Killer in Texas: Western Sammelband 7 Romane und eine Kurzgeschichte. Pete Hackett
und tödlich sein.
Dann hatte der Tag die Nacht endgültig verdrängt. Zur ihrer Rechten schwang sich ein Abhang nach oben. Vor ihnen bohrte öffnete sich ein Canyon, der die Erde auf einer Breite bis zu einer halben Meile wie eine riesige Wunde zerteilte.
„Reite weiter, Kath“, murmelte Harrison. „Ich will mal vom Hügel aus nach unseren Jägern Ausschau halten.“
„Nehmen wir den Weg durch den Canyon?“, erkundigte sich Kathy.
„Nein. Am Ende hat er keinen Ausgang und wir würden in der Falle sitzen.“
Harrison zog mit seinem letzten Wort das Pferd halb um die rechte Hand. Er lenkte es den Abhang hinauf. Das Tier trat Geröll los. Steine sprangen in die Tiefe. Die Kuppe des Hügels krönte ein ruinenähnlicher Sandsteinfelsen. Als Harrison oben angelangt war, sah er Kathy am Nordrand des Canyons entlangreiten.
Er richtete seinen Blick nach Osten. Deutlich zeichnete sich ihre Fährte im feinkörnigen Sand ab. Und dort, wo sein Blickfeld endete, erhob sich eine Staubfahne. Sie schien von Osten her heranzurollen, und Harrison wusste, dass dieser Staub von den Hufen der Verfolgerpferde aufgewirbelt wurde. Tatsächlich waren vor der hochschlagenden Staubwolke kleine, schwarze Punkte auszumachen, die sich auf diese Entfernung nicht von der Stelle zu rühren schienen, bei denen es sich aber um Reiter handelte, die ihre Pferde nicht schonten.
Harrison vollführte eine halbe Drehung im Sattel und stützte sich mit dem rechten Arm auf der Kruppe des Pferdes ab. Kathy war schon mehr als dreihundert Yards entfernt. Grimmig entschlossen nahm Harrison sein Gewehr aus dem Scabbard. Er riegelte eine Patrone in den Lauf und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Nachdem er das Pferd in einen Felsspalt in Sicherheit gebracht hatte, postierte Harrison sich hinter einem hüfthohen Findling, der vor tausenden von Jahren von dem Felsgebilde heruntergestürzt sein mochte und dessen Oberfläche von Regen, Wind und Sonne rundgeschliffen war.
Das Hufgetrappel, das Kathys Pferd verursachte, entfernte sich. Von Osten her wurde anhaltendes, brandendes Tosen laut, mehr einem fernen Donnergrollen ähnlich als dem Hufschlag einer Handvoll Pferde. Aber das Geräusch gewann schon bald an Deutlichkeit. Immer wieder tauchten die Reiter über einer Bodenwelle auf. Je näher sie kamen, umso besser konnte Harrison Einzelheiten unterscheiden. Das rote Haar des vordersten der Reiter leuchtete im Sonnenlicht wie Kupfer. Der Reitwind hatte Flint Dexter den Stetson vom Kopf gerissen. Er hüpfte am Kinnband auf seinem Rücken.
Die Horde vermittelte einen erschreckenden Eindruck von Wucht und Stärke. Sie kam in loser Ordnung. Die Männer von der Brazos River Ranch ließen ihre Pferde jetzt traben. Auch sie waren erfahren genug, um zu wissen, dass sie ihren Pferden Pausen gönnen mussten, wollten sie die Tiere nicht total verausgaben und Gefahr laufen, sie zuschanden zu reiten.
Harrison hob das Gewehr. Und als der Pulk nahe genug war, zog er durch. Der Knall stieß durch die Wildnis, diese Wüste erstarrter Sandwogen und rief ein fernes Echo wach. Harrison nahm sich nicht die Mühe, genau zu zielen. Er jagte seine Kugel einfach in die Masse der herantrabenden Reiter und Pferde hinein. Im Knall sah er eines der Pferde niedergehen und sich überschlagen. Sein Reiter wurde regelrecht aus dem Sattel katapultiert und krachte Hals über Kopf auf den Boden. Im Nu bildete sich ein Knäuel ineinander verkeilter Pferde und Menschenleiber, als das nachfolgende Pferd über das gestürzte Tier stolperte und ein weiteres Tier in das Hindernis hineinlief.
Harrison lud und schoss, so schnell er konnte. Ein weiteres Pferd brach zusammen. Wüstes Geschrei erhob sich. Gewehre dröhnten. Kugeln schrammten über den Fels, hinter dem sich Harrison verschanzt hatte. Wer von den B.R.-Reitern noch im Sattel saß, sprang ab und rannte, sein Pferd am Zügel hinter sich herzerrend, in Deckung. Vom Boden schnellte eine Gestalt in die Höhe und warf sich hinter den Kadaver eines der toten Pferde.
