Die Vergütung von Betriebsräten. Martina Schlamp
weit gehen und in keiner Weise der betriebsverfassungsrechtlichen Ausgestaltung des Amtes entsprechen. Ob dem Betriebsrat die Stellung eines „Co-Managers“ in dem Betrieb tatsächlich zuzugestehen ist oder ob er allein aufgrund seines Gegenübers bei Verhandlungen mit Vertretern des Arbeitgebers, wie z.B. der Personalleitung, auf „Augenhöhe“ mit dem Management einzuordnen ist,71 bleibt weiterhin fraglich. Eine solche Qualifizierung von Betriebsräten ist für die Frage ihrer Vergütung aber jedenfalls nicht zwingend notwendig. Seine heutzutage bedeutende Rolle in dem Betrieb und die gesteigerten Anforderungen an ihn können direkt an seiner Betriebsratstätigkeit festgemacht werden, ohne dass es einer bestimmten Einordnung oder Kategorisierung bedarf. Das sieht auch das derzeit geltende Betriebsverfassungsgesetz nicht vor. Das Amt des Betriebsrates ist nach deutschem Recht im Gegensatz zu Managementposten weder als eigenständiger Beruf zu qualifizieren,72 noch haben die Mandatsträger eine entsprechende Doppelfunktion; der Betriebsrat soll weiterhin nur in den speziellen, von dem Gesetzgeber vorgesehenen Bereichen wachen und mitgestalten.73
Trotzdem lässt sich nicht mehr gänzlich abstreiten, dass sich die Stellung des Betriebsrates und seine Arbeit in den großen Betrieben stark verändert haben und die Anforderungen an diese Betriebsratsmitglieder dadurch teilweise enorm gestiegen sind.74 Dass sich hier ein Wandel bereits vollzogen hat, wurde schon Mitte der neunziger Jahre vertreten75 und ist heute offenkundig. Teilweise wird auch eine Professionalisierung der Betriebsratsarbeit als Gegenstück zum Ehrenamt gefordert.76
Im Ergebnis ist daher zumindest festzustellen, dass – jedenfalls in den großen Betrieben – eine Professionalisierung nicht nur der Qualifikation der Betriebsräte, sondern auch ihrer Tätigkeit, insbesondere der gesamten Art und Weise der Durchführung ihrer Arbeit stattgefunden hat.77
C. Künftige Weiterentwicklungen
Die dargestellten Änderungen in der betrieblichen Praxis und der Wandel der Betriebsratsarbeit ist keine abgeschlossene Entwicklung nur allein der letzten Jahre. Im Gegenteil, die gesamte Arbeitswelt steht auch aktuell vor einem entscheidenden Umbruch, was erneut Auswirkungen nicht nur auf die betriebliche Praxis, sondern gleichermaßen auf den Betriebsrat haben wird. In den kommenden Jahren wird ein grundlegender und einschneidender Wandel in den Unternehmen erwartet. Nicht zuletzt die sog. vierte industrielle Revolution wird deutliche Veränderungen in den Betrieben mit sich bringen. Stichworte wie „Industrie 4.0“ oder „Arbeit 4.0“ sind heute bereits geläufig und verheißen neue Arbeitsformen nicht nur in arbeitszeitlicher Hinsicht, sondern auch im Bereich der Dienstleistungen und der flexibleren Ausgestaltung von Arbeitsplätzen.78 Die bisherigen Produktionsformen werden sich mit einer weiter fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung weiterhin grundlegend verändern. Davon abgesehen werden in manchen Branchen zusätzlich entscheidende Neuerungen in den Produktlinien erwartet. Die Unternehmen werden sich teilweise neu ausrichten, um mit den aktuellen und in den nächsten Jahren erwarteten Trends mithalten zu können. Beispielsweise in der Automobilindustrie zeichnet sich eine deutliche Wende hin zu nachhaltigen und alternativen Antriebssystemen ab.79 Das bedeutet aber wiederum tiefgreifende Veränderungen in den Betrieben, die zwangsläufig mit neuen Entwicklungen einhergehen.
