DIE RITTER DES VATIKAN. Rick Jones

DIE RITTER DES VATIKAN - Rick Jones


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      Yosef starrte direkt in eine Überwachungskamera.

      Von allen Seiten drang aufgeregtes Geschnatter an sein Ohr, dessen Dringlichkeit normalerweise ausschließlich israelischen Interessen galt. Doch es war dieses Mal anders. Der Papst wurde vermisst. Katholiken auf der ganzen Welt riefen dazu auf, den Heiligen Vater unverletzt zurückzubringen. Der Mossad sah das als eine willkommene Gelegenheit an, der Welt zu zeigen, dass die arabische Feindseligkeit keine Grenzen kannte und das Leid Israels nun zum Leid aller Menschen geworden war. Israel wollte bei seinen Alliierten auf diese Weise das Bewusstsein dafür wecken, wie es sich anfühlte, unter der unablässigen Tyrannei fanatischer Feinde leben zu müssen.

      Aus einem der Fahrstühle, die in Abteilungen führten, zu denen Yosef keinen Zutritt hatte, erschien David Gonick. Mit aschfahlem Gesicht hastete er auf die Toiletten zu. Dabei knetete er nervös seine Hände und schien sichtlich mitgenommen zu sein, als wäre er Zeuge von etwas außerordentlich Furchtbarem geworden. Gonick war ein weiterer Agent des CIA, der das Lohamah Psichlogit Department infiltriert hatte. Das Lohamah Psichlogit, auch als LAP bekannt, war für psychologische Kriegsführung, Propaganda und Täuschungsmanöver zuständig. Um Mitglied des LAP werden zu können, bedurfte es einer Q-Freigabe, die nur sehr wenigen Personen ganz oben in der Nahrungskette vorbehalten war. Der Unterwanderung auf diesem Level und dem Einsatz eines CIA-Agenten waren Jahre der Vorbereitung vorausgegangen. Gonick in dieser Verfassung zu sehen, verwirrte Yosef jedoch, denn Gonick war stets jemand gewesen, der selbst unter extremem Druck Haltung bewahren konnte.

      Hatte man ihn enttarnt?

      Wenige Minuten später verließ Gonick die Toilette wieder. Er drehte sich kein einziges Mal zu Yosef um oder begrüßte ihn, sondern eilte direkt zu den Fahrstühlen zurück. Allerdings war der Knoten seiner Krawatte nun ein wenig gelockert und er hatte den obersten Knopf seines Hemdes geöffnet. Das war ein Zeichen.

      Yosef rieb sich flüchtig mit der Hand über sein Gesicht und spürte das lange erwartete Gefühl, dass seine Arbeit endlich Früchte tragen würde. Er stand auf und versuchte so locker wie möglich zu wirken, bevor er sich ebenfalls auf den Weg zu den Toiletten machte. Die Leute um ihn herum nahmen sein Verschwinden kaum zur Kenntnis. Sie waren mit ihren eigenen Aufgaben beschäftigt. Yosef war nur ein nichtssagendes Gesicht unter vielen. Tatsächlich übertraf Yosef in seiner Unauffälligkeit noch die meisten seiner Mitmenschen. Er war praktisch ein Geist.

      Die Toilette war verlassen und sauber. Die Urinale befanden sich auf der linken Seite, die Kabinen auf der rechten. Yosef betrat die dritte Kabine, schloss die Tür hinter sich und wartete. Während er so da stand, überfiel ihn ein Anflug von Paranoia. Er atmete tief durch und wartete darauf, dass das Gefühl wieder verflog. Leise öffnete er die Abdeckung des Spülkastens. Auf dem Boden des Kastens lag kaum sichtbar ein Daten-Stick in einer durchsichtigen Hülle. Der Datenträger war auf dem neuesten Stand der Technik; klein, aber mit ungeheurem Speichervolumen.

      Mit etwas Klopapier trocknete er das Gehäuse ab, dann steckte er sich den Stick in eine spezielle Tasche, die in den Bund seiner Hose eingenäht war. Danach brachte er den Deckel wieder auf dem Spülkasten auf, atmete noch einmal tief durch, um sich zu sammeln, und verließ die Kabine.

      Streng nach Protokoll würde er die Daten auf dem Stick zuerst entschlüsseln und dann an seine amerikanischen Kontaktpersonen weiterleiten. Sein Wert als Agent, nach Jahren des Trainings, belief sich mittlerweile hauptsächlich auf seine Computerfähigkeiten, was er als wenig glanzvoll für einen Spion empfand. Yosef neigte immer noch dazu, die filmische Seite des Spionagehandwerks zu romantisieren und malte sich oft aus, wie er nächtens durch neblige Gassen lief und in dunklen Winkeln auf seine Kontaktpersonen traf. In Wahrheit jedoch besaß er etwas weitaus Wichtigeres, sehr viel Konkreteres, als nur romantische Ideen. Der Daten-Stick in seinem Besitz, wenn auch kaum größer als ein menschlicher Daumen, enthielt genügend Informationen, um die Welt an den Rand eines globalen Krieges zu bringen.

