Silvia - Folge 1. Jürgen Bruno Greulich

Silvia - Folge 1 - Jürgen Bruno Greulich


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entgegen. „Alles in Ordnung?“

      Silvia nickte, doch war das Nicken eine Lüge. Nichts war in Ordnung, alles war aus den Fugen geraten, ihr Leben, ihre Seele, ihr Selbstverständnis. Nichts war so, wie es sein sollte und wie sie es kannte, nichts war übrig geblieben von der Silvia, die sie vor kurzem noch zu sein geglaubt hatte, nichts als ein hilflos eingeschüchtertes Mädchen.

      Ob die Frau ihre Gedanken lesen konnte? Tröstlich legte sie den Arm um Silvias Schultern. „Am Anfang ist das alles hier natürlich sehr ungewohnt. Aber bald wirst du merken, dass du hier am richtigen Platz bist und dass das, was du verloren glaubst, durch etwas Neues ersetzt wird. – Also sei mutig. Du wirst es unbeschadet überstehen.“ Wenig getröstet folgte Silvia ihr hinaus in den Korridor und bis zu einer Tür, die einen Spalt weit offen stand. „Das ist der Blaue Salon. Hier wirst du nun vorgestellt.“ Zum Flüstern gedämpft war die Stimme der Frau, als befänden sie sich in heiligen Hallen. „Genier dich nicht!“

      Zögernd setzte Silvia den Fuß über die Schwelle, glaubte, dass man das Pochen ihres Herzens im ganzen Haus hören könne. Sie kam in einen großen hohen Raum, der in Blau gehalten war. Blau waren die flauschig dicken Teppiche und dunkelblau gestreift die taubenblauen Tapeten. Es gab einen großen Schrank, einen schweren langen Tisch mit blank polierter dunkler Platte, umstanden von Stühlen mit blau bezogener Sitzfläche, und eine hohe Fensterfront bot Blick hinaus in einen Park. Das alles nahm Silvia kaum wahr. – Da, zwischen drei anderen Mädchen stand Claudia! Also doch! Wolfgang hatte recht gehabt.

      Entgeistert, als sähe sie ein Gespenst vor sich, starrte Claudia sie an. Grenzenlose Verblüffung sprach aus ihrem Blick und tiefe Scham. Wie die anderen drei trug sie nicht mehr als weiße Stöckelschuhe und ein durchsichtiges weißes Gewand, knöchellang und ärmellos, an beiden Seiten hoch geschlitzt, die Säume mit verspielten Rüschen geziert. Nichts von ihrem Körper blieb den Blicken verborgen. Ihren Hals sowie die Hand- und Fußgelenke umschlossen silberne Bänder mit jeweils zwei gegenüberliegenden metallenen Ringen. Auch die anderen drei Frauen waren hübsch und jung, die älteste höchstens dreißig, sie hielten sich an den Händen und in jeder Miene ließ sich Verlegenheit lesen, dazu Neugierde auf die Neue, die ihr Schicksal fortan teilen würde.

      Hinter ihnen standen zwei große kräftige Kerle, der eine blond, der andere dunkelhaarig. Seltsam bizarr war ihre Kluft, in der sie aussahen wie direkt dem finsteren Mittelalter entsprungen. Ihre kurze Hose aus schwarzem Leder war am Schoß prahlerisch ausgebeult und wurde von breiten ledernen Trägern gehalten, die sich über die Brust und die Achseln spannten, ihre nackten Füße steckten in ledernen Opanken mit flachen Sohlen. Ganz offensichtlich waren sie die Bewacher der Mädchen. Außer ihnen befanden sich noch einige weitere Männer im Raum und sie alle musterten Silvia mit unverblümt aufdringlichen Blicken.

      Die klare, feste Stimme der Madame von Sinnenhof durchbrach die atemlose Stille. „Ich freue mich, unsere neue Sklavin vorstellen zu dürfen. Ihr Name ist Silvia.“

      Wie der Klang einer mächtigen Glocke dröhnte dieses eine Wort in Silvias Ohr: Sklavin! Nein, das war sie nicht, nein, das konnte sie nicht sein, wollte es nicht sein, vielleicht ein ganz klein bisschen in geheimster Vorstellung, aber doch nicht in Wirklichkeit!

      Kaum registrierte sie, dass ihr die anwesenden Männer vorgestellt wurden. „Das ist der Lehrmeister. Er sorgt für eure geistige Erbauung.“ Die Hand der Madame von Sinnenhof wies auf einen älteren Herrn im dunklen Anzug, er war groß und hager, hatte ein faltiges Gesicht, sanfte braune Augen und graues volles Haar. Mit ernster Miene nickte er ihr zu.

      „Und das ist unser Koch.“ Gemeint war ein kleiner rundlicher Mann um die fünfzig, auch er mit einem dunklen Anzug bekleidet. Seinen runden Schädel zierte eine blank polierte Halbglatze, schalkhaft glitzerten seine grünlichen Augen, sein Blick verschlang Silvia wie ein neu kreiertes Dessert.