Nicht nur die Handlungsfelder für den Betriebsrat werden damit immer vielfältiger und vor allem deutlich komplexer, sondern auch die Anforderungen an ihre Tätigkeit steigen weiter.80 Daher ist neuerdings sogar von „Mitbestimmung 4.0“81 oder „Betriebsrat 4.0“82 die Rede. Für den Betriebsrat bedeuten all diese (Zukunfts-)Themen dann nicht mehr „nur“, dass er bei sämtlichen Änderungen im Betrieb gegebenenfalls zu beteiligen ist oder mit dem Arbeitgeber entsprechende Betriebsvereinbarungen aushandeln sowie die Einhaltung dazugehöriger Vorschriften überwachen muss. Neu wird für ihn außerdem sein, dass seine Arbeit erstmals selbst davon betroffen sein kann, wie etwa mit Nutzung besonderer moderner Arbeitsmittel oder auch bei Umsetzung neuer Arbeitsformen für die Betriebsräte selbst. Künftig kommen mit den Entwicklungen daher in zweifacher Hinsicht neue Aufgaben auf den Betriebsrat zu, weil sie nicht nur die Belange der Arbeitnehmer betreffen werden, sondern er seine Tätigkeit selbst anpassen und modernisieren kann oder vielleicht auch muss, um seine Aufgaben auch künftig bestmöglich erledigen zu können. Das erfordert wiederum, sich noch intensiver mit den jeweiligen Themen zu beschäftigen und sich noch mehr Kenntnisse anzueignen, was gleichzeitig zusätzliche Arbeit für eine eigene Neuausrichtung bedeutet. Das erforderliche Wissen wird dabei immer differenzierter, komplizierter und umfangreicher. Betrachtet man allein die Digitalisierung, auf die in der heutigen Zeit die meisten Neuerungen zurückzuführen sind, können hier insbesondere im Hinblick auf das Datenschutzrecht erhebliche Schwierigkeiten entstehen; denn es handelt sich hier um ein komplexes Rechtsgebiet, zu dem zahlreiche Vorschriften und Vorgaben nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene existieren.
Letztendlich muss der Betriebsrat sämtliche Entwicklungen auch im Hinblick auf zukunftsfähige Unternehmen begleiten und mittragen, was ohne ein gewisses Maß an Professionalisierung kaum möglich sein wird.
D. Fazit für die Vergütung von Betriebsräten
Die historische Entwicklung der Betriebsverfassung über viele Jahrzehnte lässt sich treffend als „lange[r] Weg vom Klassenkampf zur Sozialpartnerschaft“83 beschreiben. Die letzte umfassende Neuerung des Betriebsverfassungsgesetzes liegt bereits 46 Jahre zurück. Bemerkenswert ist, dass die Vorschriften zur Vergütung der Betriebsratsmitglieder seit dem Jahr 1972 keine entscheidenden Änderungen mehr erfahren haben. Bei der Reform im Jahr 2001 wurde hier lediglich die Möglichkeit von Teilfreistellungen besser hervorgehoben, die Teilnahme an Schulungen außerhalb der Arbeitszeit klarer geregelt und im Bereich der Freistellungen nach § 38 BetrVG Korrekturen vorgenommen.
Doch nicht nur in den letzten Jahrzehnten, sondern vor allem auch seit dieser letzten großen Reform des Betriebsverfassungsgesetzes hat sich die betriebliche Praxis noch einmal deutlich weiterentwickelt. Die Arbeitswelt unterliegt aufgrund der dauernden technischen Fortschritte einem stetigen Wandel. Das seit längerer Zeit nicht geänderte Betriebsverfassungsgesetz steht daher schon heute vor großen Herausforderungen. Und auch künftig sind noch weitreichendere Veränderungen zu erwarten.
Dabei rücken vor allem auch die Vergütungsvorschriften für Betriebsräte immer mehr in den Fokus. Denn solche grundlegenden Änderungen der Betriebsratsarbeit und gestiegenen Anforderungen an die Mandatsträger werfen zwangsläufig die Frage auf, ob diese sich möglicherweise auch auf deren Vergütung auswirken (müssen). Insbesondere stellt sich dabei die Frage, ob das derzeit geltende Vergütungssystem, das im Großen und Ganzen auf der Zeit im Jahre 1972 basiert, dem Wandel der letzten Jahrzehnte noch gerecht werden kann. Die Regelungen zur Bemessung des Entgeltes für Betriebsräte müssen daher vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen betrachtet werden.
37 HWGNRH/Rose, Einl. BetrVG Rn. 2. 38 GK-BetrVG/Franzen, § 1 Rn. 62. 39 DKKW/Wedde, Einl. Rn. 131; MünchArbR/v. Hoyningen-Huene, § 213 Rn. 18. 40 HWGNRH/Nicolai, § 80 Rn. 9; DKKW/Buschmann, § 80 Rn. 1. 41 DKKW/Buschmann, § 80 Rn. 2. 42 Vgl. dazu den Überblick bei GK-BetrVG/Weber, § 37 Rn. 31 ff.; Gamillscheg, § 40 S. 546 f. 43 BAG BeckRS 1963, 30701194; GK-BetrVG/Weber, § 37 Rn. 30; Richardi/Thüsing, § 37 Rn. 24. 44 Vgl. auch Byers, NZA 2014, 65, 69 f.; Fischer, NZA 2007, 484, 486; Franzen, ZAAR-Kongress, § 2 Rn. 14. 45 Fahrtmann, FS Stahlhacke, S. 123. 46 Fahrtmann, FS Stahlhacke, S. 123. 47