Kritik der reinen Verleugnung. Volker Kulessa
nicht, der ihn gesandt hat.“ (Joh 5,23b)
Das Zeugnis des Neuen Testaments ist auch dazu ganz eindeutig. Als Beispiel seien nachfolgende weitere ausgewählte neutestamentliche Texte angeführt:
„ihr seid von untenher, ich bin von obenher.“ (Joh 8,23)
„Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen. Spricht zu ihm Philippus: Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns. Jesus spricht zu ihm: So lange bin ich bei euch, und du kennst mich nicht, Philippus? Wer mich sieht, der sieht den Vater! Wie sprichst du dann: Zeige uns den Vater?“ (Joh 14,6-9)
„Jesus aber rief: Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat. Und wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat. “
(Joh 12, 44-45)
„Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. “ (Mt 11,27)
Die Verleugner Jesu Gottessohnschaft können auch einen, in allen christlichen Kirchen zentralen liturgischen Teil, nämlich das seit frühester Christenheit gesprochene Credo, das apostolische Glaubensbekenntnis, nicht mitbeten, sie würden ja sonst mit diesem Gebet eine Lüge beten. Eine entsetzliche Vorstellung.184
„Die Identität des Christlichen wird im Bekenntnis des christlichen Glaubens formuliert. Der Glaube an Jesus Christus ist die Zusammenfassung des Bekenntnisses zu dem dreieinigen Gott als Schöpfer, Erlöser und Vollender der Welt. “185
„Daß Jesus Christus in seiner Person und in seinem Werk die „Mitte“ des Neuen Testaments ist, meint präzis: „Mitte“ ist das apostolische Christuszeugnis, das sich der
Selbsterschließung des Auferstandenen verdankt und das zwei unlöslich miteinander verbundenen Fundamentalaussagen konstitutiv sind: zum einen die >christliche< Aussage. Daß der Mensch Jesus von Nazareth der wahre und ewige „Sohn Gottes“ und somit Gott selbst als dieser Mensch zu uns gekommen ist; zum andern die darin gründende >soteriologische< Aussage, daß in Person und Werk dieses <einen> Menschen und hier >allein< das zeitliche und das ewige Heil eines jeden Menschen beschlossen liegt. “186
„Man kann Bultmanns Thesen >dogmatisch< prüfen. Dann kommt man rasch und mühelos zu der Feststellung: Bultmanns Sätze stehen im Widerspruch zum Bekenntnis. Wir meinen damit das apostolische Glaubensbekenntnis und sämtliche Bekenntnisschriften und Erklärungen, die auf dem Apostolikum fußen. “187
Den Verleugnern der Gottessohnschaft muss man dann auch entgegenhalten:
„Geliebte, glaubet nicht jedem Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind! Denn es sind viele falsche Propheten hinausgegangen in die Welt. Daran erkennet ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der bekennt: «Jesus ist der im Fleisch gekommene Christus», der ist von Gott; und jeder Geist, der Jesus nicht so bekennt, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Antichrists, von welchem ihr gehört habt, daß er kommt; und jetzt schon ist er in der Welt.“ (1 Joh 4,1-3)
Alle vier Evangelien bezeugen in nicht überbietbarer Eindeutigkeit, die keinen Zweifel offenlassen, die Gottessohnschaft Jesu Christi. Das Gleiche gilt von den Paulusbriefen.
