Die Vergütung von Betriebsräten. Martina Schlamp
sie nach § 37 Abs. 2 BetrVG unter den dort genannten Voraussetzungen vorübergehend für Betriebsratstätigkeit befreit werden, grundsätzlich gehen sie ihrer normalen beruflichen Tätigkeit aber weiterhin noch nach. Sie werden immer nur dann, wenn konkrete Betriebsratsarbeit zu erledigen ist, für diese von ihrer ursprünglichen Tätigkeit befreit und kehren nach Erledigung der Aufgaben an ihren gewohnten Arbeitsplatz zurück. Die Pflicht zur arbeitsvertraglichen Leistung besteht bei ihnen weiter,84 sie bleiben in ihren üblichen Arbeitsprozess eingegliedert.
Demgegenüber werden Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG, je nach Unternehmensgröße, entsprechend den festgelegten Freistellungsstaffeln in Absatz 1 dauerhaft von ihrer Tätigkeit freigestellt. Diese Mindestanzahl an ständig freigestellten Mandatsträgern nimmt dann ausschließlich nur noch Betriebsratsarbeit wahr. Zu ihrer ursprünglichen Arbeitstätigkeit kehren sie während ihrer gesamten Amtszeit nicht mehr – auch nicht nur zeitweise – zurück. Die Pflicht zur Arbeitsleistung entfällt in diesen Fällen gänzlich.85 Da die Freistellungsstaffeln in § 38 Abs. 1 S. 1 BetrVG bereits bei 200 Arbeitnehmern beginnen, dürfte die Art der Arbeitsbefreiung in vielen Betrieben Realität sein. Eine solche generelle Freistellung, unabhängig von tatsächlich anfallenden Betriebsratsaufgaben, muss nicht zwingend in Vollzeit erfolgen, sondern ist nach § 38 Abs. 1 S. 3 BetrVG auch nur teilweise möglich.
Zwar besteht im Grundsatz bei der Vergütung der Betriebsräte – jedenfalls im Ergebnis – kein Unterschied zwischen nur vorübergehend befreiten oder dauerhaft freigestellten Betriebsratsmitgliedern,86 für letztere enthält § 38 BetrVG aber gewisse Modifizierungen. Dabei gibt es auch teils unterschiedliche Auffassungen zur Anwendbarkeit einzelner Regelungen auf beide Arten der Arbeitsbefreiung von Betriebsratsmitgliedern. Darauf ist aber an gegebener Stelle näher einzugehen.
Unterteilen lassen sich die Vergütungsregelungen zunächst in allgemeine Schutzvorschriften sowie konkrete Bemessungsvorschriften. Zu den Vorschriften zum Schutz der Mandatsträger gehört speziell für die Vergütung das Unentgeltlichkeits- und Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG, wobei hier auch das allgemeine Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG Bedeutung erlangen kann. Neben deren Anforderungen im Einzelnen stellt sich hier vor allem die Frage, ob sie als allgemeine Vorschriften bei der Vergütung der Betriebsratsmitglieder stets Beachtung finden müssen und inwieweit sie sich auf die Entgeltbemessung auswirken können.
Für die konkrete Bemessung des Entgeltes eines einzelnen Mandatsträgers enthält das Betriebsverfassungsgesetz in erster Linie zwei Regelungen: nach § 37 Abs. 2 BetrVG darf das bisherige Entgelt des Betriebsratsmitgliedes aus seiner früheren Arbeitstätigkeit nicht wegen betriebsratsbedingter Arbeitsversäumnis gemindert werden, sondern ist in unveränderter Höhe fortzuzahlen. Um gleichermaßen an einer möglicherweise wegen des Amtes versäumten beruflichen Entwicklung teilhaben zu können, ist dieses Entgelt gegebenenfalls nach § 37 Abs. 4 BetrVG an das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung anzupassen. § 37 Abs. 3 BetrVG sieht zudem einen Ausgleich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit vor, unter gewissen Umständen auch in Form einer Mehrarbeitsvergütung. Darüber hinaus können weitere Vorschriften, beispielsweise zu Kosten der Betriebsratsarbeit (vgl. § 40 BetrVG), eine Rolle spielen, allerdings haben diese keine direkten Auswirkungen auf die Vergütungsbemessung, sondern werden allenfalls mittelbar oder für eine Abgrenzung relevant.
Die genannten Regelungen beschränken sich aber nicht allein auf die Betriebsratsmitglieder sowie Gesamtbetriebsratsmitglieder (vgl. § 51 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Sämtliche für die Vergütung der Betriebsratsmitglieder relevanten Vorschriften finden außerdem aufgrund ausdrücklicher Anordnung in § 40 Abs. 1 EBRG auf Angehörige des Europäischen Betriebsrates sowie nach § 42 SEBG auf Mitglieder des SE-Betriebsrates Anwendung.
