DIE RITTER DES VATIKAN. Rick Jones
Regierung zum Verhängnis werden.«
»Hör zu, niemand versteht besser als ich, dass es von höchster Wichtigkeit ist, dass die Regierung ihr Gesicht wahren kann. Aber wenn ich Cohen als Leiterin des Teams ersetzen lasse, schwindet damit rapide die Chance, den Papst zu finden. Mit Cohen am Ruder besteht eine echte Chance, ihn aufzuspüren. Wenn der Papst noch am Leben sein sollte, muss ich alles Erdenkliche dafür tun, sein Leben mit allen mir zur Verfügung stehenden Ressourcen zu retten. Und Cohen ist eine solche wertvolle Ressource.«
»Cohen wird ihn umbringen!«, brauste der Vizepräsident auf. »Denk' doch mal darüber nach! Sobald diese Information durchsickert, ist sein Leben vorbei. Dann wird es auch keine weiteren Gelegenheiten mehr geben, diese Terrorzelle zu verfolgen und die Soldiers of Islam werden verschwinden.«
Der Präsident wog in Gedanken die Möglichkeit ab, dass Bohlmer mit seinen Befürchtungen recht haben konnte. Bei einer Schlagzeile dieser Größenordnung war beinahe damit zu rechnen, dass sich eine undichte Stelle auftrat, egal wie sehr man diese zu verhindern suchte. Wahrscheinlich hatten die Medien bereits versucht, an Maulwürfe innerhalb des Weißen Hauses heranzutreten, um an Informationen zu gelangen, die noch nicht öffentlich gemacht werden sollten. Wenn Cohens Name durch den Äther geisterte, würde dies das Risiko einer Hinrichtung des Papstes exponentiell ansteigen lassen. Die Schuld dafür würde man fraglos seiner Regierung zuschieben. Die Zeitungen würden ein Riesenspektakel daraus machen und Burroughs öffentlich dafür angreifen, Cohen die Leitung des Teams übertragen zu haben, auch wenn sein Stab diese Entscheidung im Vorfeld abnickte.
»Sie ist die Beste, die wir haben«, konstatierte er.
»Sie bedeutet ein garantiertes Todesurteil für den Papst, wenn die Soldiers of Islam dahinterkommen, dass eine Frau mit jüdischem Glauben die Ermittlungen leitet. Ich kann es nicht oft genug wiederholen.«
»Sie bleibt, Jonas. Es bereitet mir keine allzu großen Kopfschmerzen, wenn ich damit die Gefühle der Soldiers of Islam verletze. Solange der Papst noch am Leben ist, ist sie die qualifizierteste Person, ihn zu finden.«
»Dir mögen ja vielleicht die Soldiers of Islam kein Kopfzerbrechen bereiten, aber die Weltöffentlichkeit wird es ganz sicher, wenn dir diese Sache um die Ohren fliegt.«
Präsident Burroughs funkelte seinen Vizepräsidenten böse an. »Sie bleibt, Jonas.«
Der Vizepräsident wurde ungehalten, sein Gesicht rot und fleckig. Er war es nicht gewohnt, in einem Streit zu unterliegen. »Jim, wir werden ihn nie finden. Und soll ich dir verraten, wieso? Weil das wie die Suche nach der Nadel in einem Heuhaufen so groß wie Manhattan ist.« Dann trat er einen Schritt zurück, fand seine Fassung wieder und fuhr in einem etwas sanfteren Ton fort: »Sieh mal, Jim, hier geht es um Politik. Und wir beide wissen, dass wir in dieser Sache an alles denken müssen. So sehr mir der Papst auch leidtut und so liebend gern ich ihn auch finden würde, dürfen wir trotzdem nicht zulassen, dass unsere Gefühle unser Urteilsvermögen vernebeln. Die Wahrheit ist: Die Wahrscheinlichkeit, ihn zu finden, tendiert gegen null.«
Der Präsident wich Bohlmers Blick nicht aus. Er blieb ernst und unnachgiebig, obwohl er sich besonnen anhörte. »Ich weiß, dass es hier um Politik geht«, sagte er. »Aber ich halte es für eine noch klügere politische Entscheidung, wenn wir die besten Leute zurate ziehen, die wir haben, und gemeinsam versuchen, ihn zu finden.«
Der Vizepräsident sah ihn zweifelnd an. »Ich verstehe es nicht«, sagte er. »Du hast das Bild direkt vor dir liegen, und doch willst du lieber uns und die restliche Regierung wegen ihr aufs Spiel setzen.«
Der Präsident schwieg.
