Kritik der reinen Verleugnung. Volker Kulessa

Kritik der reinen Verleugnung - Volker Kulessa


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Glauben an ihn zugeeignet wird, teilt das Johannesevangelium mit dem gesamten Neuen Testament. Seine „Besonderheit“ besteht in christologischer Hinsicht darin, daß es die dieser Grundüberzeugung zugrunde liegende Prämisse, die auch von den synoptischen Evangelien, der Apostelgeschichte, der neutestamentlichen Briefliteratur und der Johannesoffenbarung geteilt wird, wie keine andere Schrift des Neuen Testaments programmatisch und eigens thematisiert: dass Christus, als der Sohn Gottes von Ewigkeit her auf die Seite Gottes, des Vaters, gehört und deshalb in gleicher Weise und mit gleichem Ernst wie diese „Gott“ genannt zu werden verdient. Aus diesem Grund eröffnet der Evangelist sein Evangelium mit dem christologischen Basis- und Spitzensatz:

      >Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort<. Diesem Satz zufolge existierte der mit Jesus Christus identische Logos schon im Uranfang (V1a), also noch vor der Schöpfung, von der innerhalb des Prologs erst in V 3-5 die Rede ist, in personaler Gemeinschaft mit Gott dem Vater (V. 1b). Deshalb eignet ihm in gleicher Weise und Dignität wie dem Vater das Gottssein (V1c) (Verweis mit Nachweis für diese Lesart). Dieser Sachverhalt wird dann noch einmal im letzten Satz des Prologs aufgegriffen und nachdrücklich unterstrichen: „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eine und einzige, der selbst Gott ist, der in des Vaters Schoß ist, jener hat (ihn) offenbart“ (1,18) Auf diese Weise ergibt sich eine in christologischer Hinsicht bedeutsame, weil auf das >Gottsein< des Logos abhebende Inklusion, die den programmatischen Eröffnungstext des Evangeliums als sachliche Einheit bezeichnet. Das Bekenntnis der Gottheit Jesu rahmt aber nicht nur den Prolog. […] Dieses Bekenntnis rahmt vielmehr das Johannesevangelium als Ganzes. Denn die johanneische Ostergeschichte findet ihren narrativen christologischen Höhepunkt in dem Bekenntnis des Thomas: „Mein Herr und mein Gott“ (20,28) Mit ihm redet Thomas den Auferstandenen so an wie der Beter von Ps. 34,23 LXX den Gott Israels. Es vollzieht sich hier nicht weniger als die Anbetung des Auferstandenen, der als „Gott“ erkannt ist und als solcher gepriesen wird. […] Nur deshalb, weil Jesus seinem Wesen und Ursprung nach auf die Seite Gottes gehört und als der eine und einzige Sohn selbst „Gott“ ist, kann er tun, was einzige Gott zu tun vermag: sich im Akt freier, umgeschuldeter Liebe als Schöpfer mit seinem Geschöpf identifizieren und sein göttliches Leben für die vor Gott Verlorenen dahingeben, um diese durch seinen stellvertretenden Tod, in den sie eingeschlossen sind, zu heiligen und so zu Gott zu bringen. “175

      Manche begründen ihre Auffassung, Jesus sei ja nur Josefs Sohn, mit dem Stammbaum Jesu im Matthäusevangelium. Aber damit behaupten sie etwas, was dort nicht geschrieben steht. Deshalb ist deren Interpretation ganz offensichtlich eine unhaltbare Exegese. Nämlich: In Mat 1.1-16 steht das genaue Gegenteil des Behaupteten. Dieser Stammbaum ist ganz unübersehbar ein Zeugnis für die Gottessohnschaft Jesu. Ganz auffällig steht in diesem Stammbaum nämlich entgegen aller vorhergehend genannten Abstammungen -- ohne jede Ausnahme -- (in Mat 1.2-16 steht gleich 39 Mal „zeugte“) eben gerade NICHT, „Josef zeugte Jesus“, sondern, und das ist ganz ungewöhnlich für die Antike, wird Josef nur als Mann der Maria genannt, und von Maria gesagt: “von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus“. (Mat 1,16b). Und schon nur zwei Verse weiter wird von Maria gesagt: „daß sie schwanger war durch das Wirken des Heiligen Geistes.“ (Mat. 1, 18b).

      Wie man Matthäus dennoch so entgegen seines geschriebenen Wortlautes und gegen seinen offensichtlichen Sinn auslegen und für die eigene Verleugnung missbrauchen kann, bleibt mir ein Rätsel. Ganz zu schweigen von allen übrigen Zeugnissen des Neuen Testaments. Die bisherige Widerlegung der falschen Behauptungen durch Bultmann und durch andere, nämlich die Verleugnung Jesu als Gottes Sohn, ist schon bis dahin zwingend. Gleich im Anschluss aber, macht Matthäus in Mt 1, in den Versen 20 bis 24176 darüber hinaus weiter deutlich – deutlicher geht es wohl meines Erachtens gar nicht: -- Jesus IST Gottes Sohn, mit Namen Jesus, das heißt JHWH rettet, der verheißene Immanuel, das ist „Gott mit uns“.