B. Sinn und Zweck der Vorschriften
Mit den betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern wollte der Gesetzgeber nicht nur eine einheitliche und allgemeingültige Regelung der Entlohnung von Betriebsräten festsetzen, sondern er hat damit auch verschiedene Zwecke hinsichtlich der Ausgestaltung und Ausübung des Betriebsratsamtes verfolgt. Dabei ist es nicht nur für ein besseres Verständnis, sondern gerade bei Anwendung und vor allem auch Bewertung der entsprechenden Bestimmungen wichtig, neben der bereits kurz skizzierten Historie des Gesetzes auch die gesetzgeberischen Absichten zu kennen. Bei unbestimmten Rechtsbegriffen und Auslegung der Regelungen kann der Gesetzeszweck von entscheidender Bedeutung sein.
I. Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder
Sämtliche Vergütungsvorschriften verfolgen – im Zusammenspiel mit weiteren Schutzvorschriften, wie z.B. dem § 15 KSchG – in erster Linie denselben grundlegenden Zweck, die Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder zu wahren und somit eine unparteiische Amtsführung sicherzustellen.87 Die Ausgestaltung des Betriebsratsamtes ist maßgeblich von diesem Grundanliegen der Unabhängigkeit der Amtsinhaber geprägt; das ist allen Vergütungsregelungen gemeinsam, so dass insoweit hier kein Unterschied zu machen ist.88 Dadurch sollen eine funktionsgemäße Erfüllung der Amtspflichten des Betriebsrates als Repräsentant der Belegschaft und eine wirkungsvolle Durchführung seiner gesetzlich auferlegten Aufgaben gewährleistet werden.89 Die Schutzvorschriften, insbesondere das Unentgeltlichkeits- und Ehrenamtsprinzip in § 37 Abs. 1 BetrVG, sollen nicht nur die innere, sondern ebenso die äußere Unabhängigkeit der Amtsträger garantieren.90 Mit Gewährleistung der inneren Unabhängigkeit eines Amtsträgers, also seiner eigenen, unbefangenen Einstellung zur Sache, soll er jederzeit für sich selbst nachvollziehen können, dass bestimmte Handlungen des Arbeitgebers seine Entscheidungen in Zusammenhang mit der Ausführung von Betriebsratsaufgaben nicht beeinflusst haben.91 Dagegen soll mit Sicherung der äußeren Unabhängigkeit auch – vor allem für die Belegschaft im Betrieb – nach außen erkennbar sein, dass Vereinbarungen und Entscheidungen des Betriebsrates unbeeinflusst von der Gewährung bestimmter Vorteile oder zu erwartender Nachteile getroffen wurden.92 Im Hinblick auf die Vergütung bedeutet das natürlich, dass die Betriebsratsmitglieder nicht durch finanzielle Vorteile oder wirtschaftliche Nachteile zugunsten oder zulasten des Arbeitgebers beeinflusst werden dürfen. Der Betriebsrat soll im Idealfall die Interessen der Arbeitnehmer unter Beachtung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber (§ 2 Abs. 1 BetrVG) bestmöglich vertreten und dabei weder von eigenen persönlichen Belangen noch von sachfremden Erwägungen des Arbeitgebers oder sonstiger Dritter geleitet werden.
Ein Aspekt der Sicherung der Unabhängigkeit ist dabei auch, dass die Mitglieder des Betriebsrates das ihnen übertragene Amt ohne Furcht vor Maßregelungen und Sanktionen des Arbeitgebers ausüben können.93 Die Gefahr besteht bereits aufgrund der häufig zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber entstehenden Spannungen und Konflikte.94 Der Betriebsrat nimmt gerade keine unparteiische Rolle ähnlich eines Vermittlers ein, sondern verfolgt gegenüber dem Arbeitgeber in erster Linie die – meist abweichenden und oft gegensätzlichen – Interessen der Belegschaft.95 Gleichzeitig stehen die Mandatsträger aber trotz der Amtsübernahme weiterhin in ihrem ursprünglichen Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber und damit bereits in gewisser Abhängigkeit von ihm. Umso wichtiger ist es, nicht weitere Abhängigkeitsfaktoren zu schaffen, die sich auf die Ausübung der Betriebsratsarbeit auswirken können. Schließlich sollen die Mandatsträger nicht durch Gewährung von besonderen Leistungen oder Zuwendungen durch den Arbeitgeber „käuflich“ werden und ihre Aufgaben, insbesondere ihre Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte nur noch zu seinen Gunsten ausüben.96 Vor allem sollen sich Betriebsräte nicht von der Belegschaft entfremden oder sich so weit von dieser abheben, dass sie als eigen- bzw. selbstständige Arbeitnehmerfunktionäre wahrgenommen werden.97
II. Vertrauen der Belegschaft und Fortbestand des Amtes
Die Vorschriften zum Schutz der Betriebsratsmitglieder dienen aber zugleich auch dem Ziel, das Vertrauen der Belegschaft in den Betriebsrat als ihren Repräsentanten zu bestärken und Akzeptanz der von ihm mit dem Arbeitgeber verhandelten Entscheidungen