»Wenn ich dich nicht besser kennen würde, Jim, würde ich schwören, dass du es gar nicht anders willst. Du willst, dass die Medien davon Wind bekommen …«
»Es reicht, Jonas.« Der Präsident hob abwehrend eine Hand. Er wusste, was Bohlmer andeuten wollte. »Ich werde mich nicht länger mit dir darüber streiten. Meine Entscheidung gründet sich auf dem Potenzial unserer Regierung, den Papst zu finden und lebend zurückzubringen. Wenn du fürchtest, dass dies die Soldiers of Islam darin noch bestärkt, unsere Regierung in Misskredit zu bringen, dann ist das deine Sache. Noch einmal, ich weiß deine Einwände zu schätzen.«
Bohlmer trat mit zusammengepresstem Kiefer noch einen Schritt zurück. »In Ordnung«, sagte er. »Aber du wirst mit dieser Entscheidung leben müssen, Jim. Wenn sie ihn umbringen, und das werden sie, dann hoffe ich, dass du diesen Ausgang allein schultern kannst. Ich habe versucht, es dir auszureden.«
»Ich werde die Verantwortung dafür übernehmen, wenn ich muss.«
»Ich wollte nur, dass du weißt, wo ich in dieser Sache stehe.«
Der Präsident nickte. »Zur Kenntnis genommen.«
Während Bohlmer ihn allein zurückließ, fragte sich der Präsident, welches Risiko er damit einging, Cohen in seinem Team zu belassen. Auch wenn er es nur ungern zugeben wollte, aber der Vizepräsident hatte nicht ganz unrecht.
Mit stechenden Kopfschmerzen beugte sich der Präsident in seinem Stuhl nach vorn, legte den Kopf in seine Hände und fragte sich, wie dieses Spiel wohl am Ende ausgehen würde.
Kapitel 13
Washington, D.C. | 23. September, früher Nachmittag
Shari Cohens bislang größte Leistung in ihrem Leben war ihr herausragender Abschluss an der Universität von Georgetown gewesen, knapp vor der Wahl zur Klassensprecherin und Repräsentantin der hoch angesehenen Gruppe von Studenten auf dem Weg in die wirkliche Welt. Während viele die Universität als Physiker, Anwälte oder kaufmännische Wunderkinder verließen, waren Sharis Fachgebiete internationale Beziehungen und Strategische Terrorismusabwehr. Nach ihrem Abschluss wurde sie von der NSA, dem CIA und dem FBI umworben – und das mit einiger Vehemenz.
Wie die meisten Agenten begann sie beim FBI auf den untersten Sprossen der Karriereleiter, bis sie die Gelegenheit bekam, sich zu beweisen. Doch dank ihres Durchsetzungsvermögens und ihrer Beharrlichkeit arbeitete sie sich Stück für Stück nach oben, bis ihre besonderen Kenntnisse nach dem 11. September ihr einen kometenhaften Aufstieg verschafften. Nun, als Leiterin des Geiselrettungsteams des FBI, führte sie dieses bei über einem Dutzend Szenarien an, in denen ihr taktisches Verhandlungsgeschick und ihre innovative Art zu denken viele Leben rettete. Es würde nicht lange dauern, bis ihre strategischen Herangehensweisen Einzug in die Standardprotokolle des Bureaus finden würden, wo sie dazu beitrügen, mit den sich immer schneller entwickelnden Ideologien, insbesondere des Mittleren Ostens, Schritt zu halten.
Während CNN über den Tod von Darlene Steel, der First Lady von Maryland, berichtete, sammelte Shari die Kinderbücher ihrer Tochter auf, die auf dem Wohnzimmerboden ihres Appartements verstreut lagen.
Da es noch keinerlei Stellungnahme vonseiten der Regierung zu dem Vorfall gab, warf CNN haltlose Theorien von sogenannten »Insider-Quellen« über ihren Tod in den Raum, die eher spekulativer Natur waren, als auf echten Fakten zu beruhen. Das Resultat war ein unablässiger Strom sich ständig wiederholender unbestätigter Berichte, während derer sie die Bücher von Dr. Seuss und Mother Goose aufhob und zurück ins Buchregal stellte.
Mit einem Ofenhandschuh über der einen und einer zweizackigen Gabel in der anderen Hand betrat Gary Molin den Raum. Er war hochgewachsen und schlank, seine Haut von olivbrauner Färbung. Seine Augen funkelten in einem düsteren Stahlgrau, welches seinen eigentümlichen Sinn für Humor widerspiegelte. Seit Monaten bereits hatten er und seine Frau sich auseinandergelebt, sprachen nur noch übereinander anstatt miteinander. Wenn sie sich umarmten, küssten oder eine Form körperlicher Zuneigung ausdrückten, fühlte es sich erzwungen, aufgesetzt, ja sogar vulgär an. Dabei hatte es gar keinen besonderen Auslöser oder einen Fall von Untreue gegeben, der einen Keil zwischen sie trieb. Es war viel einfacher: Das romantische Feuer der Verliebtheit war verschwunden. Von der anfänglich heißglühenden Flamme war kaum noch ein schwaches Glimmen geblieben. Das Schlimmste an der Sache war, dass sie es beide wussten. Trotzdem versuchten sie krampfhaft, sich mit nutzlosen Gesten wie dem Kochen von