Red Dirt Heart: Lodernde Erde. N.R. Walker
gefrühstückt. »Natürlich«, sagte ich zu ihr. »Geht es dir gut? Du bist nicht so munter und fidel wie sonst. Und gestern warst du auch schon ein bisschen ruhig. Ist alles in Ordnung?«
»Ja, alles bestens. Nur ein bisschen angeschlagen. Ich glaube, ich bekomme eine Erkältung«, wiegelte sie ab. »Die Winter werden kälter, je älter man wird, wusstest du das nicht?«
»Ma, du hättest eher etwas sagen sollen.«
»Alles bestens«, wiederholte sie. »Aber da heute alle weg und nur wir zwei hier sind, lass ich es vielleicht etwas ruhiger angehen. Ich kann mir mal einen Morgen freinehmen, oder?«
»Natürlich kannst du das«, antwortete ich. »Geh und setz dich ins Wohnzimmer. Leg die Füße hoch. Ich werde dir etwas Toast machen.«
»Das musst du nicht.«
»Ma. Geh und setz dich hin«, sagte ich mit ernster Stimme. »Jetzt.« Und dann, weil es Ma war, fügte ich hinzu: »Bitte.«
Ich scheuchte sie aus der Küche und machte mich ans Werk. Kurze Zeit später trug ich ein Tablett mit Toast, Saft und Wasser ins Wohnzimmer. Ich zog einen der kleinen Beistelltische zu ihrem Sessel hinüber, holte ihr neuestes Kreuzworträtselheft und sorgte dafür, dass sie es bequem hatte.
»Ich muss heute Vormittag nicht unbedingt raus«, sagte ich zu ihr. »Ich kann beim Haus bleiben. Genau genommen bin ich ziemlich sicher, dass die Motorräder mal gewartet werden müssten.«
»Charlie, es geht mir gut«, sagte Ma. Sie wurde sauer. Ich kannte diesen Tonfall nur zu gut.
»Ma, wenn du dich nicht gut fühlst, kann ich mich um dich kümmern.«
»Ich brauche keinen Babysitter.«
»Ma.«
»Charles Sutton.«
Beim vollen Namen genannt zu werden, bedeutete, die Grenze überschritten zu haben. Ich seufzte und machte mich geschäftig daran, den Kamin mit frischem Anmachholz zu füllen. »Wenn dir kalt wird, dann wirf einfach ein Streichholz rein, okay?« Ich stand auf und ging zur Tür. »Ich hab das Satellitentelefon dabei, falls du irgendetwas brauchst. Und ich bin zum Mittag wieder zurück, und dann werde ich für dich Essen machen.«
Sie verdrehte in der Tat die Augen und ignorierte mich, aber sie stritt nicht mit mir, also betrachtete ich das als Sieg.
Ich kürzte meinen Ausflug nach Osten zu den Jährlingen ab, hielt mein Versprechen und war zur Mittagszeit wieder zu Hause, aber Ma war auf den Beinen und in der Küche zugange. Sie sah besser aus.
»Bitte schön, Liebes«, sagte sie und reichte mir einen Teller mit Sandwiches und Obst.
Die Portion war groß genug für zwei, also stellte ich sie auf den Küchentisch und füllte zwei Gläser mit Saft. Ich liebte Tage wie diesen, wenn Ma und ich allein waren und wir in der Küche saßen und uns unterhielten.
Das war schon viel zu lange nicht mehr vorgekommen.
Wir redeten über den bevorstehenden Winter-Viehtrieb und was dafür alles zu organisieren sein würde. Es war immer noch einige Wochen hin, aber Ma war gern gut vorbereitet.
Es war später Nachmittag, als ich den vertrauten Klang von zwei Pick-ups hörte, die die Einfahrt herauffuhren, und wusste, dass alle von ihrem Wochenende in der Stadt zurück waren. Sie würden zunächst alle zu ihren eigenen Häusern gehen – auf Sutton Station gab es drei Unterkünfte für die Arbeiter – und sich fürs Abendessen frisch machen.
Kurz danach hörte ich Stimmengemurmel auf der Veranda. Ich nahm an, dass jemand mich sprechen wollte, deshalb erhob ich mich von meinem Schreibtisch und ging meinem Besucher entgegen.
Ich kam nur bis in die Diele, da erschien auch schon Billy in der Vordertür. Er wirkte ungewöhnlich nervös und von seinem normalerweise breiten Lächeln war nichts zu sehen.
»Billy, ist alles in Ordnung?«
»Sicher, Boss«, sagte er. Er strich sein Hemd glatt und blickte sich in der Diele um.