      Und obendrein lassen die Synoptiker dazu Jesus selbst sprechen. Jesus erklärt in den Evangelien (Mat 22,41-46, Mk 12, 35-37177 und Lk 20,41-44) in sehr ähnlichen Worten, daß er nicht Davids Sohn sein könne, da David ihn ja schon in PS 110,1 seinen Herrn genannt habe. Damit wird noch einmal, durch Jesu eigenes Wort, eindeutig belegt, „Josef“ (aus dem >Geschlecht Davids<) war nicht der Vater Jesu. Wer das dennoch behauptet, hat das Neue Testament nicht im Ansatz verstanden oder verleugnet es. Und hierbei geht es nicht um „irgendeine“ Verleugnung, sondern um die Verleugnung aller Verleugnungen, um die Verleugnung an der alles entscheidenden Stelle.

       „Wer dieser Jesus ist, das war die Erkenntnis aus der hernach Paulus seine ganze Theologie entfaltete. […] Was Saulus nicht wusste und nicht lernen konnte, das musste ihm offenbart werde: Jesus ist der Christus, der Sohn Gottes.“178

      Ohne jeden Zweifel: Alle Evangelien und Paulus bekennen in einmütiger Eindeutigkeit: Jesus Christus unseren Herrn als Sohn Gottes.

      „Empfangen vom Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria…Dieser Artikel muss bleiben in der Christenheit; denn es ist ein trefflicher, hoher Artikel, dawider sich stößt erstlich der Teufel, danach auch alle, die es mit dem Teufel halten. […] Das stößt zuerst aller Welt vor den Kopf. […] Und zwar wenn die Welt länger stehen soll, wird man wohl innewerden, was der Teufel durch die Rotten wider diesen Artikel aufbringen wird; sie beginnen bereits diesen Artikel anzustechen, und ihr Gift dawider zu säen. “179

      „Denn wenn es einen Teufel gibt, so ist er identisch dem eines höchsten, allein sich selbst setzenden und wollenden, einsam selbstherrlichen und also ab-soluten Wesens.“180

       „Er hat seinen Ursprung beim Vater. D.h. weder seine Taufe noch seine Auferstehung machen ihn erst zu dem, der er ist. Beide zeigen auf den Ursprung Jesu hin. Und der Ursprung Jesu ist Gottes schöpferische Tat.“181

       „Der Hoheitstitel „Sohn Gottes“ kennzeichnet ihn als den, der seinem Ursprung und Wesen nach auf die Seite Gottes, seines Vaters, gehört; und wenn auf >ihn< die Gottesprädikation „der Herr der Herrlichkeit“ bezogen wird, dann liegt darin das Bekenntnis, daß Gott selbst in ihm gegenwärtig und er in Person die Gegenwart Gottes ist. Einzig aufgrund seines göttlichen Seins kann Jesus als der eschatologische Heilsbringer Gottes gedacht werden. “182

      Weitere neutestamentliche Zeugnisse für die Gottessohnschaft und seine Präexistenz und das der Vater den „Sohn“ gesandt habe, finden sich im Neuen Testament an folgenden Stellen: Joh 1,1-3; 3,13; 3,17; 3,31; 3,34; 5,36; 5,38; 6,29; 6,57; 6,62; 7,29; 8,42; 8,58; 10,36; 11,42; 16,28; 17,4.5.24; 18.21.23.25; 4,34; 5,23f; 5,30; 5,37; 6,38f; 6,44; 7,16; 7,18; 7,28; 7,33; 8,16; 8,18; 8,29; 9,4; 12,44; 12,49; 14,24; 15,21; 16,5; 20,21 und Mt 15,24; Lk 4,21.26 oder Röm 1,3f.9; 5,10; 8,3.29.32; Gal 1,16; 2,20; 4,4.6; Gal 3,19; 1 Tim 1,15; 2 Kor 8,9; Phil 2,6-8; 1 Kor 1,9; 8,6; 15,28; 2 Kor 1,19; Kol 1,15-17; Eph 1,3-14; Hebr. 1,2f; 1 Thess 1,10

      „Die christologischen Aussagen [des gesamten Johannes Evangeliums] bilden in sachlicher wie in argumentativer Hinsicht die Grundlage für die eschatologischen Aussagen. Das aber heißt: Der mit der johanneischen

       Gegenwartseschatologie erhobene Wahrheitsanspruch steht und fällt mit der Wahrheit der christologischen Fundamentalbestimmung, daß Jesus als der Sohn Gottes seinem Wesen und Ursprung nach auf die Seite Gottes, seines Vaters, gehört und also selbst wahrer Gott ist. “ 183

      Wer aber den Sohn nicht kennt, kann Gott nicht (erkennen. Wir erfahren und erkennen unseren Herrn, Gott den Vater, Schöpfer, Versöhner und Vollender, NUR, und einzig und allein, in seinem Sohn. Wer aber den Sohn nicht kennt, kennt den Vater nicht. In seinem Sohn Jesus Christus, den er gesandt hat, redet der verborgene Gott zu uns, erschließt sich Gott selbst für uns. Der Logos, Jesus Christus, der Präexistente, der Inkarnierte ist die Gegenwart des sich selbst erschließenden Vaters unter uns Menschen, das uns ansprechende Wort Gottes.

      „Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater. Was ihr gehört habt von Anfang an, das bleibe in euch. Wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang an gehört habt, so werdet ihr auch im Sohn und im Vater


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