DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI. Sokei-an Shigetsu Sasaki
war. Es ist das Gleiche in Amerika. Es wird voraussichtlich fünfhundert Jahre dauern, bis der Buddhismus Amerikas Herz erreicht hat. Es war eine Sackgasse erreicht worden, aus der es unmöglich war, einen weiteren Schritt zu gehen. Lin-chi zeigte einen neuen Weg auf, der sich als langsamer Fluss entwickelte, um sich dann in einen schnellen Strom zu wandeln.“
Über 80 Jahre haben drei Generationen von Übenden im First Zen Institute of America die Erinnerung an Sokei-an‘s Kommentar über Lin-chi in ihren eigenen Aufzeichnungen, den Zendo-Vorträgen und in den Zen-Notes genossen. Wir bringen sie hier vor ihre Augen, so wie es Sokei-an beabsichtigte. Ich glaube, der Titel dieses Buches hätte ihm gefallen. Vor allem müssen wir auch Sokei-an’s Forderung übermitteln, dass, wie Lin-chi, die amerikanischen Zen Übenden etwas Ursprüngliches tun müssen, um ihr erwachtes Herz (ihren erwachten Geist) zu demonstrieren.
Michael Hotz, President,
First Zen Institute of America
New York City, Frühjahr 2013
Einführung von Sokei-an
In China, wo die Zen Schule entstand, haben sich fünf große Häuser oder Schulen des Zen entwickelt. Lin-chi I-hsuan [† 866], ein chinesischer Roshi des 9. Jahrhundert, war der Gründer einer dieser Schulen [DJW: Die im Westen heute als Rinzai-Zen bekannt ist]. Der Buddhismus entwickelte sich aus Buddhas Lehre, die aus seinen goldenen Lippen kam. Diese Lehre wurde von den großen Jüngern und Patriarchen von Generation zu Generation weitergegeben. All dies ist in diesen Vorträgen enthalten.
Bisher wurde keine Übersetzung von Lin-chi's Sprüchen aus dem Chinesischen angefertigt. Dies ist das erste Mal, dass diese ins Englische oder eine andere Sprache als der Chinesischen übersetzt wurden. Dies ist also die erste in englischer Sprache [DJW: und dies ist die erste in deutscher Sprache, die auf den ursprünglichen chinesischen Texten beruht].
Es war während der Tang Dynastie [618-907], dass die Zen Schule des Buddhismus sich überall in ganz China verbreitete. Dieses goldene Zeitalter in der chinesischen Geschichte zeichnete sich durch einen Kampf gegen erbarmungslose Invasoren, den blauäugigen und rotbärtigen Tataren und Türken aus dem Westen aus. Die nachfolgende Sung Dynastie (960-1127) war genial, aber dekadent im Vergleich zur Tang Dynastie. Der Geist Chinas war stark und kriegerisch, sodass Zen durch die stumpfe und kraftvolle Atmosphäre der Zeit beeinflusst war und damit nicht so detailgenau wie das heute der Fall ist. Buddhismus nahm nun mehr seine ursprüngliche Form an, sein ursprüngliches Gesicht, so als ob der Buddha direkt aus seinem eigenen Herzen sprechen würde. Die Zen-Priester Chinas zu dieser Zeit lasen nicht aus mottenzerfressenen Sutras, sondern sprachen über Buddhismus, wie er in ihren eigenen Herzen geschrieben war, sprachen aus dem Innersten des Menschen. Lin-chi starb im Jahr 866. Es sind nun über tausend Jahre seit seinem Tod vergangen (im Jahr 2016 genau 1 150 Jahre).
Durch das Studieren der Aufzeichnungen von Lin-chi, niedergeschrieben durch einen seiner Jünger, San-sheng Hui-jan [keine Daten], werden Sie Zen verstehen, wie es in China dieser Zeit ausgedrückt wurde. Die Dialoge dieser Aufzeichnungen sind gute Beispiele wie diese frühen Zen-Übenden miteinander umgingen und ihre Ansichten austauschten. Lin-chi's Unterweisung in den Grundfragen, die vor dem Teil stehen, mit dem ich den Anfang mache, sind schwer, für diejenigen zu erklären, die nicht mit der Zen-Schule vertraut sind, sodass ich mit seinen Lehrreden beginne, die zu seiner Erleuchtung geführt haben und mit den ersten Dialogen ende.
Vorwort von Daikan
Mein Zen-Weg begann am 25. Februar 1985, nachdem ich das Buch „Die drei Pfeiler des Zen“ von Kapleau gelesen hatte. Sehr früh auf meinem Zen-Weg entdeckte ich auch die ins Deutsche übersetzten Bücher von Shigetsu Sasaki Sokei-an „Sokei-an’s Übertragung des Zen“, „Der Zen Weg zur Befreiung des Geistes“ und „Der 6. Patriarch kommt nach Manhattan,“ Sokei-ans Übersetzung und Kommentar zum Plattform Sutra von Hui-neng (C.), Daikan Eno (J.). Dies zuletzt genannte Werk hat mich sehr lange beschäftigt und ich habe dieses Buch sicher fünfmal durchgearbeitet.