Dazu Martin Hengel: „Im Römerbrief fällt auf, daß der Titel sofort dreimal in der Einleitung erscheint und Paulus damit den Inhalt seines Evangeliums umschreibt Röm (1,3.4,9) von seinem Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch, und nach dem Geist, der heiligt, eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten. Denn Gott ist mein Zeuge, dem ich in meinem Geist diene am Evangelium von seinem Sohn, dass ich ohne Unterlass euer gedenke. Wieder dreimal begegnet er uns auf dem Höhepunkt des Briefes im 8. Kapitel, dessen Skopus man in dem einen Satz zusammenfassen könnte: „Der >Sohn Gottes< macht uns zu >Söhnen Gottes<, die an seiner himmlischen doxa partizipieren sollen (8,3.29.32).“188
Die von Hengel zitierten Textstellen des Neuen Testaments im Wortlaut:
„Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott: er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündige Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch. Röm 8,29: Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, daß sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Röm 8,32: Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Röm 8,3)
Noch einmal Martin Hengel: „Daran zeigt sich, daß für Paulus nicht die spekulative, sondern die Heilsbedeutung des Begriffs im Vordergrund steht. Denselben Eindruck vermittelt der Galaterbrief. […] Damit bezeichnet Paulus zugleich den Gottessohn als den eigentlichen Inhalt seines Evangeliums (Verweis auf J. Blank op. cit. 222ff “Gegenstand der Offenbarung ist der Sohn Gottes, der von den Toten auferstandenen Jesus Christus“)
Analog dazu begegnet uns der Titel [Gottes Sohn] – ähnlich wie in Röm 8 – in der Spitzenaussage des Briefes überhaupt: Gal 4,4 f: [von Bultmann ebenfalls als erledigt erklärt] „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe unter das Gesetz gestellt, damit er die unter dem Gesetz (Versklavten) loskaufte, damit wir die Sohnschaft empfingen […] Wieder ist der Skopus eindeutig soteriologisch: Der >Sohn Gottes< befreit uns dazu, <Gottes Söhne> zu werden.
Dieser Befund wird bestätigt durch einen ganz anderen Text zu Beginn des 2. Korintherbriefes (1,18f) „Gott ist mein Zeuge, daß unser Wort an euch nicht Ja und Nein zugleich ist. Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, der war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm. Auch im ersten Korintherbrief erscheint der Sohn zunächst einmal am Anfang des Schreibens (1,9) und dann wieder an einem Höhepunkt 1 Kor 15,28: Am Ende aller Dinge, wenn durch die Parusie Christi und die allgemeine Auferstehung auch der Tod als letzte Macht besiegt ist, >dann wird auch >der Sohn> selbst sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit sei Gott alles in allem“ (Verweis auf E. Schendel „Herrschaft und Unterwerfung Christi. BGE 12, 1971)
Paulus umschreibt so mit dem Begriff des Sohnes nicht nur den präexistenten und menschgewordenen Erlöser der Welt als Inhalt seiner Missionspredigt, sondern auch den Vollender von Schöpfung und Geschichte […]
Der Sohnestitel umschreibt die Einzigartigkeit des Heilsgeschehens, die Größe des Opfers um unseretwillen.“ 189
„Wollen wir den Beginn der Gottessohnschaft und des Herrseins Jesu benennen, so sollten wir gemäß dem Osterzeugnis der ersten Christen genau unterscheiden. Fragen wir nach dem Erkenntnisgrund – nach der ratio cognoscendi –, so antworten die neutestamentlichen Zeugen einmütig: Seit seiner Auferstehung wird Jesus im umfassenden Sinne als „Sohn Gottes“, als „Christus“ und „Kyrios“ – das heißt als Herr der Welt und der Geschichte – erkannt und bekannt. Fragen wir aber nach dem Seinsgrund dieser Erkenntnis – also nach der ratio essendi –, so ist das einmütige Zeugnis aller Evangelien, dass Gott sich schon lange vor Kreuz und Auferstehung zu Jesus von Nazareth als seinem Sohn bekannt und durch ihn gewirkt hat. Die Frage nach dem Erkenntnisgrund des Gottseins Jesu geht also von Ostern aus zurück, die Frage nach dem Seinsgrund führt von den Anfängen her auf Ostern hin. So fehlt es im Neuen Testament auch nicht an ausdrücklichen Zeugnissen dafür, dass Jesus Christus schon als Sohn bei seinem himmlischen Vater war, bevor er überhaupt als Mensch existierte – dass er also nicht etwa als Mensch Gott wurde, sondern vielmehr als Gott Mensch! […] s. Röm 1,3f; Phil 2,9ff, vgl. Apg 2,36; 13,32f. 4 S. Mk 1,11 3,11; 5,7; 9,7; 14,61f; 15,39; Mk 12,6; 12,35ff. (PS 110,1). 5 Zur „Schöpfungsmittlerschaft“ Jesu Christi s. Joh 1,3.10; 1. Kor 8,6; Kol 1,15-17; Hebr 1,2f. 6 S. zum