      Yosef kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, tat so, als wäre nichts geschehen, und konnte es insgeheim kaum erwarten, nach Hause zu kommen und die Daten zu dechiffrieren.

      Kapitel 11

      Vatikan-Stadt | 23. September, nachmittags

      Sie nannten sich der Bund der Sieben, ein privater Kreis innerhalb des Vatikans, bestehend aus dem Papst, dem Außenminister des Vatikans und fünf der vertrauenswürdigsten Kardinäle der Kurie.

      In einem Raum unter dem Petersdom, zu dem nur wenigen Personen Zutritt gestattet war, standen sieben Stühle auf einer marmornen Plattform, die sich über einen Meter über den Boden erhob. Der Stuhl des Papstes selbst, ein mit Blattgold überzogener Thron, war leer. Auf dem Stuhl daneben, der beinahe ebenso beeindruckend anmutete wie der Thron des Papstes, wenn auch kleiner und weniger fantasievoll gestaltet, saß der Außenminister des Vatikans, umringt von den Kardinälen der Kurie in vollem Ornat.

      Die Halle war prachtvoll und uralt – ein unterirdischer Zufluchtsort, in dem sich frühere Päpste und deren geheime Vertraute von Zeit zu Zeit eingefunden hatten. Die Wände waren aus Kalk gefertigt und die hohe Gewölbedecke wurde von gewaltigen romanischen Säulen getragen. Die Akustik der Halle war schlecht, sodass die Worte nicht selten als Echo durch den Saal hallten, und das Licht stammte von den Gaslampen an den Wänden, die der Halle ein düsteres mittelalterliches Antlitz verliehen.

      Während der Bund der Sieben wartete, schallte das Echo eiliger Schritte von jenseits der Halle heran. Dann schwang die schwere Eichentür am anderen Ende des Raumes auf. Aus den Schatten schälte sich ein Mann von unvorstellbarer Größe und Statur und hielt auf die Plattform zu. Gangart und Körpersprache des Mannes ließen auf Macht und Selbstvertrauen schließen. Seine Schultern waren ungeheuer breit und über seiner Brust und seinen Oberarmen war der Stoff seines geistlichen Gewandes beinahe zum Zerreißen gespannt. Sein V-förmiger Oberkörper mündete in einer engen Taille und zwei wie gemeißelt wirkenden Beinen. Nachdem er die Plattform erreicht hatte, nahm er sein Beret vom Kopf, fiel auf die Knie und presste sich eine geschlossene Faust in der Höhe des Herzens auf seine Brust.

      »Treue über alles. Alles außer der Ehre«, rief er aus. Der Gruß der Vatikanritter.

      Der betagte Außenminister des Vatikans, Kardinal Bonasero Vessucci, erhob sich mit einiger Mühe und lief die drei Stufen zu dem marmornen Boden hinab, wo noch immer der hünenhafte Mann kniete. »Erhebe dich, mein Freund. Wir haben viel zu besprechen.«

      Kimball Hayden richtete sich auf. Dabei überragte er Kardinal Vessucci, der ihm nicht einmal bis an die Brust reichte. Als der Kardinal seine Hand auf die Schulter des Mannes legte, musste er sie dafür weit über seinen Kopf heben.

      »Du weißt sicher, wieso wir dich rufen ließen«, sprach ihn der Kardinal in fließendem Englisch an.

      »Das tue ich.«

      Vessucci ließ seine Hand auf Kimballs Schulter ruhen und benutzte den weitaus größeren Mann als Stütze. »Dann versammle dein Team und bring unseren Papst und die Mitglieder des Heiligen Stuhls zurück, mit allen Mitteln, die dazu nötig sind. Hast du das verstanden?«

      Kimball nickte.

      »Wenn diese Terroristen sich mit der römisch-katholischen Kirche anlegen wollen, dann sollen sie ihren Krieg bekommen.« Vessucci nahm seinen Arm herunter und blieb stehen. Der kurze Gang hatte den alten Mann bereits zu sehr ermüdet. »Wir mögen nur ein kleiner Staat sein, aber auch wir haben das Recht, die Landeshoheit der Kirche, ihre Interessen und das Wohlergehen seiner Bürger zu beschützen. Ich verstehe, dass ein Einsatz schwierig werden wird, aufgrund des Mangels an Regeln, aber du wirst in diesen Dingen diskret vorgehen müssen, sofern das möglich ist. Sollte sich ein tragisches Unglück ereignen, Kimball, wird die Kirche keine andere Wahl haben, als jegliche Kenntnis des Vatikans darüber abzustreiten. Wir dürfen nicht riskieren, dass deine Methoden unerwünschte Aufmerksamkeit auf die Kirche lenken.«

      Kimball legte einen Arm um seinen alten Freund, um ihm Halt zu geben, ihn aber gleichzeitig seiner Unterstützung zu versichern. Er hasste es, den Kardinal in dieser Verfassung erleben zu müssen – einen Mann seiner Herrlichkeit, der unter einer degenerativen


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