Im Jahr 2015 brachte mir ein Zen-Schüler von seinem zweijährigen USA-Aufenthalt in San Francisco das Buch „THREE-HUNDRED-MILE TIGER - THE RECORD OF LIN-CHI“ mit und da ich auf meinem Zen-Weg sehr viele Bücher über Zen und Buddhismus studiert hatte, legte ich es zunächst beiseite. Erst im Frühjahr 2016 begann ich vor dem Schlafengehen ein paar Seiten zu lesen und war nach den ersten Predigten von Lin-chi und dem jeweiligen Kommentar von Sokei-an sehr berührt. Hier hatte ich Texte gefunden, die genau den von mir gewonnenen Erfahrungen entsprachen und es entstand in mir die Idee, dieses – sicher für alle Zen-Übende und alle an der Entwicklung des eigenen Geistes Interessierte und einen religiösen Weg suchende Menschen – wichtige Buch über die Grundsätze der Wahrheit unseres Universums in unsere deutsche Sprache zu übersetzen.
Die Predigten, Koan-Schulungen und Berichte über Pilgerreisen weisen alle auf die eine Kraft, die das Universum trägt, und obwohl es dafür kein Wort gibt, nenne ich es LIEBE. Mein Lehrer Bunryo Yamada Roshi forderte mich einmal auf – nachdem er die Buchstaben des englischen Wortes „Love“ im Sinne des Zen in Worte gefasst hatte – ob ich das gleiche mit dem deutschen Wort „Liebe“ machen könnte.
Meine Antwort damals war:
L | steht für Leerheit. Wenn man die Bedeutung von Leerheit verstanden hat, so kommt man zu |
I | steht für Ichlosigkeit. Wenn man erkannt hat, dass es wirklich kein unabhängiges Ich gibt, kommt man zu |
E | steht für Einheit. Nun kann man die Einheit des Universums erfahren und das Suchen ist beendet. So entsteht |
B | steht für Bescheidenheit. Man kommt zu der Überzeugung, dass man diesen Körper nur der Kraft des Universums zur Verfügung stellen soll und das erzeugt |
E | steht für Energie. Ein anderes Wort für die EINE Kraft des Universums. |
Meine Wünsche an die Leser dieses Buches sind, dass sie die Botschaft von Lin-chi und die von ihm dargelegte tiefe Bedeutung des Wortes Religion mit ihrem Herzen verstehen und in ihr tägliches Leben umsetzen und anwenden können. Dazu lautet die wichtigste Botschaft der Texte von Lin-chi und von Sokei-an: Sucht nicht Außen, das Licht der Wahrheit ruht in jedem von uns – wir müssen ES nur anzünden.
Die Möglichkeit dazu haben wir jeden Augenblick!
Außerdem sollte man darauf hinweisen:
1. Es gibt keine Möglichkeit Religion zu lehren – und das bedeutet dann, man kann mit Religion kein Geld verdienen!!!
2. Es gibt keine Methode, um die Selbsterfahrung (kensho, satori) zu verwirklichen, – allerdings zeigt die Geschichte der Menschheit, dass die Zen-Übungen sie offensichtlich erleichtern.
3. Es gibt keine Zen-Meisterinnen oder Zen-Meister auf der Welt: (es gibt Maler-Meister, Haus-Meister) niemand kann „Zen“ lehren. Man kann als Zen-Priester nur mit interessierten Menschen üben und versuchen ein wenig über die eigene Erfahrung weiterzugeben.
Gemäß dem letzten Hinweis habe ich das Wort „Master“, das im englischen Original laufend verwendet wird, konsequent nicht mit Meister übersetzt, sondern die Worte Lehrer, Priester oder Roshi (J. wörtlich: alter Mönch/Lehrer) benutzt. (Auch die Übersetzungen in deutschen Bibeln, die Jesus als „Meister“ bezeichnen finde ich absurd – Jesus war Rabbi = Priester).
Es liegt mir sehr am Herzen, einmal darauf hinzuweisen, dass die Titelsucht bei Zen-Lehrern im Westen traurige Blüten treibt: Man nennt sich x-ter Patriarch nach blablabla – obwohl der 6. Patriarch diesen Titel (Gott sei Dank) abgeschafft und nicht mehr weitergegeben hat. Man nennt sich Roshi, ohne zu wissen, dass dieser Titel nur dem Abt eines Zen-Klosters zusteht, der den „sodo“ also den Konvent der Mönche leitet und man bezeichnet auch Dharma-Nachfolger eines Roshis mit dem gleichen Titel – dabei ist dann unerheblich ob es sich um einen Laien oder Mönch, einen Mann oder eine Frau handelt.
Eigene zusätzliche Kommentare habe ich in [eckigen Klammern] mit dem Zusatz DJW gekennzeichnet. Auch das Glossar habe ich um einige wenige Begriffe ergänzt.
Diese Übersetzung widme ich von ganzem Herzen meiner Frau, die mich sehr in dieser Arbeit unterstützt hat und widme sie ganz besonders unseren sieben Kindern.
Zuletzt möchte ich mich