 1; ErfK/Kania, § 78 BetrVG Rn. 6; ausführlich Däubler, SR 2017, 85, 87 f. 88 Vgl. auch BAG NZA 1994, 278, 281 zu § 37 Abs. 1 und § 78 S. 2 BetrVG. 89 GK-BetrVG/Weber, § 37 Rn. 10; GK-BetrVG/Kreutz, § 78 Rn. 1; Fitting, § 37 Rn. 1. 90 BAG NZA 2010, 1025, 1027; NZA 1997, 1242, 1244 (jeweils zum Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG); AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 146 (zu § 78 S. 2 BetrVG); HWGNRH/Glock, § 37 Rn. 1; GK-BetrVG/Weber, § 37 Rn. 10; Esser, S. 24; Rieble, NZA 2008, 276. 91 BAG NZA 1997, 1242, 1244; ArbG Bielefeld BeckRS 2011, 73560; Esser, S. 24 (jeweils zum Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG); Joussen, NZA 2018, 139 f.; Sparchholz/Trümner, S. 12. 92 BAG NZA 1997, 1242, 1244; ArbG Bielefeld BeckRS 2011, 73560; Esser, S. 24; Lipp, S. 4 (jeweils zum Ehrenamts- bzw. Unentgeltlichkeitsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG); Joussen, NZA 2018, 139, 140; Sparchholz/Trümner, S. 12. 93 BAG AP BetrVG 1972 § 78 Nr. 1; AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 146 (jeweils zu § 78 S. 2 BetrVG). 94 MünchArbR/Joost, § 220 Rn. 126; Esser, S. 7 f. (zu § 78 S. 2 BetrVG). 95 Vgl. dazu ausführlich Belling, S. 306. 96 Vgl. auch Schweibert/Buse, NZA 2007, 1080. 97 Richardi/Thüsing, § 37 Rn. 2; Jacobs/Frieling, ZfA 2015, 241, 243; Rieble, NZA 2008, 276; Bayreuther, NZA 2013, 758, 759. 98 BAG NZA 2010, 1025, 1027; NZA 1997, 1242, 1244; ArbG Bielefeld BeckRS 2011, 73560 (beide zum Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG); Lipp, S. 4 (zum Unentgeltlichkeitsprinzip); Schweibert/Buse, NZA 2007, 1080. 99 BAG NZA 1997, 1242, 1244; ArbG Bielefeld BeckRS 2011, 73560 (beide zum Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG); Schweibert/Buse, NZA 2007, 1080. 100 Fischer, NZA 2014, 71. 101 Vgl. BAG NZA 2016, 1212 1213 (zu § 37 Abs. 2 BetrVG); Jacobs/Frieling, NZA 2015, 513, 516; Lipp, S. 109; Knipper, S. 87, 89; Weismann, JuS 1987, 971, 974. 102 MünchArbR/Joost, § 220 Rn. 126; vgl. auch Esser, S. 7 f.; Rieble, NZA 2008, 276; Fischer NZA 2014, 71. 103 Weismann, JuS 1987, 971, 974; vgl. auch Happe, 163 f. 104 Jacobs/Frieling, ZfA 2015, 241, 243; Fischer, NZA 2014, 71.
Kapitel 2 Allgemeine Grundsätze und Schutzvorschriften
Das Betriebsverfassungsgesetz enthält ein System von Vorschriften, das den Betriebsratsmitgliedern einen umfassenden Schutz bieten und im Hinblick auf die Vergütung ein angemessenes Entgelt sichern soll. Wie das Entgelt eines Betriebsratsmitgliedes im Einzelnen zu berechnen ist, ergibt sich aus einem Zusammenspiel verschiedener Regelungen aus eher allgemeinen Schutzvorschriften sowie konkreten Bemessungsvorschriften. Ein allgemeines, bedeutendes Grundprinzip speziell im Hinblick auf das Entgelt von Mandatsträgern stellt das Ehrenamts- und Unentgeltlichkeitsprinzip in § 37 Abs. 1 BetrVG dar. Ein über die Vergütung hinausgehendes, generelles Schutzprinzip für Betriebsräte enthält das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG. Bevor auf die Berechnung des konkreten Entgeltes eingegangen wird, ist zu untersuchen, inwieweit diese allgemeinen Grundsätze auf die konkrete Vergütung Einfluss nehmen können oder jedenfalls Beachtung finden müssen und ob gegebenenfalls weitere allgemeine Vorgaben, möglicherweise auch außerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes, hier zu berücksichtigen sind.
§ 1 Das Ehrenamts- und Unentgeltlichkeitsprinzip nach § 37 Abs. 1 BetrVG
Mit der Wahl zum Betriebsrat übernehmen die von der Belegschaft demokratisch gewählten Betriebsratsmitglieder ein betriebsverfassungsrechtliches Amt, das mit besonderen Rechten und Pflichten verbunden ist. § 37 Abs. 1 BetrVG enthält insbesondere für deren Vergütung gleich zwei bedeutende, allgemeine Grundsätze: Das Amt des Betriebsrates ist ein Ehrenamt und es ist unentgeltlich wahrzunehmen.
A. Das Betriebsratsamt und seine Ausgestaltung als Ehrenamt
Ehrenämter in den verschiedensten Bereichen weisen immer wieder typische Charakteristika und Merkmale auf, die im Kern allen Ämtern gleich sind. Ob auch das betriebsverfassungsrechtliche Ehrenamt der Betriebsräte sich durch diese Eigenschaften auszeichnet oder vollkommen anders ausgestaltet wurde, ist im Folgenden genauer zu beleuchten.
I. Der Begriff des Ehrenamtes nach allgemeinem Verständnis
Der Begriff des Ehrenamtes ist bekannt und allgemein gebräuchlich. Dennoch wird er nicht immer einheitlich verwendet. Eine allgemeingültige (gesetzliche) Definition existiert nicht und lässt sich weder dem Betriebsverfassungsgesetz noch anderen arbeitsrechtlichen Gesetzen entnehmen. Außerhalb des Arbeitsrechts bestehen zwar vereinzelt gesetzliche Regelungen105, die den Begriff des Ehrenamtes verwenden, diese Vorschriften geben aber lediglich vage Beschreibungen oder Hinweise, aus denen sich kein einheitliches charakteristisches Bild eines solchen Amtes ableiten lässt. Nähert man sich dem Begriff des Ehrenamtes in seiner üblichen Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch, fällt auf, dass er meist in Zusammenhang mit der Übernahme öffentlicher Ämter gebracht und überwiegend als unentgeltliche Tätigkeit wahrgenommen