      Zwei Schritte von den beiden entfernt standen zwei seltsame Gestalten, junge Männer, kaum älter als zwanzig. Beide trugen eine eng anliegende schwarze lederne Hose und eine rote lederne Weste über dem nackten Oberkörper, der beim etwas Kleineren der beiden völlig haarlos war. Sie schienen sich für ihre Umgebung wenig zu interessieren, flüchtig berührten sich ihre Hände und sie tauschten einen innigen Blick.

      Die Madame von Sinnenhof lächelte ihnen wohlwollend zu. „Das sind unsere beiden Jungs für alles.“

      Was dieses alles bedeutete, erfuhr Silvia nicht, interessierte sie auch nicht wirklich. Flüchtig schaute sie zu Claudia hinüber, die um Fassung rang, sich ihre Bestürzung nicht anmerken lassen wollte. Wie ergeben sie wirkte, seltsam still und gefügig, nicht agil und selbstbewusst, wie Silvia sie kannte.

      Der Blick der Madame von Sinnenhof richtete sich auf die beiden Kerle mit den kurzen Hosen: „Das sind die Aufseher. Wie alle anderen Männer hier zählen sie zu deinen Behütern. Was das für dich bedeutet, wirst du bald erfahren. – Und dann haben wir noch unsere Mädchen: Isabel, Maria, Claudia und Jasmin.“ Sie standen der Größe nach geordnet und wurden auch der Größe nach vorgestellt, nickten artig bei der Nennung ihres Namens, auch Claudia, deren Lider sich gleich wieder senkten.

      Die Madame von Sinnenhof schaute Silvia an. „Du wirst nun eine von ihnen werden.“

      Dann nickte sie den Aufsehern zu und der Blonde nahm eine silberne Schale vom Tisch, fast drohte sie in seinen kräftigen Händen zu zerbrechen. Ohne dass sich in seiner Miene eine Regung zeigte, trat er vor Silvia hin.

      Das Wort behielt die „Herrin“, niemand außer ihr durfte anscheinend etwas sagen. „Leg deine Uhr und deinen Schmuck hinein!“ Silvia reagierte nicht. Hatte sie es nötig, sich den Worten dieser fremden Frau zu beugen und das auch noch vor Claudias Augen? „Lange darfst du dich nicht mehr zieren!“ Kühl klangen die Worte, sie duldeten keinen Widerstand, zersplitterten das Sträuben wie ein hoher Ton das spröde Glas.

      Mühsam, als sei es ein Betonklotz, streifte Silvia ihre zierliche Uhr vom Arm, legte die Ohrringe und die Halskette ab, ließ sie in die Schale fallen wie ein Zeichen der Kapitulation. Ihr Blick fiel auf den brillantbesetzten Ehering und richtete sich fragend auf die Frau. Die Antwort bestand aus einem Nicken und sie streifte ihn vom Finger, ließ auch ihn in die Schale fallen, als wäre er ihr lästig.

      „Schön. Leg jetzt dein Kleid ab!“

      Natürlich. Dass es beim Schmuck nicht bleiben würde, war so folgerichtig wie das Herunterfallen des Rings, für den es kein Entrinnen vor der Schwerkraft gab. Sie bog die Arme auf den Rücken und griff zum Reißverschluss.

      Schneidend klar durchschnitt die Stimme der „Herrin“ die Stille. „Claudia: Regel vier.“

      Einen winzig kleinen Moment musste Claudia überlegen oder die Scheu überwinden oder beides, dann erklang leise ihre rauchige Stimme: „Regel vier: Jede empfangene Anweisung ist von den Mädchen unter Beachtung der Regel drei zu bestätigen.“ Verschämt senkte sie den Blick.

      Wieder richtete sich der Blick der Herrin auf Silvia. „Du weißt nun also Bescheid. Also versuchen wir es noch einmal: Leg dein Kleid ab!“

      Auch wenn Silvia nicht wissen konnte, was unter Beachtung der Regel drei zu verstehen war, gab es keinen Zweifel daran, was von ihr verlangt wurde. Doch fiel es furchtbar schwer, die Worte der Unterwerfung über die Lippen zu pressen: „Ja, meine Herrin, ich lege es ab.“ Sie sah das zufriedene Nicken der Frau und griff ein zweites Mal zum Reißverschluss, zog ihn herab, streifte die Träger von den Achseln und ließ das Kleid zu Boden sinken.

      „Nun den Rest!“

      „Ja, meine Herrin.“ Zögernd hakte sie den BH auf, ließ ihn resigniert aufs Kleid fallen, bot die vollen runden Brüste all den vielen Blicken dar. Sie beugte sich etwas nach vorn und löste die Strümpfe von den Strapsen, was weniger schwerfiel, da sie ja sowieso nichts verhüllten, nur aufreizend aussehen ließen, streifte sie von den Beinen und nahm den Strapsgürtel von der Taille. Zum allerersten Mal in ihrem Leben hatte sie fremden Augen einen Striptease geboten, es war leichter gewesen als befürchtet, auch wenn vielleicht nicht sonderlich elegant. Splitternackt stand sie im Raum und verstohlen legten sich ihre Hände vor den Schoß.

      Wieder näherte sich der blonde Aufseher,


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