Europa - Tragödie eines Mondes. Uwe Roth
Station informieren.“
Der Professor schaltete die Datenverwaltungskontrollen ein, die sowohl als Rechner fungierten, als auch zur Kommunikation und Bildinformationsübertragung dienten. Auf dem Bildschirm erschien ein mit tiefen Furchen und Narben besetztes Gesicht. Seine Schwimmfinger drehten im Hintergrund an mehreren Apparaten. Der Seismologe, dessen seismologische Station eine Direktverbindung zu dem Institut hatte, in dem Zeru und ihre Kollegen nach Antworten über den oberen Schleier suchten, erschien auf dem Monitorbild.
„Ah Apuretus, ich grüße sie. Was war das eben?“, fragte der Professor ungläubig den Seismologen. Zeru und der Professor sahen den Maborier im Monitor gespannt an. Zeru wusste, dass er ein Vertrauter des Professors war. Er sprach des öfteren mit der seismologischen Station. So war es auch nicht verwunderlich, dass Professor Bereu gleich eine Verbindung zu ihm aufbauen konnte.
„Tja, ein Kernbeben war das nicht. Wir haben keinerlei Kernbewegungen registriert. Wir können uns das auch nicht erklären.“, stammelte der Seismologe. Zerus Blick schweifte von dem Monitor zu einem anderen Monitor ab, der die Daten von dem Oben aufzeichnete.
„Professor, sehen sie. Unsere soeben empfangenen Daten.“
Der Professor wandte sich von Apuretus ab und blickte zu Zeru rüber, die verwundert auf einen anderen Monitor sah. Professor Bereu erkannte sofort die außergewöhnlichen Anzeigen, die der Monitor präsentierte.
„Was geht da bei ihnen vor sich, Professor?“, wollte Apuretus wissen, der mitbekam, wie Professor Bereu sich von ihm abwand.
„Einen kleinen Augenblick Geduld, Apuretus“, unterbrach ihn der Professor forsch. Er schaute Zeru aufgeregt an. Er wusste um die Bedeutung der Entdeckung, auf die sie ihn aufmerksam machte.
„So, wie es aussieht, lag der Ausgangspunkt über uns“, interpretierte der Professor die Daten zweifelnd.
„Professor Bereu, wie meinen sie das?“ Apuretus, der ungeduldig am anderen Ende der Verbindung schwamm, wollte Näheres wissen. Er konnte nicht fassen, dass man ihn so lange hinhielt. Ihn, der in der Wissenschaftswelt hoch angesehen war. Aber er wusste auch, dass er sich bei Professor Bereu in Geduld üben musste.
„Sie haben recht, Apuretus, Das Beben war wirklich kein Kernbeben.“, erklärte der Professor Apuretus endlich.
„Sondern? Sagen sie schon, was war es?“, wurde er eindringlicher von Apuretus aufgefordert, ihm endlich zu antworten. Der Professor schwamm zu den vielen Apparaturen, die für die Erkundung der oberen Hemisphäre zuständig waren. Er überprüfte Skalen und checkte Datenmengen ab. Aufgeregte Blicke wanderten zwischen Zeru und ihm hin und her. Beide waren sich über die Ergebnisse einig. Zeru fühlte sich äußerst zufrieden. Sie verspürte eine innere Zufriedenheit bei der gemeinsamen Betrachtung und anschließenden Analyse der Daten.
„Professor, was geht da vor sich?“ Unaufhaltsam verlangte am anderen Ende der Kommunikation Apuretus eine Erklärung vom Professor. Langsam und mit ernstem Gesicht drehte sich der Professor zu dem Kommunikationsmonitor um.
„So wie es aussieht, haben wir die ersten vernünftigen Daten von der oberen Hemisphäre erhalten. Das Beben kam von dort oben. Irgendetwas ist dort oben passiert. Ich kann mir nicht erklären, was das gewesen sein könnte. Die Daten sagen ganz deutlich, dass dort oben eine riesige Erschütterung stattgefunden hat.“ Der Professor schaute begeistert und doch besorgt den Seismologen an.
„Wie kann das sein, Professor? Sind sie sich da ganz sicher? Vielleicht gibt es Störungen in ihren Geräten?“, spekulierte A-puretus.
„Unsere Geräte funktionieren einwandfrei. Die Erschütterung kam eindeutig vom Schleier.“, sprach Bereu beleidigt und voller Überzeugung in die Kommunikationsanlage. Zeru ahnte damals noch nicht, welche Auswirkungen dieser Zyklus in ihrem Leben und dem Leben aller Bewohner Maboriens bedeuten würde.
Wie lange war das nun schon her, dachte sie, wie doch die Zeit verging. Und wir haben seitdem keine neuen Erkenntnisse über die Ursache der Erschütterung erhalten. Das empfand sie als sehr frustrierend. Aber immer, wenn sie Enttäuschungen und Niederlagen hinnehmen musste, erinnerte sie sich wieder an das kleine Ding, das mit den seltsamen kleinen Schriftzeichen, das sie seit damals in einem kleinen Bauchrucksack mit sich trug, der sich eng an ihre Kleidung schmiegte. Es gab ihr immer wieder die Kraft, weiter zu Forschen und niemals aufzugeben.
