9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017. Frank Rehfeld

9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017 - Frank Rehfeld


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hundert Stimmen.

      Und sie trommelten, klapperten und rüttelten - mit allem, was sie gerade in die Finger gekriegt hatten. Schuhe und Holzschemel waren ihnen dazu ebenso recht wie die Zellentüren, deren Gitterstäbe sie gepackt hielten. Die Türen aus Stahlgitter hatten wohl nur einen oder zwei Millimeter Spiel. Doch das reichte schon, um ein mordsmäßiges Geratter zu veranstalten.

      Barry hätte sich gern die Ohren zugehalten. Aber nicht mal das war möglich, da er ja wie ein Schwerverbrecher behandelt wurde.

      Sie trieben ihn in den Mittelgang, von dem in Zehn-Meter-Abständen Querverbindungen zu den Galerien unmittelbar vor den Zellen führten. Praktisch waren es drei parallel verlaufende Wege aus Gitterrosten. Dadurch fiel der Blick auch ins Erdgeschoß und ebenso nach oben, in den zweiten Stock. Für ihre Kontrollgänge, so vermutete Barry, benutzten die Aufseher wahrscheinlich den mittleren Gang. Auf die Weise hatten sie den besten Überblick nach beiden Seiten.

      Jeder Schritt war wie ein Spießrutenlaufen.

      In den ersten Sekunden und Minuten glaubte Barry noch, dass Lärm und Gebrüll eine Art Protest gegen ihn, den Neuankömmling, waren. Er hatte noch nie ein Gefängnis von innen gesehen, nicht mal in seiner schlechtesten Zeit. Deshalb wusste er es nicht besser.

      Jeder seiner Schritte kam ihm vor wie in Zeitlupe.

      Er fing an, sich die Gesichter hinter den Gitterstäben anzusehen.

      Und er erschrak.

      Denn es war nichts als Hass, blindwütiger Hass, den er in diesen verzerrten Gesichtern las. Doch zugleich spürte er, dass der Hass nicht ihm galt.

      Der Lärm erst recht nicht.

      Und auf einmal wurde ihm auch klar, weshalb die Aufseher bewaffnet waren, als ob sie sich auf Spähtrupp in feindlichem Gebiet befanden. Er glaubte, es zu wissen.

      Die Lage hier war viel schlimmer, als Leonard Lovell sie ihm geschildert hatte.

      Nervosität befiel den Trucker. Wie, zum Teufel, sollte er diesen Job durchstehen? Der Lärm mochte sich legen. Aber es sah verdammt so aus, als ob es trotzdem der reinste Hexenkessel war, in den er geriet. Davon hatte Lovell nichts gesagt. Nur von ersten Anzeichen, die man auskundschaften müsse, um sie bekämpfen zu können.

      Barry verspürte ein Kribbeln unter der Haut. Es war ein Gefühl wie von Millionen Nadelspitzen, die sich einen Weg ins Freie zu bahnen versuchten. Einen Weg, der ihm selbst versperrt war. Verdammt, er saß in dieser Hölle fest. Mitgefangen, mitgehangen! Das Sprichwort erhielt eine teuflische Bedeutung für ihn.

      Geballte Wut schlug den Aufsehern aus den Zellen entgegen. Es war wie eine körperlich spürbare Gewalt, die sich ihren Weg suchte. Und sie würde ihr Ventil finden. Sicher nicht jetzt. Aber vielleicht morgen...übermorgen...

      Ein Pulverfass, das jeden Moment hochgehen konnte.

      Der Staat Oklahoma rechnete mit Revolten in seinen Gefängnissen. Die Staatspolizei war mit der Unterstützung der Strafvollzugs-Behörden beauftragt worden. Das Ganze lief unter strengster Geheimhaltung.

      Und Broken Bow galt als die Keimzelle des geplanten Aufstandes.

      Die Gründe waren an den Haaren herbeigezogen. Schlechtes Essen. Menschenunwürdige Haftbedingungen. Das Übliche.

      Lovell und seine Auftraggeber vermuteten, dass die Mafia dahintersteckte.

      Ein Massenausbruch war geplant. Der Aufstand sollte dazu dienen, der Administration die konzentrierte Gewalt sämtlicher Gefangener entgegenzusetzen. Das organisierte Verbrechen wollte dem Staat Oklahoma einen Schlag versetzen, von dem er sich so schnell nicht wieder erholte. Lovell vermutete weiter, dass der konkrete Anlass dafür genau hier, in der Gefängnis Außenstelle Broken Bow, zu suchen war. Und niemand anders als Barry Deegan war auf dem Weg in die Höhle des Löwen. Yeah, verdammt, sein Weg führte an die Wurzel des Übels. Dabei war er überzeugt, dass er nicht mal ansatzweise in der Lage sein würde, den Auftrag auszuführen.