»Billy, was hast du auf dem Herzen? Einfach raus damit.«
»Meine Cousine steckt ein bisschen in Schwierigkeiten«, sagte er. »Wenn das kein Problem ist, Mr. Sutton, dann hatte ich gehofft, sie könnte vielleicht hierbleiben.«
»Wo ist sie?«
»Sie ist hier, Boss. Ich hab sie schon mit hergebracht«, sagte er.
»Geht es ihr gut?«
Ich hatte Billy noch nie zuvor so niedergeschlagen gesehen. Er sprach leise. »Da waren so Kerle und die meinten so… dass sie sich abwechseln wollten bei ihr, wenn du weißt, was ich meine, Mr. Sutton. Ich hab sie also mitgenommen, damit die nicht… machen können, was sie gesagt haben.«
»Geht es ihr gut, Billy?«, fragte ich voller Sorge. »Hat ihr jemand was getan?«
»Sie ist okay«, antwortete er. »Sie hatte Angst und keiner hat auf sie aufgepasst. Aber es hat sie keiner angefasst, Boss, wenn du das meinst.«
Ich seufzte erleichtert. »Ist gut, Billy. Sie kann hierbleiben. Kann ich sie sehen?«
Billy sah zur Vordertür. »Nara?«
Ein Aborigine-Mädchen kam herein, so verängstigt wie ein Babykaninchen. Sie war vielleicht fünfzehn Jahre alt, hatte langes, ungekämmtes Haar, dunkle Haut und einen sehr, sehr ängstlichen Blick, der unverwandt auf Billy ruhte. Ganz offensichtlich wartete sie auf ein Zeichen von ihm, wie sie sich verhalten sollte.
»Sie kann bei mir wohnen, wenn das okay ist«, sagte Billy. »Jetzt, wo Fisher weg ist, steht ja ein Zimmer leer. Sie wird keinen stören, Mr. Sutton.«
Ich wartete darauf, dass das Mädchen mich ansah. »Nara? Ist das dein Name?«
Sie nickte.
»Du kannst hierbleiben«, sagte ich zu ihr. »Aber ich will keinen Ärger haben. Ich erwarte, dass du mit anfasst, um deinen Unterhalt zu verdienen. Hast du schon einmal einen Job gehabt?«
Nara schüttelte ihren Kopf. »Nein.«
»Gehst du zur Schule?«, fragte ich.
Sie schluckte heftig und ihr Blick schoss zu Billy, bevor sie mich wieder ansah. »Ich wollte, aber ich muss mich stattdessen um meine Familie kümmern.«
Es war normal in den Aborigine-Gemeinden hier im Outback, dass die älteren Mädchen die Erziehung der jüngeren Geschwister übernahmen. »Nun, du fängst morgen Früh an zu arbeiten. Dann besprechen wir auch die Regeln, die hier auf der Farm gelten. Aber grundsätzlich tust du das, was entweder ich oder Billy dir auftragen, okay?«
Sie nickte erneut und lächelte schüchtern. Billy nickte scharf zur Vordertür und Nara beeilte sich, nach draußen zu gehen. Billy schenkte mir ein aufrichtiges, erleichtertes Lächeln. »Danke, Mr. Sutton.« Ich kannte ihn seit vielen Jahren und ich hatte ihn noch nie so… verunsichert gesehen. Ich wusste, dass er eine große Familie hatte, aber er hatte sein Privatleben stets… nun ja, eben privat gehalten. Dass er Nara hierherbrachte und fragte, ob sie hierbleiben konnte, zeigte, wie ernsthaft besorgt er um sie war.
»Billy, geht es ihr wirklich gut?«, fragte ich. Sie sah wirklich nicht so aus.
»Ab jetzt ja«, sagte er leise. Er ging zur Tür.
»Billy?«, fragte ich. Er drehte sich um und sah mich an. »Geht es dir gut?«
»Alles okay, Mr. Sutton. Ich bin froh, dass du sagst, sie kann hierbleiben. Sie wird keinen Ärger machen.«
»Das weiß ich«, antwortete ich. Es war sowohl eine Warnung als auch eine Beruhigung für ihn.
Nachdem er gegangen war, stand ich noch eine Minute lang in der Diele, dann ging ich zu Ma ins Wohnzimmer. Sie war offensichtlich Zeugin der Unterhaltung geworden.
»Das war sehr nett von dir«, sagte sie.
»Die Kleine sah total verängstigt aus.«
»Stimmt.«