Mehrere Monate nach diesen Ereignissen kam es zu gravierenden Veränderungen in der Unterwasserwelt. Zuerst fing es damit an, dass das Forschungsinstitut, dass sich mit der Erforschung der oberen Hemisphäre beschäftigte, seltsame Ergebnisse erhielt. In den oberen Bereichen sank die Temperatur rapide ab. Wurden bei 1000 Metern noch vor dem Ereignis etwa 10 Grad gemessen, so waren es nun nur noch 8 Grad. Das war nicht weiter besorgniserregend. Es gab immer mal wieder Abweichungen von den üblichen Werten, aber diese normalisierten sich schnell wieder. Nun aber blieb es bei den Werten. In den nördlichen Stadtwelten sank ebenfalls die Temperatur. Aber dort war es erschreckender. War die Temperatur auf dem gesamten Innenraum ihrer Welt stets gleich gewesen, etwa 24 Grad, so sank sie in den nördlichen Bereichen bereits auf 18 Grad. Die Tierwelt flüchtete von den nördlichen Bereichen in den Süden, wo es keine Temperaturveränderung gab. Die Pflanzenwelt starb langsam ab. Man begann damit, diese Bereiche zu evakuieren. Aber viele der Bewohner wollten ihr Zuhause nicht verlassen. Man begann damit, Heizapparaturen in den Wohnsiedlungen zu installieren. Das entschärfte erstmal die Situation. Einige Viertel Zeitzyklen später begann sich die Situation zu verschärfen. Die lichtgebenden Pflanzen starben in entlegenen Gebieten vollends ab und damit auch die Kristalle. Es wurde immer dunkler. Das Licht, was von den Kristallen abgegeben wurde, begann in den nördlichen Bereichen immer schwächer zu werden. Die Temperatur sank abermals um 10 Grad, auf gerade mal 8 Grad. Nun gab es hier kein Leben mehr. Alle Bewohner packten ihre Sachen und wurden aus dem Gefahrenbereich evakuiert. In den übrigen Lebensräumen der Unterwasserbewohner breitete sich die bekannte Algengefahr erschreckend weit aus. Es kam zu Übergriffen von Riesenschwimmungeheuern, einer sonst in entlegenen Breiten verkommene Art von Raubtieren, die sonst keine Gefahr für die Maborier bedeuteten. Nun aber wurden sie durch die Umweltbeeinflussung aus ihren Jagdgründen vertrieben und versuchten ihr Glück in den Siedlungen der Maborier. Hunderte von ihnen fielen den gefräßigen Raubtieren zum Opfer. Spezielle Säuberungstrupps wurden entsendet, um der Plage her zu werden. Nachdem aber die Tiere an Übermacht gewannen, evakuierte man auch diese Städte. Die Temperatur sank immer weiter. In den Reihen der verantwortlichen Regierungsverwaltung wurde das Problem lange diskutiert. Zu lange. Als die Temperatur die Minusgrade erreichte, war es bereits zu spät für irgendwelche Gegenmaßnahmen. Was hätte man auch tun können? Man war gegen diese Naturgewalt machtlos. Die nördliche Hemisphäre begann einzufrieren.
Aber ganz tatenlos waren die Bewohner der Unterwasserwelt nicht. Besonders die Wissenschaftler bemühten sich um Aufklärung der Ursachen dieses Phänomens. Mit den Beobachtungsmessergebnissen, die die Forschungseinrichtung um Professor Bereu während des Ereignisses machte, begann man damit, eine bemannte Expedition auszurichten, die die obere Hemisphäre, also den Schleier, erkunden sollte. Mit bisher geheim gehaltenen neuen Techniken und wissenschaftlichen Errungenschaften schafften es die Ingenieure, ein Forschungsschiff zu konstruieren, das mit einer sechs Mann Besatzung aufbrechen sollte, um zu erkunden, was es mit der oberen Hemisphäre auf sich hatte. Erkenntnisse zu beschaffen, um zu ergründen, was sich dort oben vor so vielen Zeitzyklen ereignete. Man erhoffte sich so viel von dieser Mission. Aber für Zeru und Professor Bereu war besonders die Frage wichtig, was sich dort oben überhaupt befand. Insbesondere wollten sie in Erfahrung bringen, ob es dort oben Hilfe für ihre gebeutelte Welt gab. Und vor allem hoffte Zeru, dort oben die Herkunft ihres Artefaktes zu finden.
Inzwischen war etwa ein Zeitzyklus vergangen. Mehrere
Kilometer der nördlichen Bereiche waren bereits durch einen undurchdringbaren, glasklaren Eispanzer vereinnahmt wurden. Man errechnete den ungefähren Ausgangspunkt der Befallskatastrophe, der das Ziel einer bemannten Mission werden sollte.
In der Rechnerzentrale herrschte rege Betriebsamkeit, als Zeru schwimmend den Raum betrat. Die vielen Anzeigen der Datenverarbeitungsgeräte, die die gesamten Wände einnahmen, blinkten unaufhörlich. In ihnen wurden die empfangenen Daten ständig