      Sein Magen drehte sich um.

      Mittlerweile vermochte er Worte und Satzfetzen aus dem Gebrüll herauszuhören.

      „...dreckige Menschenschinder!“

      „Bastarde!“

      „Polizeiknechte!“

      „Wir kriegen euch!“

      „Macht schon mal euer Testament!“

      Wüstes Gelächter und unverständliches Grölen übertönten immer wieder jeden anderen Laut. Barry fragte sich, was sie über ihn dachten. Einen Moment lang glaubte er, dass sie ihm den Spitzel an der Nasenspitze ansahen. Doch dann zwang er sich, solche Gedanken zu unterdrücken. Er konnte sich nur selbst damit schaden. Ihm blieb nichts anderes übrig, als seine Rolle zu spielen. Denn erstens stand er bei Lovell in der Pflicht. Und zweitens gebot es der reine Selbsterhaltungstrieb. Er konnte und wollte nicht kaputtgehen in dieser Gefängnishölle.

      Er wollte leben.

      Überleben.

      Denn nur noch diesen einen Dienst musste er Lovell erweisen. Danach waren sie quitt. Für alle Zeiten. Dann konnte Lovell höchstens mal höflich anfragen. Aber so, wie er die Dinge heute sah, würde Barry dem Eisenfresser nicht mal mehr das Wort gönnen. Er hatte genug. Endgültig. Nur noch dieses eine Mal...

      15

      Krachend fiel die Zellentür hinter Barry Deegan zu.

      Noch einen Atemzug lang standen die vier Schwerbewaffneten draußen, im Halbkreis, die Schrotflinten und Maschinenpistolen im Anschlag. Barry sah die Beamten in einem halbblinden Rasierspiegel, der über dem Waschbecken hing, hinten in der Ecke. Denn Barry verharrte mit dem Rücken zur Gittertür.

      Wenn er die Höhle des Löwen erwartet hatte, dann war das eine lächerliche Untertreibung gewesen.

      Hier war er mitten in einen Tigerkäfig geraten.

      Im Rasierspiegel beobachtete Barry die Aufseher, wie sie - einer nach dem anderen - kehrtmachten und verschwanden. Keiner von ihnen wusste, dass Barry Deegan in Wirklichkeit kein Gangster war, dass er niemals von einem Gericht verurteilt worden war. Der einzige Eingeweihte in Broken Bow war der Gefängnisdirektor. Barry durfte ihn allerdings nur dann um Hilfe bitten, wenn er in allergrößter Gefahr schwebte.

      Wie, in aller Welt, soll das gehen? dachte er in einem Anflug von Selbstironie.

      Zum Beispiel jetzt, in diesem Moment.

      Die drei Kerle machten verdammt den Eindruck, dass sie ihn am liebsten einzeln auseinandernehmen würden. Ihre Gesichter zeigten jedenfalls alles andere als einen freundlichen Willkommensgruß.

      Barry wich einen halben Schritt zurück, bis er die Gitterstäbe im Nacken spürte. Er krampfte seine Hände um den doppelt daumendicken Stahl. Die Kerle konnten es nicht sehen; aber den Grad seiner inneren Anspannung lasen sie ihm vermutlich doch an der Nasenspitze ab.

      Einen kannte er. Das Foto in der Polizeiakte war weniger als ein Jahr alt, zeigte den Mann aber noch mit längerem Haar. Lovell hatte ihn jedoch gut beschrieben.

      Aldo Benito.

      Gefährlich wie ein ausgehungerter Bengal-Tiger.

      Benito hatte den Körperbau eines Wohnzimmerschranks aus massiver amerikanischer Eiche. Das schwarze Haar trug er kürzer, aber immer noch lang genug, um es wie eine glatte Lackschicht nach hinten zu kämmen. Über seinen Muskelpaketen spannte sich ein hellblaues T-Shirt. Sein kantiges Kinn war vorgereckt, als wollte er den Neuen damit in Grund und Boden rammen. Das tückischste an ihm waren indessen die dunklen Augen - dunkelbraun, fast schwarz, zwischen drohend verengten Lidern.

      Draußen im Zellentrakt nahm der Lärm ab. Die Aufseher mussten sich vollends zurückgezogen haben.

      Noch minutenlang hielt das stumme Kräftemessen zwischen Barry Deegan und seinen künftigen Zellengenossen an. Er wusste, dass er gegen die drei keine Chance


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