Harrison gab noch ein paar Schüsse ab, dann zog er sich zurück. Er hatte sie aufgehalten und ihnen einen Denkzettel verpasst. Es würde einige Zeit dauern, bis sie ihren Schrecken überwunden hatten. Vielleicht gaben sie sogar auf, nachdem zwei von ihnen keine Pferde mehr hatten. Harrison zog diesen Gedanken allerdings nur halbherzig in Erwägung. Denn er glaubte nicht daran. Er sollte geopfert werden, und Big John hätte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Über Bancrofts und sein Land würden Big Johns Rinder von der Nordweide der B.R.-Ranch aus freien Zugang zum Canadian Creek haben. Er konnte, solange er lebte, dem Weidepiraten Knüppel zwischen die Beine werfen. Und darum hatten die Kerle, die ihn jetzt belauerten wie ein Rudel Raubtiere, sicherlich Order, die Jagd erst dann abzubrechen, wenn das Wild tot war.
Harrison holte sein Pferd, ritt im Schutze übereinandergetürmter Felsblöcke zur Westseite des Hügels und machte sich an den Abstieg. Der Weg war steil und beschwerlich. Immer wieder musste sich das Pferd gegen das Abgleiten stemmen. Geröll rutschte in die Tiefe. Harrison musste all sein reiterisches Können aufwenden, um einen Sturz des Pferdes zu verhindern. Und so kam er nur langsam vorwärts.
Von Kathy war nichts zu sehen. Wahrscheinlich hatte sie sich beim Brechen der ersten Schüsse zwischen den Felsen, die den Rand der Schlucht säumten, verschanzt.
Harrison überwand die letzten Yards und befand sich auf flachem Terrain, als von rechts um den Hügel herum zwei Pferde heransprengten. Die beiden Reiter eröffneten sofort das Feuer. Harrison, der sein Pferd gerade antreiben wollte, um Kathy am Rand des Canyons entlang zu folgen, konnte diese Richtung nicht beibehalten. Denn bei dem Tempo, das sie vorlegten, würden sie ihm in einem spitzen Winkel den Weg abschneiden und ihn gezielt unter Feuer nehmen können.
Er riss das Pferd herum und trieb es an. An der Südseite des Hügels entlang, von dem aus er den Pulk unter Feuer genommen hatte, stoben zwei weitere Reiter schießend näher. Mit den Sporen und den langen Zügelenden feuerte Harrison sein Pferd an. Die eine oder andere Kugel strich ziemlich dicht an ihm vorüber. Er lag fast auf dem Hals seines Braunen. Die Hufe schienen kaum den Boden zu berühren. Und dann donnerte Harrison zwischen die Felswände, die den Canyon begrenzten. Die Sohle senkte sich. Die Felswände zu beiden Seiten wurden höher. Staub rieselte von oben über die Abbrüche in die Tiefe. Als Harrison zurückschaute, riss einer der Reiter im Maul der Schlucht sein Pferd zurück. Sein Gewehr dröhnte.
Mit bösartigem Knall übertönte der Schuss das Klirren und Krachen des Hufschlags, den sein Pferd produzierte. Aufbrüllend antwortete das Echo, grollte in der tiefen Schlucht und zerflatterte mit geisterhaftem Geflüster zwischen den zerklüfteten Wänden.
Die anderen Reiter tauchten auf. Sie zerrten ihre Pferde in den Stand. Ein Stakkato von Schüssen folgte Harrison. Staubfontänen spritzten auf, wo sich die Projektile in den Boden bohrten. Das wilde Heulen der Querschläger zog durch den Canyon, brüllendes Echo hallte von den Felswänden wider. Harrison jagte das Pferd um einen Felsvorsprung. Sofort endete das Gewehrfeuer. Er saß ab und äugte um die Deckung. Fast bedächtig lud er die Winchester durch.
Die Kerle von der Brazos River Ranch waren verschwunden. Sie hatten ihre Pferde zurückgejagt, waren abgesprungen und arbeiteten sich nun näher.
Harrison schob seinen Kopf eine Handbreit weiter vor, um besser sehen zu können. Eine Kugel pfiff heran und wirbelte ihm Gesteinssplitter ins Gesicht. Schnell zog er das Gesicht zurück. Er lief zu seinem Pferd und war mit einem Satz im Sattel. Immer tiefer ging es in den Leib der Erde hinein. Als die B.R.-Häscher um den Knick rannten, war Harrison schon um den nächsten verschwunden.
Und dann endete der Canyon. Zumindest war der Weg für ein Pferd kaum noch begehbar. Ein Steilhang schwang sich vor Harrison in die Höhe, der auf einer Felsterrasse endete. Weitere Felsterrassen folgten, die Abbrüche dazwischen waren fast senkrecht, nur hier und dort hatten Regen- und Schmelzwasser eine Rinne oder einen natürlichen Pfad eingegraben. Über der obersten Felsenterrasse öffnete sich wieder der Canyon.
Harrison schloss die Möglichkeit, hinaufzukommen, nicht aus. Aber ehe er oben sein konnte, würden seine Jäger auftauchen, und er würde sich ihren Kugeln ungedeckt preisgeben wie auf einem Präsentierteller.
Also verschanzte er sich und erwartete sie. Er spürte eine sonderbare Kälte tief in seinem Innersten. Eiserne Entschlossenheit prägte seine Züge. Sein Gesicht spiegelte äußerste Anspannung wider. Die bleierne, unheilvolle Stille, die zwischen den Felsen nistete, berührte